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# taz.de -- Geld vom Staat für Zeitungen: Subventionen für Print
> Mit einer Presseförderung möchte der Staat finanzielle Verwerfungen der
> Zeitungskrise auffangen. Verlage fürchten um ihre Unabhängigkeit.
Bild: Zeitungszusteller*innen werden nicht mehr nach Stückzahl, sondern mit de…
Wie es aussieht, wenn sich eine Lokalzeitung zurückzieht, lässt sich
künftig im nördlichen Rheinland-Pfalz bei der Rhein-Zeitung beobachten. „In
den vergangenen Tagen erst wurde neu entschieden, dass es neben den drei
großen Regionaldesks keine weiteren Ortskorrespondentenbüros in der Fläche
geben wird“, heißt es in einem Rundschreiben der Chefredaktion. Mit anderen
Worten: Die Lokalzeitung wird kaum noch Präsenz zeigen. Die lokale
Berichterstattung werde darunter „enorm“ leiden, mahnt der Deutsche
Journalisten-Verband.
Auch in der Redaktion fragen sich viele, wie so noch Kontakt zu Leser*innen
aufrechterhalten, wie Geschichten „entdeckt“ werden sollen. Jeder wisse
doch, wie wichtig Präsenz im Lokalen sei. Leser*innen schauten bei
Problemen vor Ort bei ihrer Zeitung vorbei. Der Rückbau am Mittelrhein ist
ein weiteres Indiz für die Krise der klassischen Zeitung. Die Politik
möchte dieser Krise nun entgegenwirken, der Bundestag hat Ende vergangenen
Jahres Subventionen beschlossen.
Denn die Kurve der Auflagenkontrolle durch die Informationsgemeinschaft IVW
zeigt für alle Titel kontinuierlich nach unten. 2009 verkauften Verlage
täglich noch knapp 24 Millionen Exemplare. Im vergangenen Jahr waren es
nicht einmal mehr 15 Millionen. Während das Geschäft mit gedruckten
Zeitungen einbricht, weil Abonnent*innen keine Lust mehr haben oder
schlicht sterben, wachsen zwar die Umsätze im Digitalen – oft sogar
kräftig. Aber das Digitale fängt noch nicht auf, was bei gedruckten
Zeitungen wegfällt.
„Es gibt einen Zeithorizont von fünf Jahren“, sagt Katrin Tischer, die
Geschäftsführerin des Verlegerverbandes BDZV. Der hat seine Mitglieder
befragt, wann das Digitale mehr bringt, als im Gedruckten einbricht.
Tischer spricht von „viel Optimismus“ und einer „positiven Aussicht“.
Mindestens bis dahin, also 2025, sollen aber die Steuerzahler*innen
einspringen.
Die genannte Subvention, der Haushaltsposten „Förderung der Zustellung von
Abonnementzeitungen und Anzeigenblättern“, sieht für das laufende Jahr 40
Millionen Euro vor. Wie der Titel schon sagt: Gefördert wird allein das
Austragen gedruckter Exemplare. Auf diese Abgrenzung legen die
Verleger*innen großen Wert. Nicht alle finden die Idee gut, Zeitungen an
den Tropf des Staates zu legen. Von Springer-Boss [1][Mathias Döpfner, der
immerhin Präsident des Verlegerverbandes ist, sind deutliche Worte
überliefert]: „Lieber Insolvenzen von Zeitungen als der subventionierte
Verlust ihrer Unabhängigkeit.“
## Sozialere, dafür teurere Zustellung
Nun hatte sich ausgerechnet Döpfners BDZV in der Politik starkgemacht für
Subventionen. Döpfner selbst traf sich dafür mit Bundesarbeitsminister
Hubertus Heil (SPD). Wer sich beim BDZV nach diesem Widerspruch erkundigt,
erfährt: Der Spruch habe sich allein auf Finanzspritzen bezogen, die
direkt auf Redaktionen abzielten. Genau das passiert in Frankreich mit der
„Modernisierungsförderung“ oder in Dänemark und Schweden mit der
„Innovationsförderung“: Regierungen bezuschussen die Entwicklung digitaler
Produkte und so letztlich Stellen in Newsrooms oder verlagseigenen
Start-ups.
Das Arbeitsministerium ließ sich in einer Studie die Presseförderung in
Europa zusammenstellen. Dem Vernehmen nach soll es zunächst auch dieses
Modell favorisiert haben. Schließlich wäre es dabei um die Förderung der
Zukunft gegangen, nicht um lebensverlängernde Maßnahmen für ein altes
Medium. Die deutschen Verleger*innen sollen aber vehement abgelehnt haben.
Nur eine „Logistikförderung“ garantiere Unabhängigkeit.
Dass sich in der Bundesregierung das Arbeitsressort um die Presseförderung
kümmert, hat einen Grund: Die Einführung des Mindestlohns hat das Austragen
der Zeitungen teuer gemacht. Zusteller*innen – bundesweit sind das etwa
100.000 – wurden früher pro Stück bezahlt. Inzwischen bekommen sie einen
Stundenlohn. Das ist sozialer, für die Verlage aber teurer. Die Verlage
rechneten der Politik in Lobbytreffen und Briefen vor, dass die
Zustellkosten allein für Tageszeitungen von 1 auf 1,4 Milliarden Euro pro
Jahr gestiegen seien.
„Auch wenn inzwischen mehrere Tausend Abonnenten unsere Zeitungen digital
lesen und wir über die mobilen Kanäle rund um die Uhr informieren, wollen
die Menschen weiterhin überwiegend ihre Zeitung gedruckt in Händen halten,
morgens spätestens um 6 Uhr“, schrieben etwa die Verleger von Schwäbischer
Post und Gmünder Tagespost. „Neu-Abonnenten wählen zu über 90 Prozent das
gedruckte Exemplar.“ Für ihre Schreiben haben sich auch konkurrierende
Verleger zusammengetan. „Wie Telekommunikation, Strom und Verkehr ist ein
flächendeckendes Pressezustellnetz eine Infrastruktur von erheblichem Wert
für unsere Gesellschaft“, notierten die Geschäftsführer von Süddeutscher
Zeitung und Münchner Merkur.
## Mehr Geld für Zeitungen in ländlichen Regionen
Manch einer versucht es noch, indem er die Effizienz hochschraubt. Eine
Delegation der Mediengruppe DDV, der die Sächsische Zeitung gehört, hat
sich in Norwegen Elektrofahrzeuge besorgt. Platz haben eine Person und
viele Zeitungen. Zusteller*innen können in beide Richtungen aussteigen,
müssen also nicht ums Auto herumlaufen, um an Briefkästen zu kommen. Die
DDV ist nun Generalimporteur für Verlage in ganz Deutschland.
Die Subventionen für die Verlage liegen unterdessen noch auf den Konten der
Regierung. Das Arbeitsministerium muss erst einen Verteilungsschlüssel
vorlegen. Im Gespräch ist nach Informationen der taz eine Staffelung: mehr
Geld für die umständlichere Zustellung in ländlichen Regionen, weniger in
Metropolen.
Wann es so weit ist, möchte eine Sprecherin des Ministeriums nicht sagen.
Dort dürfte man sich aber immerhin mit der Not der Verlage auskennen: Das
Ministerium wird von der SPD geführt. Die wiederum ist über ihre Tochter
DDVG an diversen Verlagen beteiligt, etwa an der Madsack-Gruppe in
Hannover.
Doris Achelwilm, die medienpolitische Sprecherin der Linksfraktion im
Bundestag, bezeichnet den ganzen Vorgang als „in der Sache intransparent
und unstimmig“. Die Koalition habe ein Preisschild gedruckt, wolle aber
erst jetzt ein passendes Produkt dazu erfinden. Kritik kommt auch von den
Grünen: Ein Gießkannensystem sei ein „zweifelhafter Weg“, um die
Zeitungslandschaft zu fördern. Vielmehr müsse darüber nachgedacht werden,
die zunehmende Zeitungskonzentration zu verhindern, dass wenigen
Verlagsgruppen immer mehr Titel gehören oder für sie zentral überregionale
Berichterstattung produzieren.
Der Verlegerverband BDZV will jedenfalls weiter lobbyieren. Im nächsten
Haushalt sollen weit mehr als 40 Millionen Euro freigegeben werden. Nach
der Umstellung auf den Mindestlohn gelte es, zusätzliche Ausgaben von 400
Millionen Euro zu kompensieren, allein bei den Zeitungsverlagen. „Die
beschlossene Förderung reicht überhaupt nicht“, sagt BDZV-Geschäftsführer…
Tischer.
22 Feb 2020
## LINKS
[1] https://www.horizont.net/medien/nachrichten/springer-chef-mathias-doepfner-…
## AUTOREN
Daniel Bouhs
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