# taz.de -- 20 Jahre „Altpapier“: Medien, die auf Medien starren | |
> In der undurchsichtig werdenden Medienwelt behält der Medienwatch-Blog | |
> „Altpapier“ den Überblick. Nun wird er 20. Wir gratulieren! | |
Bild: Die klassischen Printmedien sind schon längst nicht mehr alleinherrschend | |
Ich muss mit einer Beichte beginnen. Wenn NichtjournalistInnen mich fragen, | |
was ich eigentlich genau mache bei der taz, dann nuschel ich manchmal etwas | |
dahin. „Na ja, so Medien und Öffentlichkeit. Also im weitesten Sinne.“ Dann | |
wechsle ich das Thema. | |
Medienjournalismus ist nicht leicht zu erklären. Zumindest nicht so leicht | |
wie SPD- oder Sportberichterstattung. Wir MedienjournalistInnen berichten | |
über Medien, über Verlage, Sender und das Internet. Also über uns selbst | |
und unsere KollegInnen. Wir betreiben Nabelschau und Nestbeschmutzung. Das | |
macht nicht immer Spaß, aber jedes Jahr wieder über das Comeback von | |
Friedrich Merz zu berichten macht, glaube ich, auch nicht immer Spaß. | |
Medien sind einer der zentralen Orte, an denen eine demokratische | |
Gesellschaft aushandelt, wie sie miteinander spricht, worüber sie spricht, | |
wohin sie will. Hier wird es schwammig. Denn der Medienbegriff hat sich | |
stark verändert. Früher waren Medien Zeitungen, Radio, Fernsehen. Heute | |
sind Medien auch noch Internet, soziale Netzwerke, Streamingdienste, Blogs, | |
Newsletter, Podcasts. Unser Berichtsgebiet hat sich erweitert, | |
Kräfteverhältnisse haben sich verschoben, die Strukturen der Öffentlichkeit | |
sind heute andere als noch vor zwanzig Jahren. Das Internet macht aus jedem | |
und jeder einen Medienkritiker. | |
Denken Sie an eine der letzten großen Mediendebatten: Die SZ schreibt einen | |
problematischen Text über Igor Levit, es entsteht eine Debatte bei Twitter, | |
die mit dazu führt, dass sich die SZ entschuldigt. Die SZ! Sich | |
entschuldigt! | |
## Durchblick im Durcheinander | |
Klassische Medien verlieren ihre Gatekeeper-Funktion. Das ist gut, weil es | |
den medialen, gesellschaftlichen Aushandlungsprozess demokratischer macht. | |
Und es ist schlecht, weil es unübersichtlicher und hysterischer wird. | |
Wie gut, dass es Leute gibt, die den Überblick behalten – so wie das | |
„Altpapier“. Das Altpapier ist der älteste Medienwatch-Blog Deutschlands. | |
Wobei, besser wäre: Medienwatch-Watchblog. Seit 20 Jahren erscheint dort | |
täglich eine Kolumne, die die aktuellen Mediendebatten zusammenfasst: was | |
davon zu halten ist, dass Gerhard Schröder [1][auf Instagram gärtnert]. | |
Oder auf welche Zahlen es wirklich ankommt im [2][Großerbe von Mathias | |
Döpfner]. Wer im Twitter-Meinungspingpong den Überblick verliert, der | |
findet im Altpapier die Analyse, die Erregungswellen runterkocht. | |
Und – und darauf kommt es bei der Medienkritik besonders an – das Altpapier | |
ist unabhängig. So gut wie. Es hat sein virtuelles Zelt zwar mittlerweile | |
beim MDR aufgeschlagen, ist sich aber für Kritik am eigenen Haus nicht zu | |
fein. Denn das, um auf mein Anfangsproblem zurückzukommen, ist ja das | |
Nächste, was Nichtmedienprofis schwer zu erklären ist: Wie geht das, die | |
KollegInnen kritisieren, aber nicht das eigene Haus? Sitzen wir nicht alle | |
im selben Boot? | |
Irgendwie schon, deswegen macht man sich mit Medienjournalismus auch nicht | |
besonders viele Freunde. In diesem Sinne: Happy Birthday, Altpapier! | |
2 Nov 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.mdr.de/altpapier/das-altpapier-1722.html | |
[2] https://www.mdr.de/altpapier/das-altpapier-1678.html | |
## AUTOREN | |
Anne Fromm | |
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