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# taz.de -- CDU-nahe Berichterstattung: Beißhemmungen beim NDR
> Nach Beschwerden eines Reporters über politische Einflussnahme seiner
> Kieler Vorgesetzten schaltet sich der Landesrundfunkrat ein.
Bild: Nah an Daniel Günther: NDR-Redakteur:innen Stefan Böhnke und Julia Stei…
Bremen taz | Gut besucht soll die interne Online-Veranstaltung des
NDR-Funkhauses Schleswig-Holstein am Donnerstagabend gewesen sein. Die
NDR-Mitarbeiter:innen wollten persönlich von Funkhausleiter Volker
Thormählen, Chefredakteur Norbert Lorentzen und Julia Stein, Leiterin des
Ressorts Politik und Recherche, hören, wie sie sich gegen die [1][Vorwürfe
der politischen Einflussnahme auf die Berichterstattung] verteidigen.
Aus ihrer Sicht haben sie nichts falsch gemacht, als sie vor zwei Jahren
einem Reporter untersagten, ein Interview mit dem von Ministerpräsident
Daniel Günther zum Rückzug gezwungenen Innenminister Hans-Joachim Grote
(beide CDU) zu führen. So hatte es der NDR schon am Mittwoch [2][in einer
Stellungnahme] geschrieben. Der Anlass für diese: Recherchen des
Onlinemagazins Business Insider über Beschwerden von Mitarbeiter:innen
über eine CDU-nahe Berichterstattung des Senders.
Das Magazin hatte am Donnerstag aus einem nicht-öffentlichen Papier des NDR
zu diesen Beschwerden zitiert. Hauptsächlich geht es darin um den Vorschlag
eines namentlich nicht genannten Reporters, Grote kurz nach seinem
Rücktritt zu interviewen. Er wollte diesen befragen, warum er bei seinem
Chef und CDU-Parteifreund Günther in Ungnade gefallen war. Seine
Vorgesetzten lehnten dies ab. Angeblich, weil die Darstellung des
Ex-Innenministers nicht relevant sei. Eine solche journalistische
Einschätzung mutet sehr ungewöhnlich an – selbst wenn man in Betracht
zieht, dass ein Fernsehinterview einen Sender sehr viel teurer zu stehen
kommt als ein Interview für einen Zeitungsartikel.
## Statement des Ex-Innenministers entschärft
Zuvor hatte die Ressortleiterin Julia Stein laut Business Insider bereits
ein schriftliches Statement des Innenministers so verändert, dass es keine
direkten Angriffe auf den Ministerpräsidenten mehr enthielt. Der Reporter –
der jetzt in einer anderen NDR-Redaktion arbeiten soll – hatte sich
daraufhin mit einer Beschwerde an den Redaktionsausschuss des NDR gewandt.
Das Gremium besteht aus 17 bis 19 freien und fest angestellten
Journalist:innen. Eine seiner Aufgaben ist laut Redaktionsstatut die
Schlichtung in genau solchen inhaltlichen Konflikten zwischen
Mitarbeiter:innen und ihren Vorgesetzten.
Die Befassung des Redaktionsausschusses bestätigt der NDR in seiner
offiziellen Stellungnahme, in der der Sender den Vorgang für abgeschlossen
erklärt; das interne Papier ist der Abschlussbericht des Ausschusses.
Allerdings räumt der Sender in seiner Stellungnahme ein, dass es nach wie
vor unterschiedliche Einschätzungen zu dem abgesagten Interview gibt. „Der
Redaktionsausschuss kommt in seiner abschließenden Bewertung vom Dezember
2021 zu dem Ergebnis: Ja, das Interview hätte geführt werden müssen“, hei�…
es in der Stellungnahme. Der [3][Redaktionsausschuss wird in einer eigenen
Stellungnahme] deutlicher: „Der NDR hat die Chance nicht genutzt, konkrete
und kritische Fragen an einen entlassenen Minister zu stellen.“
Der Sender stellt sich aber aufseiten der Leitungsebene, die sich damit
verteidigt, das Interview wäre „auf Basis unbelegter Informationen“
angefragt worden, der Reporter hätte diese erst weiter recherchieren
müssen. Der Redaktionsausschuss sei auch hier anderer Meinung, schreibt der
NDR: Nach dessen Einschätzung stellten „auch Interviews eine Form der
Recherche dar“. Zum Hintergrund: Es gehört zur journalistischen Praxis, zur
Aufklärung eines Sachverhalts alle Beteiligten anzuhören. In manchen Fällen
werden die Aussagen als Zitate in einen Fließtext eingearbeitet, in anderen
als Wortlaut-Interviews gedruckt oder gesendet.
Im Fall des geschassten schleswig-holsteinischen Innenministers hätten sich
vermutlich viele Redaktionen für ein Interview mit ihm entschieden, weil
die [4][Hintergründe seines Rücktritts] bis heute nebulös geblieben sind.
Der Ministerpräsident hatte damals gesagt, er habe das Vertrauen in Grote
verloren, nachdem dieser Informationen, „die das politische Handeln
betreffen“, ausgeplaudert habe – an einen Polizeigewerkschafter und einen
Journalisten. Dies habe er Chatprotokollen zwischen den beiden entnommen,
die die Staatsanwaltschaft im Zuge von Ermittlungen gegen den
Gewerkschafter sichergestellt hatte. Grote hatte bestritten,
Dienstgeheimnisse weitergegeben zu haben.
Inwiefern das nicht geführte Interview Symptom einer zu großen Nähe
zwischen führenden NDR-Journalist:innen und der schleswig-holsteinischen
Landesregierung ist, ist unklar. Der Redaktionsausschuss schreibt dazu:
„Den Verdacht, dass eine politische Motivation hinter der Absage des
Interviews stehen könnte, macht sich der Redaktionsausschuss nicht zu
eigen.“
## Weitere Anzeichen für „Hofberichterstattung“
Dennoch gibt es weitere Anzeichen beim NDR für etwas, das
Journalist:innen „Beißhemmung“ nennen, wenn sie selbst oder
Kolleg:innen Sympathien für eine Partei hegen oder gar mit
Politiker:innen befreundet sind. Diese werden dann unter Umständen
weniger „hart angefasst“ als Mitglieder anderer Parteien. Das gibt es nicht
nur beim NDR, sondern in vielen Redaktionen, auch bei der taz.
Problematisch wird dies, wenn Führungskräfte eine „gefärbte“
Berichterstattung ihrer Mitarbeiter:innen erzwingen, also keinen
Meinungspluralismus zulassen und eine objektive Berichterstattung
verhindern, wie es jetzt beim NDR der Fall gewesen sein könnte.
Dafür will das Magazin Stern weitere Belege gefunden haben. [5][Am Freitag
berichtete es], wie der NDR, anders als andere Medien, zunächst weder
Anfang des Jahres über Vorwürfe gegen den CDU-Landtagspräsidenten berichtet
hatte – noch 2019 über einen alkoholinduzierten Unfall von Hans-Jörn Arp,
dem Parlamentarischen Geschäftsführer derschleswig-holsteinischen
CDU-Landtagsfraktion. Betrunken haben soll er sich laut Stern unter anderem
mit dem stellvertretenden Leiter des jetzt in der Kritik stehenden
NDR-Ressorts. Eine NDR-Sprecherin bestätigte der taz, die
Nicht-Berichterstattung über den Unfall sei ein „Versäumnis“ gewesen.
Der NDR hat sich in seiner Stellungnahme auch dazu geäußert, dass sich im
Zuge des Streits um das nicht geführte Interview acht weitere Mitarbeitende
des Funkhaus in Schleswig-Holstein an den Redaktionsausschuss gewandt und
von einem „Klima der Angst“ berichtet hätten. Zu diesem Thema seien
zahlreiche Gespräche geführt worden, teilt der NDR mit, erhärtet hätte sich
der Vorwurf nicht. Es würden aber weitere Gespräche geführt. Nachfragen der
taz über die Form dieser Gespräche wollte die Sprecherin nicht beantworten.
In ihren Berichten zitieren Stern und Business Insider zwar Mitarbeitende,
die eine zu große Nähe ihrer Vorgesetzten zur Regierung bestätigen und eine
daraus resultierende „Hofberichterstattung“, können aber keine Belege für
ein „Klima der Angst“ liefern.
## SPD will Aufklärung
Unterdessen hat die SPD-Fraktion eine Kleine Anfrage im Kieler Landtag
angekündigt, in der sie die Landesregierung auffordert zu erklären, „welche
Kontakte zwischen dem Kabinett mit seinen Staatssekretärinnen und
Staatssekretären sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des NDR mit
Leitungsfunktion zwischen April 2020 und Juni 2022 stattgefunden haben“.
Die für Donnerstag angekündigte Anfrage der SPD lag am Freitagnachmittag
bei Redaktionsschluss nicht vor.
Am Montag will sich der Landesrundfunkrat als Kontrollgremium des
öffentlich-rechtlichen Senders mit dem Thema befassen.
26 Aug 2022
## LINKS
[1] https://www.businessinsider.de/wirtschaft/politischer-filter-klima-der-angs…
[2] https://www.ndr.de/der_ndr/unternehmen/NDR-Stellungnahme-zum-business-insid…
[3] https://www.ndr.de/der_ndr/unternehmen/Stellungnahme-des-NDR-Redaktionsauss…
[4] /Ruecktritt-von-Hans-Joachim-Grote/!5692463
[5] https://www.stern.de/gesellschaft/vorwuerfe-gegen-ndr-erhaerten-sich--exklu…
## AUTOREN
Eiken Bruhn
## TAGS
Daniel Günther
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