# taz.de -- Neues Album von US-Künstlerin Sneaks: Wut macht auf Dauer müde | |
> Minimalistischer Postpunk, große Müdigkeit im Sound: US-Künstlerin Sneaks | |
> alias Eva Moolchan veröffentlicht ihr neustes Werk: „Happy Birthday“. | |
Bild: Ausdruck klappt auch mit knappen Lyrics: Sneaks aus Washington D.C | |
Die US-Essayistin Jia Tolentino hat einmal geschrieben, der moderne | |
Minimalismus sei eine ziemlich stressige Angelegenheit. Während man | |
beschäftigt damit sei, sein Leben nach allen Regeln der Kunst (und der | |
Aufräumpäpstin Marie Kondō) zu entrümpeln, folge man eigentlich nur einer | |
bizarren Konsumlogik: Less is more – oder eben doch: more, more, more. Der | |
Wille zum „Weniger“ erlege einem mehr und mehr Regeln auf. | |
In dieser Zeit bewies die junge US-Künstlerin Eva Moolchan, die mit „Happy | |
Birthday“ nun ihr viertes Album unter dem Namen Sneaks veröffentlicht, wie | |
befreiend und kraftvoll [1][Reduktion] noch immer wirken kann, wenn | |
dahinter aufrechte No-Bullshit-Mentalität steht. Die Musikerin aus | |
[2][Washington, D. C.], brauchte nicht mehr als einen Drumcomputer und ein | |
paar rudimentäre Bassläufe für eines der besten Postpunk-Alben der | |
vergangenen Jahre. | |
Ihr Debütalbum erschien 2014 als Kassette bei Sister Polygon Records, dem | |
kleinen Label der US-Band Priests, und wurde nach seiner | |
Wiederveröffentlichung auf Vinyl im darauffolgenden Jahr auch über die | |
Washingtoner DIY-Punk-Szene hinaus bekannt. | |
## Knochentrockene Lockerungsübungen | |
„Gymnastics“ nannte Moolchan ihre zehn knochentrockenen Anderthalbminüter, | |
die ein wenig klangen, als spiele die Rapperin Princess Nokia | |
Coverversionen des britischen Duos [3][Sleaford Mods.] Das war mit einem | |
ähnlich kargen Sound berühmt geworden, benötigt aber deutlich mehr | |
(Schimpf-)Worte als Moolchan. Ihre knappen Lyrics, erzählte sie mal dem | |
Musikmagazin Loud And Quiet, lausche sie dem Alltag ab: Sie verwende unter | |
anderem Fragmente aus der Werbung, um sie in neue Kontexte zu setzen. | |
Moolchans Frühwerk klang abgeklärt und hellwach; mit ihrem neuen Album | |
„Happy Birthday“ ist nun die große Müdigkeit in ihren Sound eingezogen. | |
Schon seit dem Vorgänger vernebeln giftige Synthesizersounds und andere | |
Einflüsse ihren Postpunk der sehr reinen Lehre. Auf „Highway Hypnosis“ von | |
2019 klangen Moolchans skizzenhafte Songs nach spukigem Horrorcore, Dub und | |
Neunziger-Rave, allerdings von der Sorte, die sich eher wie ein Kater am | |
Tag nach der Party anhörten. | |
Auf dem Cover von „Happy Birthday“ ist nun eine Neonreklametafel mit | |
erloschenen Lichtern zu sehen, inmitten einer Stadt, deren Hochhausfenster | |
die BetrachterInnen böse anglimmen. Hier schleicht das Unbehagen immer mit | |
um die Häuser. Für eine Sekunde glaubt man, „Faith“ könnte zum House-Tra… | |
werden, bevor ein sedierter Synthesizer im Hintergrund zu leiern beginnt. | |
Überhaupt sind es die Synthies, die hier das Grundgefühl von Resignation | |
nähren. | |
## Mehr Gameboygenirsche als Moogsound | |
Moolchan lässt sie extrabillig, matt und stumpf klingen, mehr [4][Gameboy-] | |
als Moog-Qualität. In Songs wie „Winter Weather“ kippt ihr Sprechgesang | |
deutlicher denn je gen HipHop, bleibt aber ostentativ gelangweilt – wobei | |
ihre Texte stärker als bislang befeuert von Identitätsfragen scheinen. | |
Warum man einer Schwarzen Frau wie ihr nicht zutraue, etwas zu erschaffen, | |
fragt Moolchan in „This World“. Ihren GegnerInnen schleudert sie Wut | |
entgegen („I get so angry / Spit you out / You little prick“), während ihr | |
Wave-Entwurf dazu klingt wie ein Depeche-Mode-Song, dem man den Saft | |
abgedreht hat. Wütendsein macht eben auf Dauer müde. In „Sanity“, mit | |
seinen sechs Minuten für Sneaks-Verhältnisse schon ein Epos, erzählt | |
Moolchan zu zischelnden Hi-Hats, dass sie Zeit für ihre Eitelkeiten | |
brauche. | |
Sonst singt sie über Sternzeichen, über Probleme ihrer Mitmenschen, sogar | |
übers Wetter: Urbane Smalltalk-Themen und – Phrasen, in Szene gesetzt als | |
Alptraum auf Tranquilizern. So minimalistisch und tight wie einst klingt | |
das nicht mehr – befreiend erst recht nicht. Vielleicht ist das die größte | |
Verweigerungsleistung von Sneaks. | |
20 Aug 2020 | |
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## AUTOREN | |
Julia Lorenz | |
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