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# taz.de -- Kooperation von Verlagen mit Google: Zugreifen oder verzichten
> Mit dem „News Showcase“ testet Google ein Angebot für Presseverlage, ihre
> Texte zu vermarkten. Die Kooperation wirft Fragen auf.
Bild: Das große Suchen: Google
Der Technologiekonzern [1][Google] wird in den nächsten drei Jahren
weltweit 1 Milliarde Dollar in Journalismus investieren. Das Projekt
„Google News Showcase“ startet in Brasilien und Deutschland, 20 deutsche
Verlage sind dabei. Wie viel von dem Geld bei ihnen ankommt, ist unbekannt.
Was man hingegen weiß: Redaktionen werden ihre Artikel in übersichtlichen
Kacheln zusammenfassen und damit Googles eigene News-App bespielen. Damit
möchte das Unternehmen keineswegs nur die Presse fördern. Es greift auch
einem [2][kommenden Leistungsschutzrecht] vor. Um ein solches Gesetz
streiten sich die Verlage und Google seit Jahren. Es soll Google
verpflichten, Geld an die Verlage zu zahlen, wenn es deren Texte oder
Textausschnitte bei Google News anzeigt.
Das dürfte nun obsolet werden: Mit der Teilnahme der Verlage an Googles
neuem Programm Showcase dürften die Lizenzansprüche abgegolten sein. Dass
die Verlage kaum anders können, als Geld von Google zu nehmen, ist teils
hausgemacht. Bis heute haben es viele Verlage nicht vermocht,
funktionierende Finanzierungskonzepte für ihren digitalen Journalismus zu
finden.
„Diese interessante neue Partnerschaft mit Google versetzt uns in die Lage,
unseren preisgekrönten Journalismus mit kuratierten Geschichten in ein
neues Format einzubringen“, heißt es vom Spiegel. Und bei der FAZ freut man
sich über die Möglichkeit, „unseren Qualitätsjournalismus noch mehr Lesern
vorzustellen, die eventuell zu treuen Lesern und Abonnenten werden“. Welche
Konflikte und Abhängigkeiten sich aus dieser Partnerschaft ergeben, dazu
kein Wort. Dabei ist die Beziehung zwischen Google und den Presseverlagen
schon lange in der Krise.
Nicht zuletzt, weil die Suchmaschine neben Facebook den Großteil der
erzielbaren Werbeeinnahmen für journalistische Inhalte im Internet an den
kriselnden Verlagen vorbei verdient. Google wehrt sich seit Jahren dagegen,
den Verlagen von diesen Einnahmen Lizenzgebühren abzugeben. Googles
Argument: Die Verbreitung der journalistischen Texte über Google News spült
den Verlagen viele LeserInnen zu und steigert deren Reichweite. Bis auf
Springer mit seinen großen Publikationen Bild und Welt, die Süddeutsche
Zeitung und die taz nehmen fast alle größeren Medienhäuser am Google News
Showcase teil. Die taz befindet sich jedoch im Austausch mit Google zu dem
Projekt, die Mutterholding der SZ nach eigenen Angaben ebenfalls.
## Kein zufälliger Zeitpunkt
Der mächtige Technologiekonzern Google knickt also scheinbar ein – nach
Jahren der Zahlungsverweigerung und nur wenige Monate vor der Durchsetzung
einer EU-Richtlinie zur Abgabe von Lizenzgebühren an Verlage. Das sei
allerdings kein zufälliger Zeitpunkt, sagt Monique Hofmann,
Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen- und
Journalistenunion: „Google bereitet mit dem News Showcase sozusagen schon
mal das Terrain vor, um der drohenden medienpolitischen Regulierung etwas
entgegenzusetzen.“
Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Otto-Brenner-Stiftung mit dem
Titel „Medienmäzen Google“ zu den bisherigen Engagements des
Technologiekonzerns im Journalismus kommt zu dem Schluss, „dass die
Förderinitiativen Googles stets unter dem Eindruck steigenden politischen
Drucks zustande kamen“.
Die Studie wurde nur von Medien aufgegriffen, die nicht an dem Showcase
teilnehmen. Dass Medien in ihrer gegenwärtigen Vertrauenskrise nicht
offensiver mit der neuen Partnerschaft umgehen, muss mindestens irritieren.
Und die fehlende Kritik derer, die nicht Teil des Showcase sind, ist
schlicht nicht nachvollziehbar. Auf Nachfrage sagt der Spiegel: „Zahlreiche
Verlage haben viele Jahre Lizenzzahlungen von großen Playern gefordert,
wieso sollten wir sie nunmehr ablehnen?“
Anfragen in alternativen Suchmaschinen fördern zwei umfängliche und
kritische Texte auf dem Onlineportal der Welt zutage. Die tauchen in der
Google-Suche bei der Verwendung der naheliegenden, weil in den Texten
thematisierten, Suchbegriffen „Google News“ bzw. „Google News Initiative�…
nicht auf. Zur Erinnerung: Die Welt nimmt nicht an dem Google-Projekt teil.
Während einer der Texte bei den Suchmaschinenkonkurrenten Yahoo und Bing,
die freilich nur Promillemarktanteile im Vergleich zum Quasimonopolisten
Google erzielen, an erster und sechster Stelle auftaucht, findet Google mit
den gleichen Suchbegriffen den Artikel überhaupt nicht.
Das ist vor allem merkwürdig, weil Springer-Publikationen dort für
gewöhnlich weit oben gelistet werden, kann aber verschiedene Gründe haben.
Welche das sein könnten? Google ist für die Presse nicht leicht zu
erreichen. Nach Anfragen auf drei Kanälen meldet sich Deutschland-Sprecher
Ralf Bremer. Am Telefon schließt er immerhin einen Eingriff in
Suchergebnisse aus. Die Europäische Kommission verhängte in der
Vergangenheit bereits mehrfach Milliardenstrafen gegen Google, etwa „wegen
der Vorzugsbehandlung seines Preisvergleichsdienstes“ oder wegen des
Missbrauchs seiner marktbeherrschenden Stellung, wie die Behörde auf ihrer
Internetseite schreibt. Google klagt dagegen.
Ein großes Problem bei Kooperationen mit Google ist: Sie sind
intransparent. Der Konzern hüllt sich in Schweigen. Niemand außerhalb des
Unternehmens kennt dessen langfristigen Pläne. Ein Insider aus einem
Verlag, der ein aktuelles Showcase-Angebot des Technologiekonzerns
diskutiert, berichtet, dass die Partnerschaft jederzeit einseitig mit
Monatsfrist gekündigt werden kann. Also gibt es auch keinen Geldsegen, mit
dem sich langfristig planen ließe. Wer weiß, was Google morgen vorhat?
Diese Unberechenbarkeit zeigt sich aktuell. Für das Gesundheitsportal
gesund.bund.de arbeitet das Bundesgesundheitsministerium (BMG) während der
Pandemie mit Google zusammen. Wer zurzeit eine von 160 Krankheiten googelt,
bekommt sehr prominent Informationen von gesund.bund.de angezeigt – also
Nachrichten direkt aus dem Ministerium. Die Presseverlage und
Branchenverbände sehen sich dadurch benachteiligt und reagierten empört.
Nur empören sich vor allem die besonders laut, die vorher stumm Googles
Geld genommen hatten.
Die zuständige Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein prüft derweil die
Einleitung eines Verfahrens wegen der Kooperation zwischen Google und dem
BMG. [3][Der neue Medienstaatsvertrag] hält dafür passende Werkzeuge
bereit, die auch beim News Showcase greifen könnten, sollte sich eine
Publikation in ihrer Auffindbarkeit diskriminiert fühlen – etwa ein kleiner
Verlag, der erst gar nicht gefragt wurde, ob er an dem News Showcase
teilnehmen möchte. Der betroffene Anbieter müsste einen solchen Verstoß
dann bei der zuständigen Landesmedienanstalt melden. So könnte Google
verpflichtet werden, die Verträge mit Verlagen offenzulegen.
## Google dringt in alle Bereiche vor
Es bedarf einer öffentlichen Debatte. Schließlich wollen die Verlage auch
weiterhin Geld von ihren Leser*innen, da sollten diese wenigstens darüber
informiert werden, mit wem sie sich die Kosten für den Journalismus teilen.
Und die Branche sollte sich gut überlegen, wie sehr sie sich der
Monopolmacht Googles anbiedert. Jüngst hat Google mit dem Handelsverband
Deutschland die „Initiative Zukunft Handel“ vorgestellt – kleine
Einzelhändler mit Präsenzgeschäften sollen damit unterstützt werden. Der
Konzern dringt rasant in quasi alle Lebensbereiche vor. Da sollte vor allem
der Journalismus Distanz wahren und ganz genau hinsehen.
Transparenzhinweis: Ein Projekt des taz-Verlags ist in der Vergangenheit
einmal von Google finanziell gefördert worden. [4][Für die Verbesserung der
freiwilligen Zahloption „taz zahl ich“ erhielt der Verlag 2017 von Google
etwas über 100.000 Euro].
23 Nov 2020
## LINKS
[1] /Wie-Google-deutsche-Verlage-finanziert/!5720783
[2] /Leistungsschutzrecht/!t5008157
[3] /Neuer-Medienstaatsvertrag/!5721182
[4] https://blogs.taz.de/hausblog/externe-unterstuetzung-taz-zahl-ich-wird-mobi…
## AUTOREN
Jann-Luca Künßberg
## TAGS
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