# taz.de -- Rechtslage beim Coronavirus: Der Staatsschutz | |
> Das totalitäre China hat nach dem Ausbruch von Corona ganze Städte | |
> abgeriegelt. Aber auch die deutsche Regierung kann ähnliche Maßnahmen | |
> ergreifen | |
Bild: Viele der chinesischen Maßnahmen sind auch hier denkbar | |
Kann nur ein autoritärer Staat wirksam auf eine Epidemie reagieren? Viele | |
Beobachter schauten im Januar teils fasziniert, teils sorgenvoll nach | |
China, wo schnell drastische Maßnahmen ergriffen wurden. In der Provinz | |
Hubei waren Städte mit mehr als 40 Millionen Einwohnern betroffen. Die | |
Einwohner durften die Städte nicht verlassen, öffentliche Veranstaltungen | |
wurden abgesagt, nur alle zwei Tage durfte ein Familienmitglied zum | |
Einkaufen das Haus verlassen. | |
So etwas wäre in einem freiheitlichen Land wie Deutschland nicht möglich, | |
sagten damals viele Kommentatoren. Doch das stimmt nicht. Zur | |
Seuchenbekämpfung haben auch westeuropäische Staaten schon immer große | |
Eingriffsbefugnisse. In Deutschland sind sie im Infektionsschutzgesetz | |
(IfSG) geregelt, das 2001 das alte Bundesseuchengesetz ablöste. | |
[1][Um eine Epidemie und ihr Ausmaß zu erkennen], gibt es Meldepflichten. | |
Die behandelnden Ärzte müssen den Gesundheitsämtern mitteilen, wenn sie | |
Fälle von Pest, Cholera, Masern und anderen übertragbaren Krankheiten | |
feststellen (§ 6 und § 8). Bei neu auftretenden Viren kann die Liste der | |
meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger per Verordnung schnell | |
ergänzt werden (§ 15). | |
Bei Verdacht auf eine Erkrankung können Ermittlungen vorgenommen werden, um | |
die Gefahr zu prüfen. Hierzu ist es Behörden erlaubt, die Wohnung zu | |
betreten, Unterlagen zu kopieren und Proben zu nehmen (§ 16). | |
Menschen, die infiziert sind beziehungsweise sein könnten, dürfen zu | |
Untersuchungen aufs Gesundheitsamt vorgeladen werden. Sie müssen bei Bedarf | |
Röntgenaufnahmen oder Blutentnahmen dulden (§ 25). | |
Um eine Ausbreitung von Krankheiten zu vermeiden, [2][kann das | |
Gesundheitsamt das öffentliche Leben einschränken]. Dazu gehört das Verbot | |
von Veranstaltungen sowie eine Schließung von Kindergärten und Schulen (§ | |
28). | |
Die Behörden könnten außerdem eine Impflicht anordnen (§ 20). Allerdings | |
gibt es gegen das Coronavirus noch keine passende Impfung. | |
[3][Kranke und Verdachtsfälle können in Quarantäne genommen werden], um | |
weitere Ansteckungen zu vermeiden. Konkret heißt dies, dass sie in einem | |
Krankenhaus „abgesondert“ behandelt werden. Diese Maßnahme ist auch | |
zwangsweise durchsetzbar. Um eine Flucht zu verhindern, können ihnen | |
persönliche Gegenstände abgenommen werden. Die Behörden dürfen die | |
Kommunikation der Betroffenen mit der Außenwelt mitlesen (§ 30). | |
Als milderes Mittel können die Behörden gegen sie ein zeitweises | |
Berufsverbot verhängen (§ 31). | |
Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und | |
Gemeindebunds, behauptete am Freitag, es gebe in Deutschland keine | |
gesetzliche Grundlage für die Abriegelung ganzer Städte. Das ist nicht | |
richtig. Zwar ist eine so massive Maßnahme im Gesetz nicht ausdrücklich | |
erwähnt. | |
Allerdings haben die Gesundheitsbehörden die Kompetenz, „alle notwendigen | |
Maßnahmen“ zu treffen (§ 28). Die ausdrücklich aufgeführten Befugnisse si… | |
nur Beispiele hierfür. Die Landesregierungen können zur Verhütung und | |
Bekämpfung übertragbarer Krankheiten per Rechtsverordnung entsprechende Ge- | |
und Verbote aussprechen (§ 17 und § 32). | |
Die Grundrechte gelten natürlich auch dann, wenn in Deutschland eine | |
Epidemie wütet. Allerdings sieht das Grundgesetz vor, dass Grundrechte zur | |
„Bekämpfung der Seuchengefahr“ eingeschränkt werden dürfen. Etwa in Form | |
einer verordneten Quarantäne, die einen dazu verpflichtet, den | |
vorgeschriebenen Aufenthaltsort nicht zu verlassen. | |
Die gesetzlichen Regelungen sehen aber an vielen Stellen Beschränkungen | |
zugunsten der Bürger vor. So dürfen die erhobenen Daten ausschließlich zur | |
Seuchenbekämpfung genutzt werden (§ 16). Untersuchungen mit invasiven | |
Eingriffen und solche unter Betäubung sind nur mit Zustimmung des | |
Betroffenen möglich (§ 25). Eine zwangsweise Therapie ist verboten (§ 28). | |
Die größte Einschränkung ist aber das Prinzip der Verhältnismäßigkeit, das | |
für staatliches Handeln im Rechtsstaat immer gilt. Maßnahmen müssen | |
geeignet, erforderlich und angemessen sein. So ist die Abriegelung ganzer | |
Dörfer nur dann erlaubt, wenn Virologen davon überzeugt sind, auf diese | |
Weise tatsächlich eine Ausbreitung des Virus wirksam einschränken zu | |
können. | |
Gegen sämtliche behördlichen Maßnahmen können Betroffene die | |
Verwaltungsgerichte anrufen. Klagen haben allerdings keine aufschiebende | |
Wirkung (§ 16). Nach den üblichen Regeln des Prozessrechts kann jedoch per | |
Eilantrag ein Stopp von mutmaßlich rechtswidrigen Maßnahmen beantragt | |
werden. | |
28 Feb 2020 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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