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# taz.de -- Staatliche Presseförderung: Das Pokern der Verlage
> Der Bund wird Zeitungsverlage mit mehr Geld fördern als erwartet. Die
> Verlage aber wollen sich nicht vorgeben lassen, wofür sie das Geld
> ausgeben.
Bild: Das Spiel hat sich schon jetzt gelohnt für die deutschen Verlage
Willkommen im Casino zum lustigen Verleger! Der Jackpot liegt bei immerhin
220 Millionen Euro und ist im Gegensatz zum echten Glücksspiel schon
gewonnen. Hier pokern Deutschlands Zeitungsverlegende mit dem
Bundeswirtschaftsministerium nur noch darum, wofür das Geld verteilt wird.
„Zeitung ist not“, lautet der Schlachtruf. Das ist wahrscheinlich vom Roman
„Seefahrt ist not“ des später von den Nazis schwer vereinnahmten Autors
Johann Wilhelm Kinau inspiriert. Der ist eher unter seinem Pseudonym Gorch
Fock bekannt und im Ersten Weltkrieg bei der Seeschlacht am Skagerrak
ertrunken.
Schon 2019 hatten die Verleger, die ja eigentlich Staatsknete verabscheuen,
den Bund weichgeklopft. 40 Millionen Euro für die durch den Mindestlohn so
teuer gewordene Zustellung der gedruckten Zeitung wurden letzten Herbst
schon beschlossen. Aber der früher von zweistelligen Umsatzrenditen
verwöhnten Branche war das zu wenig.
„Eine so geringe Förderung löst kein einziges Problem“, so damals der
Verlegerverband BDZV. Dann kam Corona und die ohnehin schwächelnden
Werbeeinnahmen der Zeitungen brachen noch mehr ein. Coronasoforthilfe
wollten die vielen Herren und wenigen Damen über Deutschlands Zeitungen
aber keine. Das sei zu wenig und zu punktuell. Also wurde weiter gepokert.
## Lyrischer Hilferuf
Es hat sich gelohnt. Eigentlich fallen im Halshautausschuss selten
Millionen vom Himmel. Am 1. Juli passierte es aber. Die Verlagslobby hat es
geschafft, dass der Bund mal eben seinen Einsatz mehr als verfünffacht. 220
Millionen stehen im aktuellen Nachtragshaushalt.
Trotzdem wird weiter gezockt und geblufft. Denn die Verlage hätten das Geld
[1][am liebsten als reine Vertriebsförderung, also als Subvention]. Für die
rund „100.000 Zusteller und Zustellerinnen“, die – Zeitung ist not! –
„mitten in der Nacht und bei allen Witterungsbedingungen“ tagtäglich fast
zehn Millionen Zeitungen in deutsche Briefkästen stecken, wie es in einer
Studie im BDZV-Auftrag geradezu lyrisch heißt.
Doch hier mag der Bund bislang nicht mitziehen. Man könne [2][doch kein
überkommenes Geschäftsmodell künstlich am Leben halten], heißt es hinter
nur mäßig vorgehaltener Hand im Wirtschaftsministerium. Deswegen ist neben
der Zustellförderung ausdrücklich auch von der „digitalen Transformation
des Verlagswesens“ die Rede. Was die Verlagswesen als unfreundliche
Einmischung begreifen.
Aber ob es den Zeitungen und welchen Zeitungen es wirklich schlecht geht,
weiß niemand außer den Presse-Pokerfaces selbst. Amtliche Zahlen gibt es
seit über 20 Jahren nicht mehr, klagen Gewerkschaften. Doch auch dafür
gibt’s beim Pokern eine Lösung: Der Bund müsste einfach mal „zum Sehen“
setzen.
20 Aug 2020
## LINKS
[1] /Geld-vom-Staat-fuer-Zeitungen/!5663177/
[2] /Finanzierung-von-Journalismus/!5681087/
## AUTOREN
Steffen Grimberg
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