# taz.de -- Berliner Underground-Kunstszene: Die Vielfältigkeit eines Tons | |
> Das Projekt Present Square ist mehr als nur eine Band. Ihre | |
> krautig-minimalistische Musik verbinden die MacherInnen mit | |
> Kunstprojekten. | |
Bild: Present Square: Lorina Speder mit Stella Tumidei am Schlagzeug und Domini… | |
Es gibt diesen merkwürdigen Effekt, dass Covid-19 und der folgende | |
Lockdown, die Regeln des [1][Social Distancings] also, und die neue | |
Dringlichkeit, sich über digitale Kanäle miteinander zu verknüpfen, um das | |
überhaupt weiterhin tun zu können – dass all das die Dinge in einem anderen | |
Licht erscheinen lässt. Kunst zum Beispiel, Texte oder Musik. So ist es | |
auch bei dem Song „Ich frage“ der Berliner Band Present Square der Fall. | |
Eigentlich gab es den Song schon längst, bevor die Pandemie um sich griff. | |
Tatsächlich hätte die Single, auf der „Ich frage“ gemeinsam mit einem | |
zweiten Song kürzlich erschienen ist, sogar im März auf einer Tour | |
präsentiert werden sollen, zu der es freilich nicht kam und von der noch | |
die Rede sein wird. | |
Inhaltlich aber kommt man nach den Wochen der Isolation und den damit | |
verbundenen nicht nur technisch bedingten Verständigungsschwierigkeiten | |
kaum umhin, die sogenannte neue Normalität beim Hören mitzudenken: „Ich | |
frage dich/ Kannst du nicht?/ Ruf dich/ Hörst du nicht/ Such dich/ Siehst | |
du nicht/ Bezwing dich / Schaffst du nicht / Aber ich frage Dich/ Kannst du | |
nicht?!“, heißt es im Text. | |
Miteinander sprechen, sich verstehen, wie soll das auch reibungslos | |
funktionieren, wenn man kaum mehr zusammenkommt? Für Present Square steht | |
das Thema Kommunikation, besser gesagt fehlgeleitete Kommunikation, aber | |
schon länger im Fokus, seit Anfang an quasi. | |
## Bis aufs Äußerste reduzierte Musik | |
Ein wenig in die Irre führt aber auch alles bisher Geschriebene: Present | |
Square ist zwar eine Band, aber nicht nur. In ihrem gemeinsamen Studio in | |
der Charlottenburger Goethestraße klären die Musikerin Lorina Speder und | |
der Künstler Milo Frielinghaus, aus denen sich das Projekt zusammensetzt, | |
darüber auf. Die beiden machen unter dem Namen Present Square zusammen | |
Musik, krautige, etwas aus der Zeit gefallene, gerade deshalb aber | |
hörenswerte, bis aufs Äußerste reduzierte Musik. | |
Und sie machen zusammen Kunst. Videokunst zum Beispiel. „Movement“ heißt | |
eines ihrer Unterprojekte, für das Speder und Frielinghaus stumme | |
Bewegtbilder von Musiker*innen aufnehmen. Die Dynamik von Musik visuell | |
übertragen sollen die Videos, die vergangenen Herbst in der Weddinger | |
Wiesenburg zu sehen waren. | |
Auch sonst läuft bei [2][Present Square] vieles etwas anders als bei | |
anderen Formationen. Die Band, welche die Songs einspielt, ist | |
beispielsweise eine andere als die, welche bei Konzerten auf der Bühne | |
steht. Zu tun hat das mit einer Idee von Präsenz, die bereits im Namen | |
anklingt. Analoge, direkte Präsenz ist gemeint, der Moment der | |
Vergegenwärtigung, der im Studio eben ein anderer ist als vor Publikum. | |
Kennengelernt haben sich Speder und Friedlinghaus Ende 2014. | |
Anfangs ging es bei Present Square nur um die Musik, dann entwickelte es | |
sich „in einem natürlichen Prozess“, so Speder, in Richtung Kunst. | |
Konzeptuell ist ihr Ansatz in der Kunst wie in der Musik – und extrem | |
minimal, extrem präzise. „Bei einer Idee bleiben, fertig“, so fasst | |
Frielinghaus zusammen, worauf es ihnen etwa beim Komponieren ankomme. | |
## Von der Fan-Mail zur Vorgruppe | |
Wobei komponieren in seinem Fall auch einfach die Wahl eines einzigen Tons | |
sein kann, den er dann im Song durchgängig spielt. Speder und Frielinghaus | |
arbeiten zunächst einzeln an ihren jeweiligen Spuren, Speder an Gitarre und | |
Gesang, Frielinghaus am Bass. Dann kommt Jari Haapalainen am Schlagzeug | |
dazu und im Proberaum und Studio alle drei zusammen. | |
Bei Liveauftritten übernehmen zwei Musikerinnen die Parts von Frielingshaus | |
und Haapalainen. Ganz bewusst: „Da sieht man dann die Vielfältigkeit von | |
ein oder zwei Tönen,“ sagt Frielinghaus und meint damit unter anderem die | |
Art des Anschlags, die Energie, die sich darüber überträgt. Zu hören | |
gewesen wäre das im März in Italien, wenn nicht dieses Virus einen Strich | |
durch die Rechnung gemacht hätte. | |
Zu dieser Tour sei es „auf sehr unkonventionellem Weg“ gekommen, erzählt | |
Speder mit einem Lächeln, das so wirkt, als könnte sie immer noch nicht | |
ganz glauben, was passiert war. Nämlich das: [3][Damo Suzuki], von 1970 bis | |
1973 Sänger der Band Can, inzwischen auf Solopfaden unterwegs, wollte sie | |
als Vorgruppe auftreten lassen. | |
Speder hatte ihm kurz zuvor eine E-Mail geschrieben, eine Fan-Mail quasi, | |
darin aber auch die eigene Band erwähnt und vorgeschlagen, ihn mit dieser | |
zu unterstützen. Dann ging alles ganz schnell. Der italienische Promoter | |
meldete sich, und sie wurden gebucht – unterstützt vom Musicboard Berlin. | |
„Die Tour war das Wichtigste“, sagt Speder und verbessert sich sogleich: | |
wäre das Wichtigste gewesen. Anfang März, sechs Termine in Italien. Alle | |
abgeblasen, beziehungsweise nun – vielleicht – in den November verschoben. | |
Als kleinen Ersatz gab es immerhin ein Konzert Ende April im Petersburg Art | |
Space in Moabit – ein Streamingkonzert, das nach draußen übertragen wurde. | |
Ein weiteres in diesem Jahr, ein richtiges, wäre schön, sagt Speder. | |
Vielleicht haben sie ja noch mal Glück. | |
Transparenzhinweis: Lorina Speder schreibt als freie Autorin auch für die | |
taz. | |
22 Jul 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Soziologie-der-Seuche/!5680215 | |
[2] https://presentsquare.band/ | |
[3] /Inklusives-Bandprojekt/!5488022 | |
## AUTOREN | |
Beate Scheder | |
## TAGS | |
Musik | |
Band | |
Kunst | |
Underground | |
Kunst Berlin | |
Musik | |
Musik | |
Musik | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Neues Album von Dream Wife: Von Melancholie bis Moshpit | |
Mit ihrem zweiten Album setzt die Band Dream Wife ein Zeichen: | |
Ausschließlich Frauen arbeiteten an der Produktion mit. | |
Jazz am Berliner Kaisersteg: Die erste Runde | |
An fünf Samstagen präsentieren sich in Berlin-Oberschöneweide | |
Jazz-Formationen live. Die Veranstaltungsreihe geht bis Anfang September. | |
Neues Album der Band Sault: Von der Erfahrung, Schwarz zu sein | |
In Musik gefasstes Empowerment: „Untitled (Black is)“ von der britischen | |
Band Sault ist das antirassistische Protestalbum der Stunde. |