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# taz.de -- Chinas Macht in Hongkong: First they take Hongkong
> Dass China Hongkongs Autonomie so leicht beenden konnte, ist auch
> Deutschlands Schuld. Merkel sollte den Handel mit Peking an Bedingungen
> knüpfen.
Bild: 23. Jahrestag der Rückgabe Hongkongs an China – eine Frau protestiert
Dieser 1. Juli 2020 wird für die Hongkonger als der Tag in die Geschichte
eingehen, an dem ihnen die Freiheit geraubt wurde. In Rekordzeit hat die
kommunistische Führung in Peking ein [1][Sicherheitsgesetz für Hongkong]
durchgepeitscht. Bis zuletzt hielt sie den Wortlaut geheim. Nun haben sich
die schlimmsten Befürchtungen bestätigt.
Offiziell richtet sich das Sicherheitsgesetz gegen subversive,
separatistische und terroristische Aktivitäten. Was genau darunter zu
verstehen ist, definiert jedoch allein Peking. Ein ähnliches Vorhaben war
2003 noch am Widerstand der Hongkonger Zivilgesellschaft gescheitert. Und
dieses nun beschlossene Gesetz geht auch weit über das umstrittene
Auslieferungsgesetz hinaus, das vor einem Jahr Millionen Hongkonger auf die
Straße trieb. Daraufhin musste die Hongkonger Regierung ihr Vorhaben wieder
zurücknehmen.
Dass Peking nun Hongkongs Institutionen komplett umgeht und dieses neue
Sicherheitsgesetz durchdrückt, beweist einmal mehr Chinas
Willkürherrschaft. Was diesen Schritt zu einer internationalen Affäre
macht: Mit dem neuen Gesetz dürfen Polizei und Militär der Volksrepublik
unmittelbar in Hongkong stationiert werden und vor Ort eingreifen. Peking
hat bereits einen seiner Hardliner für die Leitung dieser neuen Einheit
abgestellt und einen weiteren der Hongkonger Regierungschefin zur Seite
gestellt.
Das ist eine Verletzung der „Gemeinsamen Erklärung“ zwischen Großbritanni…
und China, die Hongkong bis 2047 einen hohen Grad an Autonomie garantiert.
Das Gesetz ist insofern nicht nur ein schwerer Schlag für Hongkongs
Demokraten, sondern ein Schlag ins Gesicht der Weltgemeinschaft. Bis 1997
war die Stadt eine britische Kronkolonie. Bei der Übergabe an die
Volksrepublik wurde den Hongkongerinnen und Hongkongern völkerrechtlich
zugesichert, dass Meinungsfreiheit, freie Wahlen und eine unabhängige
Justiz für 50 weitere Jahre gewahrt bleiben.
## Schlag ins Gesicht der Weltgemeinschaft
„Ein Land, zwei Systeme“, lautete die Vereinbarung. China darf sich nicht
in die innenpolitischen Belange der Sonderverwaltungszone einmischen.
Stattdessen wird Hongkong jetzt zu einem Polizeistaat, wie er auf dem
chinesischen Festland bereits besteht. In der Volksrepublik reicht ein
bloßer Verdacht, und die Polizei kommt in den frühen Morgenstunden und holt
Kritiker*innen ab und liefert sie der Unrechtsjustiz aus.
Oft „verschwinden“ die Opfer des Systems, sterben in Haft oder tauchen erst
Jahre später als gebrochene Menschen wieder auf. Was für ein Kontrast zum
Rechtsstaatsbewusstsein und der offenen Debattenkultur in Hongkong. Nicht
nur unabhängige Medien und engagierte Organisationen wussten das an der
Stadt zu schätzen, sondern auch internationale Unternehmen. Diese Freiheit
wird es nun auch für sie nicht mehr geben.
Dass Peking so ungestört vorgehen kann, offenbart zugleich die Schwächen
des Westens. Großbritannien wäre der Garant für die Einhaltung von
Hongkongs Autonomie gewesen. Doch die Briten waren in den letzten Jahren in
den Brexit vertieft. Der Widerstand aus London blieb aus. Erst jetzt
reagiert die Regierung unter Boris Johnson mit dem Angebot, für einige
Zehntausend Hongkonger die Visumbestimmungen zu erleichtern. Der Stadt ist
damit wenig geholfen.
Doch auch die EU hat versagt und legt einmal mehr ihre Unfähigkeit an den
Tag, ihre Außenpolitik zu koordinieren und auf einen gemeinsamen Nenner zu
kommen. Nicht einmal bei einem so eklatanten Verstoß gegen das Völkerrecht
wie nun im Fall von Hongkong kommt sie zu einem einheitlichen Schluss.
Allein die USA haben erste [2][Sanktionen gegen die Volksrepublik]
verhängt. Doch die Regierung Trump steht mit der Misere der Coronapandemie
und rassistischen Übergriffen der Polizei selbst unter starkem Druck.
Chinas Präsident Xi Jinping hat den Zeitpunkt für seinen Schachzug
geschickt gewählt. Und Deutschland? Wie so häufig, wenn's unangenehm wird,
versteckt sich die Bundesregierung hinter der EU. Alles, was Außenminister
Heiko Maas (SPD) bei Hongkong in diesen Tagen einfiel: Wichtig sei ein
europäisches Vorgehen, kein nationaler Alleingang. Problem mal wieder
abgewälzt: Feige nennt sich das.
## Deutschland muss klare Kante zeigen
Dabei unterschätzt die Bundesregierung nicht nur ihr Gewicht in der EU,
sondern ihren großen Einfluss, den sie auf die chinesische Führung hat.
Deutschland ist seit Jahren Chinas wichtigster Handelspartner. Ohne
Maschinen „made in Germany“ wäre China wirtschaftlich gar nicht so weit
gekommen, der weitere Ausbau des Landes würde stocken. Keinem anderen
Staatsoberhaupt wurde auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking denn
auch so häufig der rote Teppich ausgerollt wie Bundeskanzlerin Angela
Merkel (CDU).
Umso enttäuschender ist ihre Verzagtheit, wenn die chinesische Führung die
[3][Menschenrechtsverletzungen] immer weiter zum Normalzustand macht. Die
Kanzlerin müsste vielmehr verhandeln: für den Schutz europäischer
Investitionen, für fairen Handel, für die Einhaltung der Menschenrechte,
für Hongkongs Autonomie. Und zwar mit harten Bandagen. Die Chinesen tun das
schließlich auch. Hongkongs Demokratie ist so gut wie verloren.
Bleibt Chinas Vorgehen aber weiter unbeantwortet, könnte Peking schon bald
auch das de facto unabhängig und demokratisch regierte [4][Taiwan]
angreifen. Die chinesische Führung betrachtet Taiwan schon jetzt bloß als
abtrünniges Land, das nur gebändigt werden muss. Auch der Verlust von
Taiwans Unabhängigkeit wäre ein herber Verlust für die freie Welt. Die
deutsche Zurückhaltung wird dort entsprechend mit Sorge registriert.
Nicht zuletzt geht es um die Frage, wie viel sich der Rest der Welt von
einem so machthungrigen Regime noch alles bieten lässt. Deutschland sollte
da vorangehen und klare Kante zeigen.
6 Jul 2020
## LINKS
[1] /China-neues-Sicherheitsgesetz/!5697794/
[2] /Wirtschaftsmarkt-in-China/!5688244&s=hongkong/
[3] /Minderheiten-in-China/!5661414
[4] /Praesidentschaftswahl-in-Taiwan/!5655133/
## AUTOREN
Felix Lee
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