# taz.de -- Rechtsextremistischer Terror in Hanau: Riss im Selbstbild | |
> Deutschland war nie so freundlich und liberal, wie es gerne glaubt. Im | |
> Angesicht des Rechts-Terrors aber wird klar: Alle Bekundungen sind zu | |
> wenig. | |
Bild: Die Luft wird giftiger: Das Weltbild rechter Täter hallt in der Rhetorik… | |
Die Bundesrepublik hat ein freundliches Bild von sich selbst entworfen. Sie | |
ist aus der Geschichte der NS-Gewalt klug geworden, fest im Westen vertäut | |
und weitgehend gewappnet gegen die autoritäre Verführung, die derzeit | |
global an Boden gewinnen. Wir hingegen sind fast streberhaft bemüht, einen | |
liberalen, weltoffenen Eindruck zu machen. | |
Diese Erzählung war schon immer zu glatt, zu nett, zu sehr von Selbstlob | |
getränkt. Jetzt ist sie ein Grund, warum es so schwierig ist zu begreifen, | |
was offenkundig ist: Es gibt [1][einen rechtsterroristischen Angriff] auf | |
die Republik, eine blutige Spur, die von den Morden des NSU über den Mord | |
an Walter Lübcke und [2][den Anschlag auf die Synagoge in Halle] bis zu den | |
Toten in Hanau reicht. Dieser rechte Terror ist ein tiefer Kratzer im | |
netten Bild der Bundesrepublik als Hort von Vernunft und Zivilität. Weil | |
die rechten Morde dazu nicht passen, fällt es enorm schwer, die Angriffe so | |
ernst zu nehmen, wie sie sind. | |
Mag sein, dass diese Schwerfälligkeit durch die Art des Terrors begünstigt | |
wird. Die Angriffe gelten, anders als die der RAF, nicht den Spitzen des | |
Staates, und es gibt auch keine Kommandozentrale, die die Taten plant. Der | |
rechte Terror ist diffuser, unberechenbarer. Beim NSU waren überzeugte | |
Nazis am Werk. In Hanau mordete ein Rechtsextremist, der mannigfache | |
paranoide Vorstellungen hatte. Doch so diffus und spontan ist die | |
rechtsterroristische Gewalt gar nicht. Sie zielt auf ein Feindbild: alle, | |
die nicht deutsch aussehen. | |
Figuren wie Stephan E. in Kassel und Tobias R. in Hanau fühlen sich, anders | |
als früher, ermutigt zu töten. Das ist typisch für die Konjunkturen | |
rassistischen Terrors. Auch in den frühen 90er Jahren hatten vor allem im | |
Osten viele Rechtsextreme, als sie Brandbomben in Wohnungen warfen, das | |
Gefühl, das zu tun, was viele insgeheim guthießen. Das stille Nicken, auch | |
die achselzuckende Bagatellisierung, dass es ja nur ein Einzeltäter sei, | |
ist der Humus, auf dem dieser Terror wächst. | |
Aus RAF-Zeiten weiß man, wie fatal das Gerede von geistigen Brandstiftern | |
sein kann. Damals wurden von Konservativen auch Jürgen Habermas und | |
Heinrich Böll für die RAF in Haftung genommen. Daher sollte man, in | |
Erinnerung an die Sympathisantenjagd, vorsichtig sein mit solchen | |
Bezichtigungen. Aber: Die Reaktionen der AfD, die von Ausreden über | |
Verharmlosungen bis zu der Verdrehung reicht, Merkel oder die Migranten | |
seien schuld, sind bodenlos. Die AfD kann keine klare Grenze zur Gewalt | |
ziehen, weil sie dann [3][in dem von Verfolgungswahn geprägten Weltbild der | |
Mörder] die Echokammern in ihrer eigenen Hassrhetorik erkennen müsste. | |
Als Rechtsterroristen 1992 in Solingen mordeten, scheute Kanzler Kohl | |
Bilder am Tatort. Es ist ein gutes Zeichen, dass Frank-Walter Steinmeier | |
nach Hanau fährt. Dies ist auch keine Effekthascherei: Steinmeier kümmert | |
sich auch um Opfer rechter Gewalt, wenn die Kameras aus sind. Merkels | |
Formel, dass „Rassismus und Hass Gift sind“, kam rasch und ist treffend. | |
Aber nach Hanau ist klar: All das ist zu wenig. | |
20 Feb 2020 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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