# taz.de -- Finanzierung von Journalismus: Zeitung neu denken | |
> Der Bedarf an unabhängigem Journalismus ist groß genug. Das zeigt auch | |
> die Coronakrise. Bloß das System muss sich daran anpassen. | |
Bild: Große Nachfrage, wenig Erlöse: Journalismus 2020 | |
Ein Missverständnis hält sich hartnäckig. Das lautet: Wer eine Zeitung | |
erwirbt, bezahlt für das, was darin geschrieben steht. Das ist – zumindest | |
in diesem absoluten Tauschverhältnis – nicht richtig. Denn zum einen | |
bezahlt die Zeitungsleserin ja noch Papier, Herstellung, Druck und Vertrieb | |
– Nebenkosten, die gerade tendenziell steigen. Und zum anderen ist dieser | |
„gute Journalismus“, für den die Leserin ihren Abo- oder Stückpreis | |
hergibt, nicht eins zu eins das, was in Textform vorliegt. | |
Die Leserin zahlt Recherchen mit, die ins Leere laufen. Sie zahlt die | |
Stunden, die jemand im Archiv verbracht hat, um [1][einen Satz zu | |
factchecken], der dann gestrichen wird. Recherchen, die Wochen dauern, | |
obwohl man die Seite ebenso in einem Tag mit ungefährem Halbwissen füllen | |
könnte. | |
Sprich: Güte und Qualität von Journalismus haben rein gar nichts mit Anzahl | |
der Seiten und Menge der Zeilen zu tun. Heißt: Wer Journalismus verlegt, | |
investiert einen Haufen Kohle in Arbeit, die sich nie in konsumierbares Gut | |
übersetzt. Heißt leider auch: Wer eine Zeitung kauft, bezahlt dafür in der | |
Regel zu wenig. | |
Deshalb gibt es ja seit jeher Geschäftsmodelle, um die Einnahmen | |
hereinzuholen, die man nicht den Leser*innen aufbürden möchte. Im | |
Journalismusmodell des 20. Jahrhunderts sind das die Anzeigen. Meistens. | |
Bisweilen zahlten auch die reichen Verleger*innen drauf, um ihrer | |
politischen Stimme Gewicht zu verleihen oder sich philanthropisch | |
hervorzutun. Staatliche Presseförderung gibt es ebenfalls in einigen | |
Ländern schon seit Langem. | |
## Ein neues System denken | |
Wenn jetzt in der Pandemie die Anzeigenerlöse wegbrechen, dann ist das die | |
[2][radikale Beschleunigung eines Trends], der vor Jahrzehnten begann. | |
Katastrophe im Schnellvorlauf. Anzeigenpreise sinken, andere Medien sind | |
längst attraktiver für Werbende als die Tageszeitung. Das kann und muss | |
beunruhigen, denn [3][ohne diverse Presse in Stadt und Land] keine | |
funktionierende Demokratie. Wo nicht zumindest zwei unabhängige | |
Nachrichtenunternehmen konkurrieren, ist Nährboden für Korruption und | |
Apathie. | |
Doch muss man sich vor Augen führen, wer alles Interesse an einem | |
unabhängigen Journalismus hat: nicht nur Leser*innen und werbende | |
Unternehmen. Auch die Zivilgesellschaft – NGOs, Verbände, Initiativen, die | |
auf öffentliche Informationsflüsse angewiesen sind. Internetkonzerne, wegen | |
der Fakenews. Und auch der Staat, der den politischen | |
Willensbildungsprozess ermöglichen soll. | |
Natürlich müsste die Finanzierung der Presse durch solche Akteur*innen | |
transparent und demokratisch organisiert werden, damit Einflussnahme | |
ausgeschlossen ist. Das gilt für den Staat als Geldgeber ebenso wie für den | |
Umweltverband oder die Mäzenin. Aber zumindest ist klar: Es gibt genug | |
„Abnehmerinnen“ für das „Produkt“ unabhängiger Journalismus. Die Zeit… | |
ist nicht in der Krise. Sondern ihr Finanzierungsmodell, das sich an | |
Lesende und Werbende krallt. Die vorgespulte Katastrophe könnte den Schub | |
geben, das System neu zu denken. | |
3 May 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Faktenchecker-ueber-Medien-in-den-USA/!5620921 | |
[2] /Schwerpunkt-Zeitungskrise/!t5017527 | |
[3] /Presselandschaft-in-Ostdeutschland/!5657459 | |
## AUTOREN | |
Peter Weissenburger | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Utopie nach Corona | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Medienvielfalt | |
Lokaljournalismus | |
IG | |
Schwerpunkt Zeitungskrise | |
Schwerpunkt Zeitungskrise | |
Schwerpunkt Zeitungskrise | |
Schwerpunkt Zeitungskrise | |
Schwerpunkt Zeitungskrise | |
Kolumne Flimmern und Rauschen | |
Libération | |
Schwerpunkt Utopie nach Corona | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Zeitung „Potsdamer Neueste Nachrichten“: Schrumpfen, um zu erhalten | |
Bei den „Potsdamer Neuesten Nachrichten“ ist 2020 gespart worden. | |
Leser:innen fürchten um ihre Lokalzeitung. | |
Kooperation von Verlagen mit Google: Zugreifen oder verzichten | |
Mit dem „News Showcase“ testet Google ein Angebot für Presseverlage, ihre | |
Texte zu vermarkten. Die Kooperation wirft Fragen auf. | |
Debatte für und wider Presseförderung: Das schmutzige Geld vom Staat | |
Die deutsche Presse soll Fördermittel bekommen. Viele fürchten um die | |
journalistische Unabhängigkeit. Andere Länder zeigen, wie es gehen kann. | |
Kooperation mit Zeitungshäusern: Google will News, und umgekehrt | |
Google und der Journalismus – dieser Konflikt ist über ein Jahrzehnt alt. | |
Nun gibt es überraschend Anzeichen für eine Kooperation. | |
Honorare freier LokaljournalistInnen: Nur ein Taschengeld | |
Obwohl Lokaljournalismus so wichtig ist, wird er beschissen bezahlt – zu | |
diesem Ergebnis kommt eine neue Erhebung des Vereins Freischreiber. | |
Neue Besitzverhältnisse bei „Libération“: Fast zu schön, um wahr zu sein | |
Die französische Tageszeitung „Libération“ macht sich frei von Aktionäre… | |
Sie geht nach dem Vorbild „The Guardian“ in eine Stiftung über. | |
Corona und Journalismus: Blatt ohne Papier | |
Gerade in der Krise braucht es unabhängigen Journalismus – und zwar in der | |
Breite. Verlage von Lokalzeitungen sind zum Umdenken gezwungen. | |
Pressearbeit in Corona-Krise: 120 Anfragen an einem Tag | |
Die Sprecherin des Robert-Koch-Instituts schafft es nicht mehr, alle | |
Anfragen zu beantworten. Wird aus der Corona-Krise eine Informationskrise? | |
Rundfunkfinanzierung in Norwegen: Freude, aber mit Vorsicht | |
Norwegen schafft die Rundfunkgebühr ab und ersetzt sie durch eine Steuer. | |
Könnte das ein Modell für Deutschland sein? |