# taz.de -- Hongkongs Autonomie in Gefahr: London will nicht mehr ausliefern | |
> Im Konflikt um Chinas „Sicherheitsgesetz“ machen die Briten ernst. Sie | |
> kündigen an, das Auslieferungsabkommen mit Hongkong auszusetzen. | |
Bild: Demonstrant*innen in Hongkong drohen nicht nur Tränengasattacken, sonder… | |
LONDON taz | In einer Erklärung im britischen Unterhaus kündigte | |
Außenminister Dominic Raab am Montagnachmittag an, dass Großbritannien das | |
seit über 30 Jahren bestehende gegenseitige Auslieferungsabkommen mit | |
Hongkong wegen des von Peking verabschiedeten Sicherheitsgesetzes | |
suspendieren werde. Das chinesische Gesetz, so argumentiert Großbritannien, | |
verletze das Prinzip „Ein Land, zwei Systeme“ von 1984, welches die | |
Freiheit und Demokratie aller Hongkonger*innen nach der Übergabe von | |
Großbritannien an China 1997 garantieren sollte. | |
Die Aufhebung ist das Resultat einer internen Überprüfung der Chinapolitik, | |
die Raab vor zwei Wochen angekündigt hatte. Gleichzeitig hatte er damals | |
zugesagt, die [1][Einbürgerung für bis zu drei Millionen Hongkonger*innen | |
zu erleichtern], die Anspruch auf einen britischen Überseepass haben. Mit | |
der Aufhebung des Auslieferungsabkommens folgt Großbritannien nun dem | |
Beispiel Kanadas und Australiens. | |
Ein weiter Schlag für China war der Beschluss der britischen Regierung vor | |
einer Woche, dem chinesischen Konzern Huawei die Beteiligung am Ausbau des | |
britischen 5G-Netzwerks nicht mehr zu genehmigen. Das hatte die Regierung | |
Theresa Mays noch versprochen, und auch Boris Johnsons Regierung hatte dies | |
im Januar wieder bestätigt. | |
Zudem hat Raab öffentlich in der BBC erklärt, dass er nicht vor Maßnahmen | |
gegen China wegen der Behandlung der uigurischen Minderheit zurückschrecke. | |
Zwangssterilisierung und „Umerziehung“ der Uigur*innen in Lagern | |
bezeichnete er als ungeheuerliche Menschenrechtsverletzungen eines Staates | |
innerhalb der internationalen Gemeinschaft. | |
## Viele chinesische Projekte wackeln | |
Der chinesische Botschafter in Großbritannien, Liu Xiaoming, konterte in | |
einem Nachrichtenprogramm der BBC: „Welche Demokratie gab Großbritannien | |
denn den Hongkonger*innen vor 1997?“ Er wies auf die fünf | |
Exekutivmitglieder hin, die nun in Hongkong gewählt werden könnten. | |
Er beschuldigte Großbritannien „nach der Propaganda der USA zu tanzen“. | |
China werde jegliche Maßnahmen gleichermaßen beantworten, versicherte er. | |
Diese Maßnahmen könnten etwa britische Unternehmen wie das | |
Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline und die Automobilfirma Jaguar Landrover | |
treffen. | |
Raab betonte, Großbritannien strebe eine positive Beziehung mit China an, | |
könne aber die Menschenrechtsverletzungen nicht einfach ignorieren. | |
Weitere Diskussionen gibt es bezüglich [2][des chinesischen Videoportals | |
TikTok]. Vor allem konservative Angeordnete in Großbritannien fordern ein | |
Verbot TikToks. Vor zwei Tagen musste das Unternehmen Verhandlungen über | |
ein neues Hauptquartier in Großbritannien abbrechen. Auch andere | |
chinesische Projekte im Vereinigten Königreich werden hinterfragt, darunter | |
der Bau des riesigen AKWs Hinkley Point C im Westen Englands. | |
Hongkong hat Auslieferungsverträge mit insgesamt 19 Ländern. Drei davon | |
sind nun nicht mehr gültig. Da zahlreiche Demokratieaktivist*innen | |
Hongkongs in Großbritannien leben, sichert die Aufhebung von Auslieferungen | |
an Hongkong deren Sicherheit, denn wer gegen die chinesische Regierung | |
protestiert, dem oder der [3][droht nach chinesischem Gesetz eine | |
lebenslange Strafe]. Auch sind demnach zum ersten Mal Abschiebungen | |
Betroffener nach China erlaubt. | |
Um die neue China-Politik zu unterstreichen, reiste der amerikanische | |
Außenminister Mike Pompeo am Montag nach London, um sich dort mit der | |
britischen Regierung zu treffen. Zuvor hat er jedoch einen Termin mit | |
konservativen Abgeordneten aus dem britischen Unterhaus, was manche als ein | |
Zeichen der gewollten diplomatischen Brüskierung Boris Johnsons verstanden. | |
20 Jul 2020 | |
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## AUTOREN | |
Daniel Zylbersztajn | |
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