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# taz.de -- Lieber 42 Kilometer als 30 Jahre: Alles ist Marathon
> Der Kampf gegen Corona, Klimawandel oder Artensterben – jeweils ein
> Langstreckenlauf. Schön wär´s, wenn sich die Welt mit Training retten
> ließe.
Bild: „Corona-Jogger“, sagt meine Tochter, als wir uns auf der Wiese vom La…
Da kommt der füllige Schnaufer mit dem neongelben Stirnband; da traben die
beiden Schleicher, die den ganzen Uferweg blockieren; da taumelt die
Helene-Fischer-Gestylte atemlos durch die Nacht. „Corona-Jogger“, sagt
meine Tochter, als wir uns auf der Wiese vom Laufen erholen. Es ist warm,
man trägt kurz, und wer keinen Hund hat, muss eben rennen, wenn er an die
Luft will.
Der Kampf gegen Corona ist jetzt ja auch ein Marathon, sagen die
Verteidigungsministerin, der Ministerpräsident von Brandenburg und viele
andere. Alles ist heute ein Langstreckenlauf, und wir sind immer erst am
Anfang: Gegen Corona kämpfen, die Artenvielfalt retten, das Klima schützen,
das Abitur machen, einen Flughafen in Berlin bauen.
Es gibt kaum eine Sonntagsrede zu diesen Themen ohne den Hinweis auf eine
lange, harte Anstrengung (die im Original 490 vor Christus in Griechenland
tödlich endete, aber das verschweigen wir mal lieber).
## Beim Joggen ist der Weg das Ziel. Beim Klima nicht.
Was dem Bayer das Oktoberfest, ist dem Jogger die Langstrecke: Höhepunkt
des Jahres, laute Musik, Saufen bis zur Erschöpfung, froh sein, wenn man es
überlebt hat. Und jetzt haben sie nicht nur das Oktoberfest in München,
sondern auch das Septemberfest in Berlin abgesagt. Nix mit
Hauptstadt-Marathon 2020.
Ich wäre ja froh, wenn ein CO2-freies Deutschland wirklich bloß ein
Marathon wäre. Dann könnte man es nämlich gut schaffen. Wir bräuchten nur
langen Atem und starken Willen. Am Anfang tut es weh, dann wird es viel
besser (zum Schluss tut es auch noch mal richtig weh, aber auch das
verschweigen wir lieber). Der Weg ist nicht schwer zu finden, und mit guten
Begleitern geht es gleich viel besser. Allerdings: Wenn man nicht trainiert
ist, kann es gefährlich werden.
Der große Unterschied zwischen 42 Kilometern und 30 Jahren bis zur
CO2-Freiheit: Beim Laufen ist der Weg das Ziel. Beim Klima- und Artenschutz
zählt nur das Ergebnis. Egal, wie gut wir uns unterwegs fühlen – wenn am
Ende 3 Grad plus und tote Meere rauskommen, haben wir verloren.
Für uns Läufer ist es also nicht so schlimm, wenn der Berlin-Marathon
entfällt. Das Wichtige und das Schöne sind ohnehin die langen Stunden des
Trainings im Wald.
Bei der Rettung der Welt läuft es andersherum. Alle preisen das Ziel, aber
keiner will wirklich trainieren: ab sofort kein Fleisch mehr, nur noch
Nudeln? In den Urlaub laufen, statt zu fliegen? Den Energieverbrauch
runterfahren? Ach schau mal, es regnet, wie schade! Vielleicht fangen wir
doch erst morgen mit der CO2-Nulldiät an. Oder übermorgen.
Da helfen nur eiserne Prinzipien. Oder gar keine. Natürlich ist Doping ein
Verbrechen. Aber ehrlich gesagt: Energiewende auf EPO, Solarindustrie auf
Speed und Windkraft auf Anabolika – ich würde beide Augen zudrücken.
25 Apr 2020
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
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