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# taz.de -- China neues „Sicherheitsgesetz“: Hongkongs Anfang vom Ende
> Chinas neues Gesetz für Hongkong ist schärfer als erwartet – und wird
> sofort angewendet: Bei Protesten wurden 300 Personen festgenommen.
Bild: Hongkongs Polizei geht am 1. Juli gegen Demonstranten und Journalisten vor
Peking taz | Während die Führung des bisher autonomen Stadt Hongkong am
Mittwochmorgen mit Champagner auf das neue nationale Sicherheitsgesetz
anstieß, protestierten am Nachmittag Tausende Bürger trotz Verbots auf den
Straßen. Es dauerte nur Minuten, bis der erste Bürger wegen des neuen
Gesetzes festgenommen wurde: Ein junger Mann hatte eine Flagge vor sich
ausgebreitet, die Hongkongs Unabhängigkeit forderte. Bald gingen
Einsatzkräfte mit Wasserwerfern und Tränengas gegen Demonstranten und
Journalisten vor.
Seit dem 1. Juli, dem 23. Jahrestag der Rückgabe der Stadt an China, gelten
in Hongkong fundamental andere Spielregeln: [1][Das von Peking installierte
Sicherheitsgesetz], von der Demokratiebewegung als „Stasi Law“ bezeichnet,
ist zur von Kritikern befürchteten Hiobsbotschaft für die bis 2047
versprochene Autonomie der früheren britischen Kronkolonie geworden.
Die 66 Paragrafen stellen Handlungen unter Strafe, die sich für eine
Unabhängigkeit Hongkongs aussprechen oder die Lokal- oder Zentralregierung
untergraben. Zudem werden Gewalttaten gegen Personen und Beschädigungen der
Infrastruktur als Terrorismus gewertet. Es reicht schon einer
Organisationen anzugehören, die entsprechende Aktionen durchführt. Ebenso
wird Konspiration mit dem Ausland unter Strafe gestellt, darunter Aufrufe
an Regierungen, Sanktionen gegen China zu verhängen. Es drohen jeweils
Hafstrafen bis zu lebenslänglicher Dauer.
„Die Definition nationaler Sicherheit ist so vage, dass es unmöglich ist zu
wissen, wann man Grenzen überschreitet“, sagt Nicholas Bequelin von Amnesty
International. Das Gesetz kann jeden treffen, wenn Peking dies möchte.
Am Mittwochmorgen stellten sich in Chinas Haupstadt zwei
Regierungsvertreter der Presse. Nur Stunden zuvor war der Gesetzestext
überhaupt erst veröffentlicht worden, der sogleich um Mitternacht in Kraft
trat.
Die Parteikader beschwichtigten und betonten, dass etwa das neue Gesetz
nicht, wie zuvor befürchtet worden war, rückwirkend gelte. Uns: „Absolute
Freiheit“ gäbe es in keinem Land der Welt, sagte Shen Chunyao vom Ständigen
Ausschuss des Nationalen Volkskongresses, der das Gesetz einstimmig
beschlossen hatte.
Chinas Kommunistische Partei argumentiert, keine Regierung der Welt lasse
sich von Separatisten auf der Nase herumtanzen. Vor allem werde man sich
nicht von Sanktionen westlicher Regierungen einschüchtern lassen. Die
Zeiten, in denen das Ausland China Anweisungen geben könne, seien endültig
vorbei. Man wolle nur Recht und Ordnung wiederherstellen, dabei aber
Hongkongs Autonomie und Freiheiten unangetastet lassen.
Für das prodemokratische Lager spielt es fast keine Rolle, wie streng
Peking das Gesetz letztlich anwendet. Allein die Drohkulisse ist so massiv,
dass sie die bisherigen politischen Freiheiten massiv einschränkt.
## Keine Kontrolle über chinesisches Sicherheitsbüro
Vor allem zwei Aspekte lösen Ängste aus: Mit der vorgesehenen Schaffung
einer Behörde zur „Sicherung der nationalen Sicherheit“ erhöht Peking sei…
Präsenz in Hongkong. Die Mitarbeiter der neuen Institution können – trotz
bestehender Exekutive in Hongkong – dort immer eingreifen, wenn Peking das
will.
Sie agieren wie Polizisten, unterliegen aber nicht Hongkonger Gesetzen. Und
sie können Personen vor Gerichte aufs chinesische Festland bringen. Dort
werden Regierungskritiker regelmäßig zu hohen Strafen verurteilt.
Zudem kann das Sicherheitsgesetz auch auf Personen angewendet werden, die
gar nicht in Hongkong leben. Wenn ein Hongkonger etwa im Ausland auf seinem
Twitter Account Sympathien für die Unabhängigkeitsbewegung posten würde,
könnte er bei seiner Einreise nach Honkong festgenommen werden. Die könnte
auch ausländischen Korrespondenten passieren, die einen ähnlich gestimmten
Artikel publiziert haben.
Neben [2][Großbritannien], dessen Regierungschef Boris Johnson Peking
inzwischen Vertragsbruch vorwarf, hat am Mittwoch auch Taiwan
Migrationserleichterungen für Hongkonger Bürger angeboten. In Taipeh wurde
am Mittwoch ein Einwanderungsbüro für Bürger aus der chinesischen
Sonderverwaltungsregion Hongkong eröffnet.
Laut Regierung sei dies „nicht nur ein Statement zu Taiwans Unterstützung
für die Demokratie und Freiheit Hongkongs“, sondern unterstreiche auch die
Entschlossenheit Taiwans, für das Hongkonger Volk zu sorgen. Peking
betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz und droht mit einer gewaltsamen
Wiedervereinigung. Ursprünglich war Chinas Autonomieversprechen an Hongkong
als Blaupause für Taiwan gedacht. Doch auf der sich selbst regierenden
Inselrepublik, die international kaum anerkannt wird, galt es stets als
unattraktiv.
Bis Nachmittag deutscher Zeit wurden in Hongkong mehr als 300 Menschen
aufgrund diverser Vorwürfe festgenommen. Sie reichen von der Teilnahme an
verbotenen Versammlungen bis hin zu Verstößen gegen das neue Gesetz.
1 Jul 2020
## LINKS
[1] /Einfluss-Pekings-auf-Sonderverwaltungszone/!5693318
[2] /Bewohner-Hongkongs-in-Grossbritannien/!5690580
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
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