Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ausbreitung von Corona in Südkorea: Das Virus als „Teufelswerk“
> In Südkorea breitet sich das Coronavirus derzeit am stärksten aus. Im
> Zentrum steht eine mysteriöse Jesus-Sekte, der jetzt eine Mordanklage
> droht.
Bild: Sektengründer Lee Man Hee bei einer Pressekonferenz am Montag
Peking taz | Am Montagnachmittag hat der südkoreanische Sektenguru Lee Man
Hee zur Pressekonferenz in seine Villa in einem Vorort von Seoul gelade.
Vor der anwesenden Presse ging der 88-Jährige reumütig auf die Knie und bat
die Öffentlichkeit um Entschuldigung.
„Wir werden unser Bestes geben, um die Maßnahmen der Regierung zur
Kontrolle des Virus zu unterstützen“, sagte Lee, der 1984 nach einer
Jesus-Offenbarung die Shincheonji-Kirche gründete und seinen Anhängern
ewiges Leben verspricht.
Die öffentlichkeitsscheue Sekte steht im Zentrum der Coronavirus-Epidemie,
die außer China [1][kein Land so sehr erschüttert wie Südkorea]. Seit Tagen
vermelden Koreas Gesundheitsbehörden die meisten Neuansteckungen weltweit.
Am Montag waren es 599. Damit haben sich in Korea mehr als 4.300 Menschen
angesteckt, 26 meist ältere sind gestorben.
Knapp zwei Drittel der Infizierten gehören zur Shincheonji-Sekte. Am Montag
klagte Seouls Stadtregierung die Führung des religiösen Kults wegen
Totschlags und Körperverletzung an. Auch die Behörden in Daegu, der am
meisten betroffenen Stadt Südkoreas, verklagten die Sekte wegen
Falschinformation.
## Sektenmitglied als „super spreader“
Ein Rückblick: Noch vor zwei Wochen glaubte Südkorea, das Virus unter
Kontrolle zu haben. Doch ein einziger „super spreader“, wie die Medien eine
61-Jährige Sektenanhängerin nennen, änderte dies.
Trotz Fieber und gegen ärztlichen Rat [2][entschied die Frau, Mitte Februar
an einem Gottesdienst teilzunehmen] – mit tausend anderen
Shincheonji-Gläubigen. Seitdem ist die Infektionskette nicht mehr
einzudämmen.
Als „Teufelswerk“ hat Sektengründer Lee das Virus in einer ersten Reaktion
bezeichnet, um „das rapide Wachstum von Shincheonji zu stoppen“. In
internen Videos fordert ein lokales Sektenmitglied dazu auf, den Behörden
nicht die eigene Identität preiszugeben und bei Virentests nicht zu
kooperieren.
## Sektenzentrale wegen Mitgliederliste durchsucht
Die Regierung ordnete darauf das Screening aller Sektenmitglieder an. Um an
die Mitgliederlisten zu kommen, ließen die Behörden die Sektenzentrale
durchsuchen.
Inzwischen wurden mehr als 90 Prozent der 310.000 Gläubigen getestet. Über
8.000 von ihnen zeigen Symptome der Viruserkrankung.
Shincheonji gilt jetzt in Südkorea als Sündenbock für den Virusausbruch:
Eine an Präsident Moon Jae In gerichtete Petition zur Auflösung von
Shincheonji bekam in nur 48 Stunden mehr als eine halbe Million
Unterschriften.
„Bei der Sekte gibt es keine Entschuldigungen, nicht an Gottesdiensten
teilzunehmen – auch Krankheiten nicht, die vor allem als Sünde
interpretiert werden“, sagt der Australier Peter Daley, der an einer
Universität in Seoul lehrt und ein jahrelanges Interesse an extremistischen
religiösen Bewegungen entwickelt hat: „Ehemalige Mitglieder berichten, dass
Atemschutzmasken während der Messen verboten sind.“
In Südkorea ist die Sekte vor allem für ihr aggressives Missionieren
bekannt, was die Gefahr der Virusverbreitung erhöht. Vor allem Ausländer
werden von den Anhängern gezielt gesucht, um ihre Bewegung
„internationaler“ aussehen lassen.
„Ich wurde von denen unzählige Male angesprochen, die Anhänger standen
meist am U-Bahn-Eingang“, erinnert sich der 39-jährige
Comicbuch-Illustrator Ryan Estrada im südkoreanischen Busan. Oftmals wurde
er unter dem Vorwand kostenloser Koreanischkurse geködert, nicht selten
über Stunden verfolgt. Manchmal, so sagt der US-Amerikaner, habe es nur
geholfen, einfach wegzurennen.
3 Mar 2020
## LINKS
[1] /Coronavirus-in-Suedkorea/!5666889
[2] /Corona-Virus-in-Suedkorea/!5665277
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Gesundheit
Südkorea
Sekte
Schwerpunkt Coronavirus
Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz
Wir retten die Welt
Schwerpunkt Coronavirus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Südkoreas Parlamentswahl: Corona verhilft zu Erdrutschsieg
Südkoreas Regierungspartei war auf dem absteigenden Ast. Dann hat sie die
Corona-Pandemie erfolgreich bekämpft – und eine Trendwende erlebt.
Rechtslage beim Coronavirus: Der Staatsschutz
Das totalitäre China hat nach dem Ausbruch von Corona ganze Städte
abgeriegelt. Aber auch die deutsche Regierung kann ähnliche Maßnahmen
ergreifen
Wir retten die Welt: Jenseits von Corona
Das Virus zeigt uns, was wir in unserer Hybris längst verdrängt haben: Die
Natur ist nicht nett. Und wir haben guten Grund zur Panik.
Umfrage der europäischen Handelskammer: Corona belastet EU-Firmen in China
Praktisch jedes Unternehmen mit Sitz in der Volksrepublik ist vom
Virusausbruch betroffen. Vor allem Quarantäne macht ihrem Geschäft zu
schaffen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.