| # taz.de -- „Legacy! Legacy!“ von Jamila Woods: Musik als Bildungsreise | |
| > Das neue Album der R&B-Künstlerin Jamila Woods ist eine Hommage an die | |
| > afroamerikanische Kultur – und ihre Vermittlung in der Musik. | |
| Bild: Ein Sound zwischen Soul, Funk und Jazz, gleichsam mit diskoiden und rocki… | |
| „My ancestors watch me“, erklärt Jamila Woods die Motivation für ihr neues | |
| Album. Die Chicagoer R&B-Künstlerin ist Poetin und Lektorin. Mit „Legacy! | |
| Legacy!“ beschreibt sie das Vermächtnis, das sie von elf afroamerikanischen | |
| und einer mittelamerikanischen Künstlerin quasi mit in die Wiege gelegt | |
| bekommen hat. Es ist eine selektive Auswahl mit bildenden KünstlerInnen wie | |
| Frida Kahlo und Jean-Michel Basqiuat, Autorinnen wie Zora Neale-Hurston und | |
| Octavia E. Butler, MusikerInnen wie Eartha Kitt, die Funksängerin Betty | |
| Davis und deren Mann Miles. | |
| Jamila Woods samplet ihre Genre-übergreifende Kunst in Form von Zitaten. | |
| „Es hat damit angefangen, dass ich darüber nachgedacht habe, wie | |
| Kompositionen klingen, die auf Ideen anderer KünstlerInnen basieren“, so | |
| die 29-Jährige. „Plötzlich hatte ich eine Liste mit Menschen, die mich dazu | |
| inspiriert haben, wie ich über mein Leben nachdenke, über Rassismus oder | |
| darüber, als Schwarze Person Kunst zu machen.“ | |
| Sie selbst habe in der Schule kaum etwas über afroamerikanische Geschichte | |
| und Kultur gelernt. Woods’ Interesse erwachte durch Musik: Vor allem | |
| HipHop, in dem seit über 30 Jahren geschichtliche, politische und | |
| künstlerische Referenzen vermittelt werden. „Eine wirkungsvolle Art von | |
| Bildung“, so Woods: „Eigenständig auf der Suche nach Wissen zu sein, statt | |
| im Klassenzimmer zu sitzen und erzählt zu bekommen, was man lernen soll. | |
| Von vielen, nach denen ich Songs benannt habe, habe ich nie in der Schule | |
| gehört.“ | |
| Musikalisch bewegt sich ihr neues Album weg von [1][den HipHop-Beats, die | |
| ihr Debüt „Heavn“ strukturiert haben.] Diesmal hat sie die Backingtracks | |
| mit ihrer Live-Band eingespielt. Dadurch entsteht ein Sound zwischen Soul, | |
| Funk und Jazz, gleichsam mit diskoiden und rockigen Momenten, über dem ihre | |
| anklagende und gleichsam heilsame Stimme thront. Woods experimentiert auf | |
| „Legacy! Legacy!“ auch mit elektronischen Effekten, als Emphase einzelner | |
| Instrumente, aber auch als weitere Schattierung ihrer Stimme, die sie | |
| diesmal übereinanderschichtet und so mehr Facetten ihres butterweichen | |
| Gesangs offenbart. | |
| ## Schreiben als revolutionärer Akt | |
| Auch Instrumente bekommen mehr Raum: In „Baldwin“ spielt sich ein forscher | |
| E-Bass nach vorn, bevor die Trompete von Nico Segal zu einem Chor anstimmt. | |
| Der Song ist dem Schriftsteller James Baldwin gewidmet. Eine der | |
| Referenzen, die sich leicht aufklären lassen. Baldwins Roman „Beale Street“ | |
| wurde gerade verfilmt und hat einen Oscar bekommen. | |
| „Es gibt weitere AutorInnen, die zu Lebzeiten von James Baldwin geschrieben | |
| haben, die ebenso großartig waren, aber denen der große Erfolg versagt | |
| blieb“, sagt Woods. „Lange Zeit war nur Platz für einen Schwarzen Denker | |
| oder eine Dichterin an der Spitze. Diese Dynamik existiert noch heute, aber | |
| es ist schon viel besser geworden.“ | |
| Mit dem geschriebenen Wort hat auch Jamila Woods angefangen. Die | |
| Poetry-Slams-geschulten Reime hört man ihrem Rhythmus, aber auch ihren | |
| sprachlichen Bildern an. Auf „Legacy! Legacy!“ ehrt sie auch Octavia E. | |
| Butler, die als eine der ersten Schwarzen Science-Fiction-Autorinnen gilt. | |
| In Butlers Roman „Kindred“ (1979) reist die Protagonistin zurück zu ihren | |
| Vorfahren, die auf einer Plantage zur Arbeit gezwungen werden. Gewalt steht | |
| auf der Tagesordnung. „Kurz bevor ich den Song geschrieben habe, hatte ich | |
| ‚Kindred‘ gelesen und angefangen, über die individuellen Erfahrungen von | |
| Sklavinnen zu recherchieren“, sagt Jamila Woods. | |
| ## Afrofuturismus in der Musik | |
| „Sklaven haben ihr Leben riskiert, wenn sie heimlich schreiben und lesen | |
| gelernt haben. Darum ist es noch heute ein revolutionärer Akt, wenn | |
| Schwarze Bücher schreiben – weil wir es nicht nur geschafft haben, die | |
| englische Sprache zu erlernen, sondern sie uns zu eigen zu machen, sie | |
| sogar neu zu erfinden und etwas Schönes daraus zu schöpfen.“ | |
| „Octavia“ ist bei Woods ein spaciger Song, mit Synthesizern und | |
| elektronischen Effekten. Er steht direkt vor „Sun Ra“, einer | |
| Liebeserklärung an den großen Jazz-Musiker, der die Ausprägung des | |
| Afrofuturismus in der Musik verkörperte. Bei Jamila Woods werden Ra und | |
| Butler zu Seelenverwandten: „Ihr Werk spricht über Bande zu mir“, sagt sie. | |
| Und sie lässt es auch für ihre HörerInnen sprechen, auf ganz neue Weise und | |
| unter radikal persönlichen Gesichtspunkten. | |
| Doch Woods kreiert hier nicht nur eine Liste ihrer Vorfahren, [2][sondern | |
| verknüpft Spuren der Erfahrung von Schmerz und Trauer,] auch von Kraft und | |
| Stärke von ihren Vorbildern, über sich selbst, hin zu ihren HörerInnen. | |
| 2 Jun 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Diviam Hoffmann | |
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