| # taz.de -- Debütalbum von Sudan Archives: Kannst du mich bitte zudecken? | |
| > US-Produzentin Sudan Archives fegt den Staub von der Geige. Ihr | |
| > Debütalbum „Athena“ hat zwingende R&B-Songs und funktioniert ohne das | |
| > Wörtchen Love. | |
| Bild: Das Styling sieht nach „Black Panther“ aus: Sudan Archives | |
| Es ist eine etwas andere Skulptur, die Sudan Archives’ Debütalbum „Athena�… | |
| ziert. Denn statt in langer Robe und mit wallendem Haar ganz im Stil der | |
| römischen Abbilder von Göttern inszeniert sich die 24-jährige | |
| US-Elektroniksoul-Produzentin selbst als Statue der namensgebenden Athene. | |
| Und das eben ganz modern mit Undercut und Ponyschnitt. Aber nackt und auf | |
| einem Sockel stehend. Statt Speer und Schild der Kriegsgöttin hält Sudan | |
| Archives’ Bildnis jenes Instrument in die Höhe, das sie bekannt gemacht | |
| hat: die Geige. | |
| Natürlich ist der Albumtitel kein Zufall. Die Figur aus der griechischen | |
| Mythologie ist die [1][Göttin] des Krieges, aber auch der Weisheit, | |
| Strategie und Kunst. Sie gilt als gerecht sowie listig. Zwei Eigenschaften, | |
| die sich ergänzen, aufeinander wirken oder sogar im Widerspruch stehen. Das | |
| gehört zum Sound von Brittney Denise Parks, besser bekannt als Sudan | |
| Archives, den sie 2017 und 2018 auf mehreren EPs und hochgelobten Tracks, | |
| wie „Nont for Sale“ oder „Come Meh Way“präsentierte. | |
| Als [2][Sudan Archives] kreiert Parks eine hypermoderne Version von R&B, | |
| bei dem das klassische Instrument zum hypnotisierenden Rhythmusgeber wird. | |
| Ihren Geigensound verbindet sie mit selbst programmierten Beats und einer | |
| Stimme, die mal sanft verletzlich, mal fordernd und draufgängerisch wirkt. | |
| Eine Inspirationsquelle für ihren Genremix ist die Musik von Geigern aus | |
| Sudan und Ghana. Das Besondere: Die Künstler nutzen das Instrument, was | |
| traditionell alleine steht, und kombinieren ihre Singstimme dazu. | |
| ## Dualität als Leitmotiv | |
| Das Prinzip von Dualität ist das Leitmotiv in „Athena“. Es ist der Frau mit | |
| der gefühlvollen Stimme und dem punkigen Avantgardestyling wohlbekannt, | |
| schließlich wächst sie gemeinsam mit einer Zwillingsschwester in | |
| Cincinnati, Ohio, auf. Als Teenager probierten sich die Geschwister mit der | |
| Unterstützung ihres Stiefvaters als Popduo aus. | |
| Diese Idee scheiterte zwar, änderte aber nichts an Sudan Archives’ | |
| Interesse an einer Karriere als Musikerin. Schon im Kindesalter brachte sie | |
| sich selbst bei, Geige nach Gehör zu spielen, mit 19 Jahren zog sie mitsamt | |
| der Geige nach Los Angeles. Dort heimste sie einen Vertrag beim | |
| renommierten Indie-HipHop-Label Stones Throw ein. | |
| Ihr von der Kritik gepriesener Sound enttäuscht auch auf Albumlänge nicht. | |
| Schon der Auftakt „Did You Know?“ ist aufregend. Gezupfte Geigensaiten | |
| geben den Anschein einer Ballade. Einsetzende Drums und Loopstations formen | |
| das Ganze zu einem Upbeat. Und Keyboardklänge geben dem Song letztlich auch | |
| eine orchestrale Note. | |
| Im Text beschreibt Sudan Archives eine zerbrochene Liebe und enttäuschte | |
| Gefühle. Ein bewährtes Motiv in R&B-Tracks. Nur ist ihre Version fresh, da | |
| die Mittzwanzigerin Eifersucht auf eine andere Frau mit „I just saw you | |
| with another chick with some iced out baby hairs / I think she’s cool and | |
| all / But I guess you didn’t like my fuzzy baby hair“ zum Ausdruck bringt. | |
| ## Basale Wünsche | |
| Auffällig ist zudem, dass, obwohl sie in anderen Titeln wie „Green Eyes“ | |
| Liebesbeziehungen anspricht, sie dabei auf mit Bedeutung beladene Wörter | |
| wie Love verzichtet. Stattdessen übersetzt sie Nähe mit dem ganz basalen | |
| Wunsch, nachts vom Partner zugedeckt zu werden. | |
| Immer wieder geht es in ihren Texten um den Konflikt zwischen | |
| Selbstwahrnehmung und Außenwirkung. Das findet sich auch in [3][„Did You | |
| Know?“]. Die Refrainzeile „Oh did you know? / Life is not perfect“ lässt | |
| offen, ob es ein Dialog mit einer anderen Person oder eine Selbstreflexion | |
| ist. Sind es die eigenen Träume und die Naivität, die zu Grabe getragen | |
| werden, oder fühlt sich ein Dritter belehrt? Die Komponistin abstrahiert | |
| hier, was im echten Leben oft zu Missverständnissen in der Kommunikation | |
| führt. | |
| In „Confessions“ scheint sich Sudan Archives, deren Eltern gläubige | |
| Christen sind, Gedanken über wissenschaftliche Erkenntnisse in Bezug auf | |
| religiöse Überzeugungen zu machen. Und darüber, wer im Christentum als | |
| fromm erachtet und wer aus der Gemeinschaft ausgeschlossen wird. | |
| Der Sound dazu ist überraschend. Percussion und ihre gestrichene Geige | |
| erwecken das Gefühl einer beschwingten Atmosphäre, die sie mit | |
| selbstbewusster Stimme kontrolliert. Noch spannender ist „Glorious“. Ihr | |
| Geigenspiel klingt hier ähnlich dem tanzbaren irischen Folkidiom. Durch | |
| einen Gastauftritt des Rappers D-Eight – ebenfalls aus Cincinnati – landet | |
| die Musik auf einer anderen Ebene und hat so Groovequalitäten, zu denen man | |
| einfach mitschwingen muss. | |
| Mit „Athena“ lässt Sudan Archives ihre Zuhörerschaft wissen, dass ihr Sou… | |
| kein Zufallsprodukt ist. Dafür fließen die 14 Tracks einfach zu gut. Die | |
| Musikerin bewahrt sich ihre Selfmade-Attitüde und konzentriert sich auf | |
| präzise Beobachtungen und unerwartete Kontraste. Ihre Soundwelt aus Geige, | |
| Soul und Elektro macht sie im aktuell qualitativ hochwertigen R&B-Bereich | |
| mit Künstlerinnen wie H.E.R oder Summer Walker zu einer der lohnenswerten | |
| Neuentdeckungen von denen man seinen Freunden erzählen sollte. | |
| 1 Nov 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Neues-Album-von-Maria-Minerva/!5083664 | |
| [2] https://www.stonesthrow.com/sudanarchives | |
| [3] https://www.youtube.com/watch?v=Zgjrt12QTVQ | |
| ## AUTOREN | |
| Yuki Schubert | |
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