| # taz.de -- Bundesregierung will Presse fördern: Millionen für Digitaljournal… | |
| > Mit 220 Millionen Euro will die Bundesregierung dem Journalismus unter | |
| > die Arme greifen. Wie das genau aussehen soll, ist noch unklar. | |
| Bild: Erst hieß es „Zustellförderung“, nun heißt es „digitale Transfor… | |
| Lange passierte nichts. Und dann ging es doch plötzlich ganz schnell. Noch | |
| im November vergangenen Jahres hatte der Bundestag beschlossen, die | |
| deutschen Verlage bei der immer teurer werdenden Zustellung gedruckter | |
| Zeitungen zu unterstützen. 40 Millionen Euro hätte es dafür in diesem Jahr | |
| geben sollen. Seitdem hatte die Branche vor allem versucht, das zuständige | |
| Bundesarbeitsministerium in ihrem Sinne zu bearbeiten – auf weitere Details | |
| wartete man aber vergebens. | |
| Dann kam aber die Coronakrise – und nun ist das alles überraschend vom | |
| Tisch. Auf Antrag der Regierungskoalition hat der Haushaltsausschuss in | |
| einer nichtöffentlichen Sitzung entschieden, dass in den kommenden Jahren | |
| insgesamt bis zu 220 Millionen Euro zur Unterstützung des kriselnden | |
| Journalismus fließen sollen. Von „Zustellförderung“ ist nun keine Rede | |
| mehr, es soll plötzlich um die „digitale Transformation“ gehen. | |
| Wie diese genau aussehen soll, kann noch keiner sagen. Unklar ist auch, wer | |
| eigentlich nach welchen Vorgaben gefördert werden soll. Zuständig für | |
| Antworten auf diese Fragen wäre das Wirtschaftsministerium von Peter | |
| Altmaier (CDU). Bisher scheint lediglich festzustehen, dass die ersten 20 | |
| Millionen Euro noch in diesem Jahr fließen sollen. | |
| Hintergrund der geplanten Förderung sind die notorischen Probleme der | |
| Branche. Die tut sich seit Jahren schwer damit, nachhaltige Erlösmodelle | |
| für digitalen Journalismus zu finden. Auflagen und Abozahlen der gedruckten | |
| Zeitung sinken stetig, während das für den Umsatz so wichtige | |
| Anzeigengeschäft ins Netz wandert und dort von den Platzhirschen Google und | |
| Facebook dominiert wird. Die durchaus steigenden Umsätze mit den | |
| Online-Angeboten der Verlage können die so wegbrechenden Einnahmen noch | |
| lange nicht auffangen – noch immer wollen zu wenige Nutzer*innen regelmäßig | |
| für journalistische Inhalte im Internet zahlen. | |
| ## Bloß nicht die Alten verlieren | |
| Dazu kommt ein Problem, für das die zögerliche Digitalisierungsstrategie | |
| der Branche verantwortlich ist. Denn obwohl klar ist, dass die | |
| allmorgendliche Zustellung der Zeitung riesige Kosten und logistischen | |
| Aufwand verursacht, halten die Verlage krampfhaft an diesem Modell fest. Zu | |
| groß ist die Angst, vor allem ältere Leser*innen zu verlieren, die | |
| zumindest laut einer Umfrage des Verlegerverbands BDZV noch nicht bereit | |
| für den Verzicht auf echtes Papier sind. | |
| Und ihr Wort hat Gewicht – gerade bei Regionalzeitungen stellen | |
| Senior*innen die größte und treueste Gruppe von Abonnent*innen. Dass so | |
| allein aus demografischen Gründen bald ein noch stärkerer Einschnitt in der | |
| Auflage droht, wird sehenden Auges in Kauf genommen. | |
| Lieber verweist man auf die Einführung des Mindestlohns. Der gilt | |
| mittlerweile als Brandbeschleuniger der Krise – tatsächlich stiegen dadurch | |
| die Kosten für die Zustellung der täglichen Ausgabe gerade in | |
| dünnbesiedelten Verbreitungsgebieten enorm an. Eine kürzlich vorgestellte | |
| [1][Studie des BDZV] warnt davor, dass es 2025 bereits in etwa 40 Prozent | |
| der deutschen Gemeinden aus wirtschaftlicher Sicht keinen Sinn mehr machen | |
| könnte, eine gedruckte Zeitung zuzustellen. | |
| ## Ein neues Konzept muss her | |
| Darauf also wollte die Politik mit ihrer ursprünglichen geplanten | |
| „Zustellförderung“ über 40 Millionen Euro reagieren. Offenbar haben sich | |
| jetzt jene Stimmen in der Koalition durchgesetzt, die schon im vergangenen | |
| Jahr nicht verstehen konnten, wieso man eigentlich weiter Geld in eine | |
| rückwärtsgewandte Technologie pumpen sollte. | |
| Zudem klingt durch, dass die Lobbyarbeit der Verleger eine Rolle gespielt | |
| hat: Ihnen war die angebotene Summe viel zu niedrig – lieber hätten sie 400 | |
| Millionen im Jahr bekommen. „Wenn man ständig signalisiert bekommt, dass | |
| das alles sowieso nichts bringt, dann lässt man es eben“, sagt Martin | |
| Rabanus, medienpolitischer Sprecher der SPD, der taz. | |
| Für Margit Stumpp, medienpolitische Sprecherin der Grünen, zeugt das alles | |
| vor allem von politischer Intransparenz: „Es werden Tatsachen geschaffen, | |
| ohne dass die anderen Fraktionen die Möglichkeit haben, sich inhaltlich zu | |
| positionieren.“ Dass noch kein Konzept vorliege, sei bezeichnend für die | |
| „Planlosigkeit“ der Koalition in der Medienpolitik. Allerdings: Auch Stumpp | |
| begrüßt es, dass die Zustellförderung jetzt vom Tisch sei. Nun müssten aber | |
| überzeugende Ideen her, wie staatsferne Förderung von Journalismus aussehen | |
| könne. | |
| ## Sinneswandel nicht in Sicht | |
| Tatsächlich ist das ein grundlegendes Problem. Denn wie können private | |
| Medienhäuser überhaupt Geld vom Staat annehmen, ohne sich gleichzeitig der | |
| Hofberichterstattung verdächtig zu machen? Auch Verlegerverbandspräsident | |
| Mathias Döpfner hatte ja einst betont, [2][er ziehe Zeitungsinsolvenzen dem | |
| „subventionierten Verlust ihrer Unabhängigkeit“ vor]. Für | |
| SPD-Medienpolitiker Rabanus und auch den BDZV scheint es dafür nun eine | |
| elegante Lösung zu geben: den Umweg über eine reine Infrastrukturförderung. | |
| Klar sei, dass weder Redaktionen noch einzelne Journalist*innen bezuschusst | |
| werden dürften, darin sind sich alle einig. | |
| Wie könnte das konkret aussehen? „Meine Vorstellung ist jedenfalls nicht, | |
| dass wir das Geld einfach nach irgendwelchen Schlüsseln an die Verlage | |
| verteilen“, sagt Rabanus. Ihm schwebt vielmehr eine Lösung vor, die sich an | |
| der bereits viel diskutierten Idee eines „Spotify für Journalismus“ | |
| orientiert. Soll heißen: Die Verlage stellen ihre Inhalte auf einer | |
| gemeinsamen Plattform zur Verfügung. Die Nutzer*innen zahlen dann für das | |
| gesamte Angebot einen günstigen Abo-Preis, der sich an Streamingdiensten | |
| [3][wie Netflix oder eben Spotify orientiert]. | |
| Der Staat könnte dabei die technische Umsetzung und den Betrieb dieser | |
| Plattform finanziell unterstützen. So würde immerhin kein einzelnes | |
| Medienhaus bevorzugt oder benachteiligt. Eine entscheidende Voraussetzung | |
| dafür ist allerdings, dass die Branche ihr bisheriges Verständnis von | |
| Konkurrenz neu denkt. Hinweise auf einen solchen Wandel sind bisher aber | |
| nicht zu erkennen. | |
| 9 Jul 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.bdzv.de/fileadmin/bdzv_hauptseite/aktuell/pressemitteilungen/20… | |
| [2] /Geld-vom-Staat-fuer-Zeitungen/!5663177 | |
| [3] /Digitale-Geschaeftsmodelle/!5651662 | |
| ## AUTOREN | |
| Alexander Graf | |
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