| # taz.de -- Eine Frau führt Kieler Innenministerium: Unter Männern | |
| > Die schleswig-holsteinische Politikerin Sabine Sütterlin-Waack ist die | |
| > einzige Innenministerin. Ihr neues Amt führt sie ins Herz einer | |
| > Daueraffäre. | |
| Bild: Zeitgemäßes Accessoire in Landesfarben: Sabine Sütterlin-Waack (CDU) | |
| Kiel taz | Während der [1][erzwungene Rücktritt des Kieler Innenministers | |
| Hans-Joachim Grote] (CDU) noch die Schlagzeilen bestimmt, sitzt seine | |
| Nachfolgerin und Parteifreundin Sabine Sütterlin-Waack in ihrem neuen Büro | |
| und schwärmt vom Blick über die Kieler Förde: „Hier ist wirklich eine | |
| schöne Ecke.“ | |
| Bis vor einer guten Woche schaute sie aus dem Chefzimmer des | |
| Justizministeriums auf den „Kleinen Kiel“, einen See im Zentrum der | |
| Landeshauptstadt. Durch den Wechsel im Kabinett ist sie näher an die | |
| Ostsee, näher ans Parlament und näher an die Staatskanzlei herangerückt. | |
| Sie sitzt jetzt mittendrin, in einem der wichtigsten Ministerien, an einer | |
| Schaltstelle der Macht im Land. Aktuell ist Sütterlin-Waack bundesweit die | |
| einzige Frau in der Runde der Innenminister. | |
| Polizei, Verfassungsschutz, Feuerwehr fallen in den Aufgabenbereich des | |
| Innenressorts – klassische Kerle-Themen, bei denen Uniformen, feste | |
| Hierarchien und Rituale eine Rolle spielen. In Schleswig-Holstein kümmert | |
| sich das Haus auch um die Integration von Geflüchteten sowie die | |
| Landesplanung. Als ob das nicht reichte, hat sich Sütterlin-Waack den | |
| Bereich Gleichstellung aus dem Justizministerium mitgenommen und nennt die | |
| Modernisierung der Frauenhäuser als ein Herzensanliegen. Dagegen sei sie, | |
| sorry, bei den zentralen Themen des Innenressorts noch nicht sattelfest. | |
| Sie wirkt nicht, als wäre sie deswegen besorgt. Immerhin hat sie die | |
| Kollegen der Innenministerkonferenz schon kennengelernt: „Da wurde ich | |
| etwas angeguckt, aber die Stimmung war gut.“ | |
| Keine Frage, die gebürtige Reinbekerin lässt sich nicht leicht aus der Ruhe | |
| bringen. Das kann sie zurzeit brauchen, schließlich rutscht sie im neuen | |
| Amt ins Herz einer Daueraffäre der Landespolitik, die mit | |
| [2][polizeiinternen Vorwürfen um die Aufklärung einer Messerstecherei im | |
| Rockermilieu] begann, zu einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss und | |
| mittelbar zum Sturz Grotes führte. | |
| ## Dem Vater zuliebe in die Union | |
| Weil dabei der Mailverkehr des Ministers mit einem Kieler Journalisten eine | |
| Rolle spielte, sieht die Opposition die Pressefreiheit bedroht und verlangt | |
| weitere Aufklärung. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) habe alles | |
| Wichtige zum Thema gesagt, erklärt Sütterlin-Waack und konzentriert sich | |
| auf das Tagesgeschäft. | |
| Ihre Ruhe liegt vielleicht auch daran, dass sie mit Politik aufgewachsen | |
| ist. Ihr Großvater, Werner Schwarz, wurde 1959 | |
| Bundeslandwirtschaftsminister, da war die Enkelin ein Jahr alt. 1969 | |
| übernahm ihr Vater Hennig Schwarz das Justizministerium in Kiel: „Wir | |
| mussten oft leise sein, durften nachmittags keine Freunde einladen, um ihn | |
| nicht zu stören.“ Während der Barschel-Affäre saß Hennig Schwarz im | |
| Kabinett, doch diese Ereignisse bekam die Tochter nicht mehr hautnah mit: | |
| „Ich bin mit 18 ausgezogen.“ | |
| Sie fing eine Lehre in einem Kaufhaus an: „Es sollte eigentlich in Richtung | |
| Management gehen, ich träumte davon, durch die Welt zu fliegen und Waren | |
| einzukaufen – aber es stellte sich schnell heraus, dass solche Karrieren | |
| für Frauen nicht üblich waren.“ Die Lehrjahre mag sie aber nicht missen. | |
| „Ich habe tolle Frauen kennengelernt, das hat mir den Blick für andere | |
| Lebenswelten geöffnet. Spaß gemacht hat die Arbeit übrigens auch“, sagt | |
| Sütterlin-Waack. | |
| Dennoch wollte sie nicht lebenslang Kleidung verkaufen, also studierte sie | |
| Jura in Göttingen, Lausanne und Kiel, heiratete und bekam während des | |
| Referendariats ihren ersten Sohn. Nach der Promotion arbeitete sie in der | |
| CDU-Fraktion des Hessischen Landtags. Kein geplanter Zug, wie sie sagt: | |
| „Ich wollte nie in die Politik.“ | |
| Zwar trat sie als Schülerin in die Junge Union ein, aber vor allem ihrem | |
| Vater zuliebe, gesteht die 62-Jährige: „Ich habe am Wahl-O-Maten manchmal | |
| gemerkt, dass ich nicht auf der reinen CDU-Linie liege. Aber die CDU ist | |
| eine Volkspartei und kann verschiedene Strömungen vertragen.“ Frauenpolitik | |
| und Gleichstellung sind Themen, für die sie sich einsetzt. Dazu gehört die | |
| Frauenförderung in der Partei: „Wir brauchen eine etwas verbindlichere | |
| Quote“, findet Sütterlin-Waack. | |
| Als Anwältin – noch immer ist Sütterlin-Waack Teilhaberin einer Kanzlei in | |
| Schleswig – hat sie sich auf Familienrecht spezialisiert und sieht dort | |
| einigen Regelungsbedarf, etwa bei der Versorgung von Frauen nach der | |
| Trennung. Doch als sie zwischen 2013 und 2017 im Bundestag und im | |
| Rechtsausschuss saß, stand der Streit um die „Ehe für alle“ im Mittelpunk… | |
| „Zu dem Thema habe ich meine erste Rede im Parlament gehalten, und am Tag | |
| meines Ausscheidens fiel die Entscheidung, die Ehe für alle zuzulassen.“ | |
| ## Mit Elternarbeit in die Politik | |
| Wie kam die Anwältin, die nie in die Politik wollte, in den Bundestag? | |
| „Ganz klassisch, über Elternarbeit“, sagt Sütterlin-Waack. 1994 war die | |
| Juristin mit ihrem damaligen Ehemann und zwei Söhnen aus Hessen nach | |
| Schleswig-Holstein zurückgekehrt. Das Paar eröffnete eine Kanzlei in | |
| Schleswig. An ihrem Wohnort Lürschau engagierte Sütterlin-Waack sich als | |
| Elternvertreterin, übernahm rasch den Vorsitz des Gremiums, wurde | |
| Gemeindevertreterin für die örtliche Wählergemeinschaft. | |
| 2008 zog sie für die CDU in den Kreistag ein, dem sie bis zum Einzug in den | |
| Bundestag 2013 angehörte. In Schleswig-Holstein ist sie seit 2016 im | |
| Landesvorstand. 2017 berief Daniel Günther sie als Justizministerin ins | |
| Kieler Kabinett. Im neuen Innenressort arbeitet sie sich noch ein, hat aber | |
| schon erste Pressekonferenzen und Landtagsauftritte absolviert. Nach einer | |
| guten Woche im Amt zieht sie erste Bilanz: „Es fühlt sich richtig gut an.“ | |
| 10 May 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Esther Geißlinger | |
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