# taz.de -- Skandale in Schleswig-Holstein: Eine Affäre zieht Kreise | |
> Die „Rocker-Affäre“ in Schleswig-Holstein nimmt kein Ende. Nun möchten | |
> die „Kieler Nachrichten“ wissen, ob der Staat sie bespitzelt. | |
Bild: Als alles begann: Festnahme eines „Bandido“ in Neumünster, 2009 | |
KIEL taz | Kiels scheidender Innenminister Stefan Studt (SPD) hinterlässt | |
seinem Nachfolger viel Arbeit: Wenn es dumm läuft, könnte die | |
schleswig-holsteinische Landespolizei gleich in zwei handfeste Skandale | |
verwickelt sein. | |
Zum einen beschäftigt das Land seit Anfang Mai die [1][sogenannte | |
„Rocker-Affäre“], die Piraten-Fraktionschef Patrick Breyer angestoßen | |
hatte. Zum anderen steht die Frage im Raum, ob Journalisten der Kieler | |
Nachrichten (KN) [2][bespitzelt werden]. | |
Ausgangspunkt ist ein Überfall im Januar 2010: Mitglieder der Bandidos | |
greifen in einem Neumünsteraner Schnellrestaurant die verfeindeten Red | |
Devils an und verletzen eine Person lebensgefährlich. Die Ermittlungen | |
leiten zwei Beamte des Landeskriminalamts Kiel. Monate später teilt ein | |
V-Mann-Führer den beiden mit, dass zwei inhaftierte Tatverdächtige | |
unschuldig seien. Dies dürfe jedoch nicht in den Ermittlungsakten | |
erscheinen, damit der Informant geschützt bleibe. | |
Die Ermittler wehren sich gegen diese Weisung, sie halten das Vorgehen für | |
rechtswidrig – zumal der Informant Tatbeteiligter war. Daraufhin seien nach | |
Darstellung Patrick Breyers die Beamten von LKA-Vorgesetzten gemobbt und | |
anschließend strafversetzt worden. Die Rocker-Affäre zieht seitdem Kreise, | |
betroffen scheinen auch etliche hochrangige Diensthabende. | |
## Neutral gestellte Fragen | |
Vor allem die KN recherchierten dazu in den letzten Wochen intensiv – und | |
fanden diverse Quellen innerhalb des LKA-Apparats. So schreiben die KN | |
unter anderem: „Darüber hinaus werden Polizisten überprüft, die in Verdacht | |
stehen, Kontakt mit kritischen Journalisten, Politikern und Rechtsanwälten | |
zu pflegen. Zuvor hatten Beamte unserer Zeitung bereits berichtet, dass sie | |
überwacht und sogar abgehört worden seien.“ | |
Kritiker im Polizeiapparat würden von einer „Bespitzelungsaktion ohne | |
Beispiel“ sprechen, heißt es weiter. Und: „Verschiedene Quellen berichten, | |
dass zuvor Telefonnummern von Journalisten gesammelt worden seien, um sie | |
mit gewählten Anschlüssen abzugleichen.“ Da ist die nächste Frage fast | |
schon naheliegend: Werden möglicherweise nicht nur Polizisten, sondern auch | |
Journalisten im Zuge der Rocker-Affäre abgehört? | |
Dies hat jedenfalls Innenminister Studt in 5 der 18 Fragen hinein | |
interpretiert, die ihm die KN zugestellt haben. Er erklärte: „Mindestens | |
fünf der gestellten Teilfragen zielen darauf ab, ob die Landespolizei seit | |
2016 Journalisten, insbesondere der Kieler Nachrichten, mit Maßnahmen der | |
Telekommunikationsüberwachung überzogen hat.“ Zwar seien die Fragen neutral | |
gestellt, er komme aber zu der Annahme, „dass sie einen konkreten Vorwurf | |
beinhalten“. Studt selbst sieht für Abhörpraktiken keine Anhaltspunkte, die | |
Landespolizei ebenso wenig. | |
## Nach Lübeck zur Vorprüfung verwiesen | |
Die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig schaltete Studt dennoch ein. „Um in | |
alle Richtungen zu ermitteln“, wie es aus dem Innenministerium heißt. | |
Schleswig hat den Fall mittlerweile nach Lübeck überwiesen, wo gerade eine | |
Vorprüfung stattfindet und wo bereits die Rocker-Affäre liegt. | |
KN-Chefredakteur Christian Longardt sagte der taz: „Die Behauptung, wir | |
hätten Vorwürfe erhoben, ist falsch. Wir haben lediglich nichtöffentliche | |
Recherchefragen gestellt, wie es unserem journalistischen Auftrag | |
entspricht. Dass ein Innenminister diese Fragen an die Justiz weiterleitet, | |
ist schon bemerkenswert. Wir begrüßen aber, dass die Staatsanwaltschaft nun | |
untersuchen wird, ob Journalisten, die in der Rocker-Affäre recherchieren, | |
tatsächlich überwacht werden.“ | |
Longardt findet es zudem „befremdlich, dass der Innenminister per | |
Presseerklärung aus einem mit mir geführten vertraulichen Gespräch | |
berichtet“. | |
22 Jun 2017 | |
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## AUTOREN | |
David Joram | |
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