| # taz.de -- Rücktritt von Hans-Joachim Grote: Irgendwas stimmt nicht | |
| > Im Kieler Landtag beschäftigt sich ein Ausschuss mit dem erzwungenen | |
| > Rücktritt von Hans-Joachim Grote als Innenminister von | |
| > Schleswig-Holstein. | |
| Bild: Da arbeiteten sie noch zusammen: Daniel Günther und Hans-Joachim Grote i… | |
| Neumünster taz | Der erzwungene [1][Rücktritt des Innenministers | |
| Hans-Joachim Grote] (CDU) Mitte April erschütterte das politische Kiel – | |
| und lässt bis heute Fragen zum Verhältnis von Polizei, Staatsanwaltschaft | |
| und Politik in Schleswig-Holstein unbeantwortet. Vor allem irritiert, wie | |
| Ministerpräsident Daniel Günther seinem Parteifreund das Vertrauen und den | |
| Posten entzog. „Normalerweise würde man eine gesundheitliche Belastung | |
| vorschieben, dem Minister für seine Arbeit danken, und niemand würde weiter | |
| fragen“, sagt SPD-Fraktionschef Ralf Stegner. „Aber es wird mit viel | |
| Energie versucht, Grotes Renommee kaputtzumachen.“ | |
| Nun hat der Innen- und Rechtsausschuss des Landtags Einsicht in jene | |
| Chat-Verläufe gefordert, die die Staatsanwaltschaft Kiel bei der Ermittlung | |
| gegen einen Polizei-Gewerkschafter als „Beifang“, wie sie es formulierte, | |
| sammelte – und die zum Bruch mit Grote beitrugen. Bisher sind nur | |
| Zusammenfassungen bekannt, die die Staatsanwaltschaft anfertigte. „Es wäre | |
| für die Koalition eine große Belastung, wenn sich herausstellen würde, dass | |
| der Hinauswurf Grotes eine Überreaktion war“, sagt Burkhard Peters (Grüne). | |
| „Das würde einen deutlichen Schatten auf die Zusammenarbeit legen.“ | |
| Als Innenminister hat Grote wichtige Posten im Polizeiapparat neu besetzt – | |
| Stegner fragt sich, ob der Rücktritt damit zu tun haben könnte. Grote hat | |
| auch die Arbeit des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) | |
| unterstützt, der seit 2017 die sogenannte Rocker-Affäre untersucht. Dabei | |
| geht es um die Frage, wie die Polizei mit Fehlern umgeht, ob sich Netzwerke | |
| in der Leitungsebene gebildet haben und ob Ermittlungsakten rechtlich | |
| unsauber geführt wurden, um eine „Quelle“ der Polizei zu schützen, und um | |
| den Umgang mit V-Leuten. | |
| Claus Christian-Claussen (CDU), heute Justizminister, sagte im Februar – | |
| noch als PUA-Vorsitzender –, er sehe Polizei und Staatsanwaltschaft | |
| entlastet: Verstöße habe es gegeben, aber keine Indizien dafür, dass gegen | |
| Recht verstoßen worden sei. Die These, die Polizei sei „losgelöst von | |
| rechtsstaatlichen Regeln auf Druck der Politik vorgegangen“, habe sich | |
| nicht bestätigt. | |
| ## Mit Nebelkerzen aus der Zwickmühle | |
| Kai Dolgner, der für die SPD im PUA sitzt, und Burkhard Peters, als Grüner | |
| Teil der Jamaika-Koalition, widersprechen. „Es gibt die Erzählung, dieser | |
| PUA sei völlig überzogen“, so Peters. „Die andere Erzählung lautet: Wir | |
| sind auf ein Problem im Umgang mit V-Leuten und damit eine schwärende Wunde | |
| des Rechtsstaats gestoßen.“ Es soll Änderungen im Landespolizeigesetz und | |
| einen Antrag im Bundesrat geben mit dem Ziel, die V-Leute-Regelung in der | |
| Strafprozessordnung neu zu fassen. | |
| Auslöser der Rocker-Affäre war ein Angriff von Mitgliedern der „Bandidos“ | |
| auf Angehörige der konkurrierenden „Red Devils“ am 13. Januar 2010 in einem | |
| Schnellrestaurant in Neumünster. Nach der Messerstecherei gerieten Polizei | |
| und Staatsanwaltschaft offenbar in eine Zwickmühle, so sehen es jedenfalls | |
| Dolgner und Peters. Denn einer der damals Anwesenden hatte einem Polizisten | |
| einiges über die Abläufe erzählt. Ein vertrauliches Gespräch – trotzdem | |
| hatte „dieser Hinweisgeber für diese Aussage keine Vertraulichkeitszusage | |
| als Informant oder V-Person“, sagt Dolgner. „Es war also eine | |
| Zeugenaussage.“ | |
| Peters zieht die Verbindung zur Politik: „Der Kampf gegen die | |
| Rockerkriminalität war für den damaligen Innenminister Klaus Schlie eine | |
| Herzenssache.“ Er sieht es als erwiesen an, dass die Aussage des Rockers | |
| entgegen den gesetzlichen Verfahrensregeln nicht zu Protokoll genommen | |
| wurde. In den Akten steht „offensichtlich mindestens ein unwahrer und | |
| unvollständiger Vermerk“, sagt auch Dolgner. Die Beamten, die darauf | |
| hinwiesen, wurden versetzt. | |
| Beide Politiker sind überzeugt, dass es nicht darum ging, „Rockern einen | |
| Gefallen zu tun“. Aber sie stört, wie der Konflikt damals gelöst wurde und | |
| wie Behörden und Beteiligte bis heute mit den Vorwürfen umgehen: „Es werden | |
| Nebelkerzen geworfen“, sagt Dolgner. Das gelte auch für den PUA selbst. | |
| Kritik gelte als Angriff, statt Fehler einzugestehen, werde abgewehrt. | |
| 15 Jun 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Esther Geißlinger | |
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