| # taz.de -- Neues Album der Band Sault: Von der Erfahrung, Schwarz zu sein | |
| > In Musik gefasstes Empowerment: „Untitled (Black is)“ von der britischen | |
| > Band Sault ist das antirassistische Protestalbum der Stunde. | |
| Bild: Mit erhobener Faust: Cover des neuen Albums von Sault | |
| Falls man momentan nur ein Album hören wollte, dann sollte es dieses sein: | |
| „Untitled (Black is)“ der britischen Band Sault. Das ist der passende | |
| Soundtrack für diese Wochen, diese Monate, dieses Jahr, in dem Wut lauter | |
| geworden ist, so laut, dass sie in den Köpfen nachhallt. | |
| Die Wut der Schwarzen nach dem gewaltsamen [1][Tod George Floyds], die Wut | |
| der Schwarzen, die auch die anderen, auch die Weißen wachrüttelte und auf | |
| die Straßen treibt, die dafür sorgt, dass blonde Teenager | |
| Black-Lives-Matter-Transparente auf Demonstrationen tragen, dass koloniale | |
| Denkmäler gestürmt werden, nicht nur in den USA, dass offen über | |
| Polizeigewalt wie strukturellen Rassismus diskutiert wird, nicht nur in den | |
| USA, und dass dabei vermehrt denen zugehört wird, die zu beidem ihre | |
| Erfahrungen haben. | |
| Sault ist eine britische, keine US-Band – und ein Mysterium. Mitte Juni | |
| spielte DJ Gilles Peterson [2][„Untitled (Black is)“] in seiner | |
| BBC-Radiosendung, noch bevor es irgendwo sonst jemand hatte. Und zwar – | |
| allein das spricht schon Bände – komplett. Als den „ersten Klassiker der | |
| Ära der,Neuen Realität' “ bezeichnete Peterson das Album vorab auf seinem | |
| Twitter-Account. | |
| Alles beides verbreitete sich rasch über die bekannten Kanäle, und all | |
| diejenigen, denen Sault schon vorher oder ab dann ein Begriff war, | |
| scrollten sogleich auf der Website der Sendung zu Minute 38, um es sich | |
| anzuhören. | |
| Wenige Tage später war das Album, auf dessen Titel Schwarz auf Schwarz die | |
| erhobene Faust der Black-Power-Bewegung zu sehen ist, auch auf der Website | |
| der Band verfügbar, ergänzt mit sechs Zeilen Text, der sich auf Deutsch so | |
| übersetzen lässt: „Wir präsentieren unser erstes Album,Untitled', um damit | |
| einen Moment zu markieren, in dem wir als Schwarze Menschen und als | |
| Menschen Schwarzer Herkunft um unsere Leben kämpfen. Ruhe in Frieden, | |
| George Floyd und all jene, die unter Polizeigewalt und systemischem | |
| Rassismus leiden. Es verändert sich etwas … Wir passen auf. SAULT x.“ | |
| Für Sault-Verhältnisse sind diese wenigen Zeilen geradezu spektakulär | |
| ausführlich. Normalerweise äußern sie sich – abgesehen von ihrer Musik – | |
| gar nicht. Über die Band ist kaum etwas bekannt. Im Mai vergangenen Jahres | |
| war wie aus dem Nichts die Debüt-EP „5“ beim Indie-Label Forever Living | |
| Originals erschienen. Im September folgte „7“. Mittlerweile gilt als mehr | |
| oder weniger belegt, dass sich Sault aus dem Londoner Produzenten Dean | |
| „Inflo“ Josiah Cover, der Sängerin Cleo Sol und der Rapperin Kid Sister | |
| zusammensetzt. | |
| Ob weitere Musiker*innen beteiligt sind und wenn ja wer, darüber kann | |
| nur spekuliert werden. Fotos der Band existieren logischerweise auch nicht. | |
| Geheimniskrämerei hat im Pop schon Tradition. Im Falle von Sault ist diese | |
| Form der Anti-Inszenierung aber unbedingt politisch zu verstehen. Auch das | |
| „Wir“ in dem Statement auf der Band-Website meinte ja nicht nur sie selbst | |
| als MusikerInnen, sondern als Teil eines großen Ganzen. Sault geht es nicht | |
| um persönliche, individuelle Geschichten, sondern darum, der globalen | |
| Erfahrung, Schwarz zu sein, Gehör zu verschaffen. | |
| ## Album kostenfrei herunterladen | |
| Möglichst viel Gehör. Dazu passt, dass Sault auch in Sachen Vertrieb einen | |
| Sonderweg gehen. Das Album lässt sich auf ihrer Website www.sault.global | |
| kostenfrei herunterladen. Vinyl kann über Bandcamp vorbestellt werden, die | |
| Einnahmen werden gespendet, heißt es. | |
| Tatsächlich benannt werden auf „Untitled (Black is)“ aber doch zwei | |
| Personen, die am Album mitgearbeitet haben. Zum einen ist das der britische | |
| Songwriter und Soulmusiker Michael Kiwanuka beim Afrobeat-Song „Bow“, der | |
| den Bogen über den afrikanischen Kontinent spannt, rhythmisch-musikalisch | |
| wie textlich; zum anderen die Dichterin Laurette Josiah, die im | |
| Spoken-Word-Stück „This Generation“ ihrer Hoffnung Ausdruck verleiht, das | |
| nun der Zeitpunkt und die Generation gekommen sei, die Veränderungen | |
| herbeiführen könnte: „We’ve walked the walk / We have talked the talk / | |
| Nobody’s listening / Nobody listened / Nobody cared / Nobody cared / This | |
| generation cares.“ | |
| Überhaupt ist es ein Kaleidoskop der Genres, das Sault auffächert. Gospel | |
| ist dabei, Funk, Soul, Disco, Afrobeat, Spoken Word, R&B, HipHop, Dub. Die | |
| Rolle des Künstlers und der Künstlerin sei es, die Revolution | |
| unwiderstehlich zu machen, hat die afroamerikanische Schriftstellerin Toni | |
| Cade Cambarayou einmal gesagt. | |
| Sault scheinen sich das zu Herzen genommen zu haben. Musikalisch sind sie | |
| wahrhaft unwiderstehlich, rhythmisch, melodisch, ohrwurmtauglich, absolut | |
| einprägsam, was dann aber auch die Textebene betrifft. Das ist der Trick | |
| von Sault – Aufmerksamkeit durch Musik herstellen und dann Botschaften | |
| übermitteln. Die Worte zu überhören ist praktisch unmöglich. | |
| ## The revolution has come | |
| Das beginnt schon gleich beim Auftaktsong „Out the Lies“ mit seinen | |
| mantraartig vorgetragenen Zeilen – „The revolution has come (Out the lies) | |
| / Still won’t put down the gun (Out the lies)“. Das klingt wie bei einem | |
| Protestchor auf der Straße, nur melodischer, hakt sich aber genau so | |
| zwischen den Ohren fest. | |
| So setzt es sich fort in den anderen 19 Tracks – darunter ein rein | |
| instrumentaler. Im souligen „X“ etwa, das von Malcolm X handelt. Der Song | |
| endet mit dem berühmten, kontrovers diskutierten Zitat des Aktivisten nach | |
| dem Attentat auf John F. Kennedy: „The chickens have come home to roost“, | |
| was so viel bedeutet wie, dass Gewalt eben Gewalt säe. | |
| Um Gewalt, genauer gesagt Polizeigewalt geht es wiederum in „Wildfires“, | |
| die vermutlich noch nie so traurig-schön besungen wurde wie hier von Cleo | |
| Sol. „We all know it was murder“, singt sie, aber auch, dass sie immer | |
| wieder aufstehen werde, niemals sich fürchten, trotz aller Tränen, immer | |
| sich kümmern. Jene Buschfeuer, die Sol metaphorisch lodern lässt, entfachen | |
| ein Bild des Widerstands. „Untitled“ ist ein hochpolitisches Album, ein | |
| antirassistisches Protestalbum. | |
| ## Black is beautiful | |
| Noch mehr als von Wut aber erzählt es von Kraft, von Resilienz. Es ist in | |
| Musik gefasstes Empowerment. Als nicht-schwarze Person solle man zuhören | |
| und lernen, heißt es, sich selbst zurücknehmen, darum soll dieser Text auch | |
| mit den Worten von Sault enden, aus dem titelgebenden Stück „Black is“: | |
| „We all know black is beautiful / You know, well now you do / Black is | |
| excellent too / In me, in you / Black is shiny and new / Black is older | |
| than earth / All at the same damn time / Black is sweet / Black is ours / | |
| Black is love / Black is God / God is us. / Don’t be afraid / We can make a | |
| change and we can make it different / The anger, it breaks my heart to see | |
| this and then we know we have to try / Please let the right people do what | |
| they have to / You be strong, educate yourself, powerful / Learn when you | |
| grow up, be your own master / You can be your own boss / You can have your | |
| own company, you can have your own business / You don’t need to work for | |
| anyone but yourself.“ | |
| 5 Jul 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /US-Kulturinstitutionen-in-der-Kritik/!5689704 | |
| [2] https://saultglobal.bandcamp.com/ | |
| ## AUTOREN | |
| Beate Scheder | |
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