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# taz.de -- Innenminister verlässt Kieler Regierung: Verlorenes Vertrauen
> Schleswig-Holsteins Innenminister Hans-Joachim Grote tritt zurück.
> Ministerpräsident Daniel Günther vertraut ihm nicht mehr. Warum, ist
> unklar.
Bild: Hat seinen Posten geräumt: Hans-Joachim Grote, hier im November 2019 bei…
Neumünster taz | Schleswig-Holsteins Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU)
hat am Dienstag seinen Posten geräumt. Davor gab es ein Gespräch mit
Ministerpräsident Daniel Günther. Dessen öffentliche Erklärung deutet
darauf hin, dass Grotes Rücktritt mit der Razzia bei einem
Polizeigewerkschafter und im weiteren Sinn mit der sogenannten
„Rocker-Affäre“ zusammenhängt. Die Opposition verlangt nun Aufklärung.
Daniel Günther machte es kurz in seinem Auftritt vor der Presse und der
parallel verschickten Erklärung. Er dankte seinem Parteifreund Grote für
die bisherige Arbeit, etwa bei der Reform des Polizeigesetzes und der
Neuordnung des Kommunalen Finanzausgleichs, dann folgten zwei knappe Sätze:
„Die Zusammenarbeit in einer Regierung basiert auf Vertrauen und Offenheit.
Erkenntnisse aus einem laufenden Ermittlungsverfahren der
Staatsanwaltschaft Kiel gegen einen Polizeibeamten schließen eine weitere
Zusammenarbeit mit dem Innenminister aus.“ Übersetzt heißt das: Günther
vertraut Grote nicht mehr.
Die genauen Zusammenhänge nannte er nicht, aber die Vermutung liegt nahe,
dass mit dem erwähnten Beamten [1][Thomas Nommensen], ehemaliger
stellvertretender Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft
(DPolG), gemeint ist. „Ich gehe davon aus“, sagte Torsten Gronau,
Landesvorsitzender der DPolG, auf taz-Anfrage: „Die Andeutungen waren
relativ klar.“
In Nommensens Büroräumen in Kiel hatte im vergangenen August eine Razzia
stattgefunden. Die Staatsanwaltschaft sah einen Anfangsverdacht, dass der
Gewerkschafter Informationen an die Presse durchgesteckt habe. Unter
anderem ging es um eine Geiselnahme in Lübeck, aber später tauchten
offenbar auch Indizien dafür auf, dass Nommensen einen vertraulichen
Bericht zur sogenannten [2][Rocker-Affäre] weitergegeben habe.
Dabei geht es um ein mögliches Versagen von Polizei und Staatsanwaltschaft
bei der Aufklärung einer Messerstecherei zwischen Rockergruppen in
Neumünster im Jahr 2011. Mit dem Fall befasst sich ein Parlamentarischer
Untersuchungsausschuss. Als Innenminister ist Grote einer der Akteure des
Verfahrens.
Auslöser für seinen Rücktritt war, so teilten Innenministerium und
Staatskanzlei mit, ein Schriftwechsel zwischen dem Minister und einem
Journalisten. Diese Schreiben seien „im Zuge eines staatsanwaltschaftlichen
Ermittlungsverfahrens“ Ministerpräsident Günther (CDU) Mitte März vorgelegt
worden. Bereits damals führten Grote und Günther ein Gespräch. Am 21. April
erhielt Günther einen weiteren Bericht der Staatsanwaltschaft. Die darin
enthaltenen „neuen Erkenntnisse“ gaben dann offenbar den Ausschlag für den
Rücktritt.
Worin genau diese Erkenntnisse bestanden, ist unklar. DPolG-Landeschef
Gronau ist ebenso ratlos wie die Kollegen der Gewerkschaft der Polizei
(GdP), die den Rücktritt Grotes „überrascht“ zur Kenntnis nahmen. Grote
selbst erklärte, er wolle „einen möglichen politischen Schaden abwenden“.
Zudem verwies der gebürtige Paderborner auf einen „gesundheitlichen
Rückschlag vor längerer Zeit, von dem ich mich nicht vollständig habe
erholen können“.
Dank für die bisherige Arbeit und gute Wünsche für den scheidenden Minister
gab es von CDU, Grünen und FDP, also den Parteien der Jamaika-Regierung.
Unerwartet kam die Entscheidung jedoch für die Opposition, und für die SPD
ist noch vieles unklar: „Die politischen Hintergründe müssen dringend
aufgeklärt werden“, sagt Fraktionschef Ralf Stegner.
Daher habe die SPD beantragt, dass die Landesregierung in der Sitzung des
Innen- und Rechtsausschusses am Mittwoch Rede und Antwort stehe. „Weitere
Schlussfolgerungen können erst gezogen werden, wenn die Fakten auf dem
Tisch liegen“, so Stegner weiter. Doch für ihn ist klar: „Dass der
Innenminister mitten in der größten politischen Krise zurücktreten muss,
ist ein gewaltiger Schlag ins Kontor der Landesregierung.“
Immerhin bleibt keine Lücke im Kabinett: Die bisherige Justiz- und
Europaministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) ersetzt Grote im
Innenministerium. Auf den dann freien Stuhl im Justizministerium rückt der
CDU-Landtagsabgeordnete Claus Christian Claussen (59) nach. Mit dem Thema,
das Grote indirekt zum Straucheln brachte, kennt er sich aus: Claussen
leitete bisher den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Klärung der
„Rocker-Affäre“.
29 Apr 2020
## LINKS
[1] /Polizist-Thomas-Nommensen-tritt-zurueck/!5643869
[2] /Unterdrueckte-Beweise-in-Rocker-Affaere/!5461018
## AUTOREN
Esther Geißlinger
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