| # taz.de -- Soziologin zu Rollenbildern in der Krise: „Frauen sind besonders … | |
| > Mareike Bünning erforscht, wie sich der Alltag der Menschen durch die | |
| > Corona-Krise verändert. Der taz berichtet sie von ihren ersten | |
| > Ergebnissen. | |
| Bild: Masken für Schaufensterpuppen: Im Modemuseum in Brandenburg | |
| taz: Frau Bünning, die erste Auswertungsrunde Ihrer Studie befasst sich mit | |
| Arbeit während der [1][Coronakrise]. Wie geht es den Menschen gerade damit? | |
| Mareike Bünning: Die Pandemie wirkt sich spürbar auf das Wohlbefinden der | |
| Menschen aus. In allen Bevölkerungsgruppen steigen die Sorgen vor | |
| Arbeitsplatzverlust und finanzielle Sorgen tendenziell an. Auch die | |
| Arbeitszufriedenheit ist tendenziell zurückgegangen – soweit der allgemeine | |
| Trend. Unterschiedliche Bevölkerungsgruppen sind aber unterschiedlich stark | |
| getroffen. | |
| Wer macht sich die größten Sorgen um den Arbeitsplatz? | |
| Das sind allen voran die Selbstständigen, aber auch Personen, deren | |
| Einkommen ohnehin knapp ist. Und es sind Personen, die aufgrund der | |
| aktuellen Situation nicht arbeiten können. | |
| Wie geht es gerade den Eltern? | |
| Für Eltern, die jetzt im Homeoffice sind, ist das eine riesige | |
| Herausforderung, denn man hat zwei Jobs parallel: Man muss Erzieherin oder | |
| Lehrerin sein und gleichzeitig seine Arbeit machen. Schon innerhalb der | |
| ersten Wochen, nachdem die Kitas und Schulen geschlossen wurden, sehen wir, | |
| dass die Arbeitszufriedenheit bei Eltern besonders stark zurückgegangen | |
| ist. | |
| Wer trägt in den Familien zur Zeit die Hauptlast der Sorgearbeit? | |
| Mütter wie Väter sind betroffen, aber die Mütter tragen die Lasten noch | |
| etwas stärker als die Väter: Bei Müttern sind die Sorgen vor | |
| Arbeitsplatzverlust und die finanziellen Sorgen ein bisschen stärker | |
| gestiegen. Und es sind eher die Mütter, die jetzt gerade gar nicht | |
| arbeiten, was sicherlich mit der Kinderbetreuung zusammenhängt. | |
| Auch ohne Krise ist Sorgearbeit nicht gerecht aufgeteilt… | |
| Natürlich gibt es Paare, wo das anders läuft, aber im Durchschnitt sehen | |
| wir: Egal, wie die Erwerbsarbeit verteilt ist, die Frauen machen zu Hause | |
| den Löwenanteil. Das sind gesellschaftliche Normen, denen Familien überall | |
| im Alltag begegnen. Da ist es als einzelnes Paar nicht einfach, | |
| auszubrechen. | |
| Wenn die vielen Frauen in systemrelevanten Berufen plötzlich weniger zu | |
| Hause sind als ihre Partner – könnte sich dann etwas in den Familien | |
| verändern? | |
| Es kann sein, dass sich gerade eine neue Rollenverteilung entwickelt. Dass | |
| sich neue Routinen einspielen, die dann vielleicht langfristig Bestand | |
| haben. Das wäre das optimistische Szenario. | |
| Sehen Sie in der Corona-Krise noch mehr emanzipatorisches Potenzial? | |
| Bei vielen der klassischen Frauenberufe bekommen wir jetzt ganz klar vor | |
| Augen geführt: Das sind die systemrelevanten Berufe, auf die wir im | |
| Zweifelsfall angewiesen sind! Es sind die Berufe, bei denen schon lange | |
| eine Aufwertung notwendig ist. Jetzt sollte es nicht bei zwischenzeitlicher | |
| Anerkennung, Klatschen und einer Einmalzahlung bleiben. Diese Aufwertung | |
| muss tatsächlich stattfinden. | |
| Bei heterosexuellen Paaren setzt durch die Geburt des ersten Kindes oft | |
| eine Traditionalisierung der Rollenverteilung ein. Ist die Corona-Krise | |
| eine Chance für junge Familien? | |
| Wenn Väter nach der Geburt Elternzeit nehmen und zu Hause bleiben, hat das | |
| grundsätzlich erstmal positive Effekte für die Vater-Kind-Bindung und die | |
| gleichberechtigte Arbeitsteilung im Haushalt. Dennoch muss man immer den | |
| Gesamtkontext im Blick behalten. Wenn die Situation der Familie prekär ist, | |
| können diese neuen Möglichkeiten wahrscheinlich nicht ausgeschöpft werden: | |
| Die alltäglichen Sorgen dominieren das Familiengeschehen. Aber wo die | |
| finanzielle Situation relativ entspannt ist, sehe ich Potenzial, dass sich | |
| langfristig etwas in der Aufteilung der Kinderbetreuung tut. | |
| Wie wirkten frühere Krisen auf Geschlechterrollen? | |
| Es gibt die Tendenz, dass Krisen traditionelle Rollenbilder verstärken. Das | |
| sehen wir auch jetzt: Gerade sieht es so aus, als blieben Schulen und | |
| [2][Kitas] für viele Kinder länger geschlossen. Den Spagat zwischen zu | |
| Hause arbeiten und Kinder betreuen kann man vielleicht eine gewisse Zeit | |
| lang aufrechterhalten, aber nicht ewig. Da ist meine Befürchtung, dass im | |
| Zweifelsfall wieder die Frauen zurückstecken. | |
| Gehen die aktuellen Maßnahmen in die richtige Richtung, um das zu | |
| verhindern? | |
| Gerade ist ja noch vieles im Fluss. Fest steht: Eltern müssen entlastet | |
| werden, aber nach Abwägung der gesundheitlichen Risiken. Es gibt handfeste | |
| Argumente, dass gerade kleine Kinder bestimmte Regeln nicht einhalten | |
| können. Andererseits sind sie diejenigen, denen eine Infektion tendenziell | |
| nichts ausmacht. Man sollte auch andere Modelle überlegen, um Eltern zu | |
| entlasten. | |
| Woran denken Sie da? | |
| Familienministerin Giffey geht im Moment davon aus, dass etwa ein Drittel | |
| der Kinder wieder in die Kita gehen könnten, wenn eine Erzieherin in einem | |
| Raum bis zu fünf Kinder betreut. Da stellen sich viele anschließende | |
| Fragen: Welche Kinder sollten das bevorzugt sein? Ist ein alternierendes | |
| Modell denkbar, bei dem alle Kinder reihum zwei Wochen lang in festen | |
| Kleingruppen die Kita besuchen? Kann die Politik darüber hinaus private | |
| Initiativen unterstützen, bei denen sich beispielsweise drei Familien | |
| zusammen tun und eine gemeinsame Betreuungsperson finden? | |
| Wie bewerten Sie die Leopoldina-Empfehlungen vor dem Hintergrund Ihrer | |
| Forschungsergebnisse? | |
| Bereits jetzt sind Frauen und Mütter von den derzeitigen Entwicklungen | |
| besonders getroffen. Die Studie der Leopoldina berücksichtigt die | |
| Perspektive der Frauen, Familien und auch der Kinder zu wenig. Ich denke, | |
| wir müssen vor allem im Blick behalten, welche Familien besonders | |
| verletzlich sind, in welchen Familien die Unterstützung besonders nötig | |
| ist. Am Beispiel Dänemarks sehen wir, dass es auch anders geht: Dort wurden | |
| Kitas und Schulen mit als erstes wieder geöffnet. | |
| 26 Apr 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Franziska Schindler | |
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