# taz.de -- Geflüchtete in Europa: Corona stoppt Abschiebungen | |
> Italien setzt wegen der Epidemie das Dublin-Abkommen außer Kraft. | |
> Asylbewerber dürfen nun auf ein Verfahren in Deutschland hoffen. | |
Bild: Eine Abschiebung auf dem Flughafen Leipzig/Halle (Archivbild) | |
BERLIN taz | Wegen des [1][Coronavirus] müssen Asylbewerber in Deutschland | |
vorerst nicht fürchten, im Rahmen der Dublin-Verordnung zur Absolvierung | |
ihres Asylverfahrens nach [2][Italien] zurückgeschoben zu werden. Die | |
Regierung in Rom hat solche Rückführungen bis Ende März außer Kraft | |
gesetzt. | |
Die Dublin-Verordnung sieht vor, dass Asylbewerber in dem europäischen | |
Staat ihr Asylverfahren absolvieren müssen, in dem sie auf ihrem Weg nach | |
Europa zum ersten Mal registriert wurden. Auch Italien selbst schickt keine | |
Asylbewerber mehr zurück, beispielsweise nach Griechenland. Das bestätigte | |
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Donnerstag vor der | |
Bundespressekonferenz. | |
Die Fristen für die Überstellung von Flüchtlingen in andere EU-Staaten | |
betragen in der Regel sechs, in Ausnahmefällen 18 Monate. Nach Fristablauf | |
sind Rückführungen im Rahmen der Dublin-Verordnung nicht mehr möglich. Für | |
einige Flüchtlinge in Deutschland bedeutet der Schritt der italienischen | |
Regierung darum, dass sie ihr Asylverfahren in Deutschland absolvieren | |
dürfen. | |
Weil Flüchtlinge in Italien oft obdachlos werden und sie dort weder | |
arbeiten dürfen noch Sozialleistungen erhalten, wandern zahlreiche von | |
ihnen weiter nach Österreich, Deutschland und Schweden. Wie die taz aus | |
Behördenkreisen erfuhr, könnte das Bundesinnenministerium allerdings auch | |
mit Rom verhandeln, die Fristen für die Überstellung von Flüchtlingen wegen | |
des Coronavirus zu verlängern. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums | |
sagte auf taz-Anfrage, man sei mit der Regierung in Rom im Gespräch. Über | |
den Inhalt der Gespräche gab er keine Auskunft. | |
## Aus Abschiebehaft entlassen | |
Das Amtsgericht Hannover hat bereits auf die Entscheidung in Rom reagiert | |
und einen Asylbewerber aus dem Sudan mit sofortiger Wirkung aus der | |
Abschiebehaft entlassen. Der Mann sollte eigentlich nach Italien | |
zurückgeschickt werden. Seine sechsmonatige Überstellungsfrist endet am 6. | |
März. | |
Wird Deutschland aber weiterhin Menschen in die von dem Coronavirus | |
besonders stark betroffenen Staaten China, Iran und Südkorea abschieben? | |
Darüber entschieden die Bundesländer selbst, so das Bundesinnenministerium | |
gegenüber der taz. | |
Innenminister Seehofer erklärte vor der Bundespressekonferenz, er hätte die | |
Bundesländer gebeten, bei neu eingereisten Asylbewerbern Untersuchungen und | |
geeignete Tests durchzuführen, um eine mögliche Coronainfektion frühzeitig | |
zu erkennen. Denn ein Teil der Neuankömmlinge käme über Länder, „die man | |
als vorbelastet bezeichnen muss“, so Seehofer. Bei Verdachtsfällen solle | |
darauf verzichtet werden, die Menschen in ein anderes Bundesland zu | |
schicken. | |
## Tests in einzelnen Bundesländern | |
Einzelne Bundesländer wie Berlin oder Bayern testen neu eingereiste | |
Asylbewerber bereits seit dieser Woche. Hier besteht allerdings ein | |
hausgemachtes Problem: Um Deutschland für neu ankommende Asylbewerber | |
unattraktiv zu machen, hat der Gesetzgeber unter anderem die medizinischen | |
Leistungen in den ersten 15 Monaten nach Ankunft erheblich eingeschränkt. | |
Darum müssen jetzt Regelungen her, wer die Tests überhaupt bezahlt und ob | |
die Kosten auch übernommen werden, wenn ein Asylbewerber nicht neu | |
eingereist ist, aber Symptome aufweist. | |
Die Entscheidung aus Rom könnte auch bedeuten, dass sich etliche Menschen | |
aus dem Kirchenasysl wagen können. Denn viele Menschen harren nur deshalb | |
im Kirchenasyl aus, weil die Bundesrepublik sie in einen anderen EU-Staat | |
zurückschicken will, in welchen sie aber auf gar keinen Fall wollen. | |
„Das ist ein sehr sensibler Umgang von Italien mit dem Thema Corona“, sagte | |
Bernhard Fricke von „Asyl in der Kirche“, gegenüber der taz. Man wolle sich | |
nun einen Überblick verschaffen, wie viele Kirchenasyle von der | |
Entscheidung betroffen sein könnten. | |
## Rettungsschiffe unter Quarantäne | |
Das Virus hat auch Auswirkungen auf die Seerotrettung. Das private | |
Rettungsschiff „Sea Watch 3“ mit 194 Flüchtlingen muss im sizilianischen | |
Hafen von Messina eine zweiwöchige Quarantäne absolvieren, sagte ein | |
Sprecher der Organisation. Die Flüchtlinge dürfen dabei an Land gehen. Auch | |
die Crew muss in Quarantäne, bleibt allerdings an Bord. | |
Auch ein weiteres Seenotrettungsboot, die „Ocean Viking“, muss 14 Tage im | |
Hafen von Pozzallo in Quarantäne ausharren. Die Besatzung hatte 274 | |
Menschen gerettet und sie am Montag in den sizilianischen Hafen gebracht. | |
Die Betreiber des Schiffes, die Organisationen Ärzte ohne Grenzen und SOS | |
Méditerranée, fürchten jedoch, dass der Ausbruch des Coronavirus in Italien | |
als Vorwand dient, die privaten Seenotretter an neuen Einsätzen zu hindern. | |
Die Krankheit dürfe zu keiner ungerechtfertigten Abwehrhaltung gegenüber | |
Flüchtlingen führen, forderten die Helfer. | |
28 Feb 2020 | |
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## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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