# taz.de -- Kampf gegen Wohnungsnot in Niedersachsen: Genug Platz wäre ja | |
> In Niedersachsen gibt es zu wenig bezahlbaren Wohnraum. Die SPD will | |
> deshalb eine Landeswohnungsbaugesellschaft gründen, die CDU ist strikt | |
> dagegen. | |
Bild: Mehr Wohnungen benötigt: In Laatzen bei Hannover haben sie schon mal mit… | |
GÖTTINGEN taz | So geht Gentrifizierung in Niedersachsen: Vor zwei Jahren | |
kaufte die Frankfurter Immobilienfirma Coreo AG in Göttingen rund 400 | |
Wohnungen. Die Mieteinnahmen lagen damals bei 1,2 Millionen Euro jährlich. | |
Viel zu wenig aus Sicht des Investors. Um mehr Profit herauszuschlagen, | |
lässt er Wohnungen sanieren. In der Innenstadt, wo Coreo ebenfalls | |
Immobilien erwarb, werden die jetzigen und oft langjährigen Mieter zum | |
Auszug gedrängt – in einigen Fällen auch durch das Abstellen der Heizung. | |
Für die rot-schwarze Regierungskoalition im Bundesland könnte das Thema | |
Wohnen zur Belastungsprobe und zum großen Streitthema im nächsten | |
Landtagswahlkampf werden. Während die SPD sich für die Gründung einer neuen | |
Landeswohnungsbaugesellschaft einsetzt und damit auf Forderungen des DGB, | |
der Grünen und von Sozialverbänden eingeht, ist die CDU strikt dagegen. Sie | |
will stattdessen den privaten Wohnungsbau ankurbeln. | |
Unstrittig ist, dass es in dem Bundesland viel zu wenig bezahlbaren | |
Wohnraum gibt – als bezahlbare Miete gilt in Niedersachsen ein | |
Quadratmeterpreis zwischen 6,10 und 7,50 Euro. Die Mieten und | |
Wohnungspreise explodieren vor allem in den Städten weiter. Mehr als 40 | |
Prozent aller Haushalte in Oldenburg, Hannover, Braunschweig und Osnabrück | |
müssten mehr als 30 Prozent ihres Nettoeinkommens allein für ihre Miete | |
ausgeben, sagt der Geschäftsführer der Landesarmutskonferenz, Klaus-Dieter | |
Gleitze. Immer mehr Menschen müssten auch deshalb pendeln, weil sie sich | |
trotz Arbeit keinen bezahlbaren Wohnraum leisten könnten. | |
Wegen auslaufender Sozialbindungen sinkt die Zahl bezahlbarer Wohnungen für | |
niedrige und mittlere Einkommensschichten ständig. 1987 gab es landesweit | |
noch rund 290.000 Sozialwohnungen. 2018 waren es nur noch 75.000. Und von | |
diesen fallen viele demnächst aus der Mietbindung heraus. | |
Zwar hat die Landesregierung bereits 2019 zusätzlich 400 Millionen Euro für | |
die Wohnraumförderung zur Verfügung gestellt – insgesamt stehen bis 2023 | |
rund 1,7 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau in Niedersachsen | |
bereit. Doch zeigt nach Angaben des SPD-Landesverbandes die Zahl der | |
Anträge, dass die Baubranche trotz der Fördergelder die Investitionen in | |
den sozialen Wohnungsbau nicht ausreichend steigert, sondern weiterhin auf | |
hochpreisige Wohnungen setzt. | |
Bei ihrer Vorstandsklausur in der vergangenen Woche positionierten sich die | |
Sozialdemokraten deshalb noch einmal: Nach ihren Wünschen soll eine | |
landeseigene Wohnungsbaugesellschaft aufgebaut werden, die dann selbst | |
Mietwohnungen baut. Der Verkauf der NILEG, der niedersächsischen | |
Landeswohnungsbaugesellschaft, durch CDU und FDP im Jahr 2005 sei „ein | |
großer Fehler“ gewesen, sagte Niedersachsens SPD-Landeschef und | |
Ministerpräsident Stephan Weil: „Die Folgen spüren Mieterinnen und Mieter | |
sowie die betroffenen Kommunen bis heute.“ | |
Eine Landeswohnbaugesellschaft könne dauerhaft bezahlbaren Wohnraum für | |
ganz unterschiedliche Bedürfnisse und Preise zur Verfügung stellen. Der | |
Bedarf in der Mitte der Gesellschaft werde ebenso berücksichtigt wie der | |
soziale Wohnungsbau, argumentiert die SPD. Die Wohnungen blieben dauerhaft | |
im Eigentum der staatlichen oder kommunalen Wohnungsbaugesellschaften und | |
würden ihre Sozialbindung langfristig behalten. Durch die bezahlbaren | |
Mieten bei den öffentlichen Wohnungen entschärfe das Land die | |
Preisentwicklung auf dem Wohnungsmarkt. Gleichzeitig werde durch die | |
Landeswohnbaugesellschaft öffentliches Vermögen aufgebaut, da die Wohnungen | |
der öffentlichen Hand gehörten. | |
Das alles klingt schlüssig, will der CDU aber trotzdem nicht einleuchten. | |
„Wir sind offen für alle Ideen, die den Wohnungsbau deutlich | |
beschleunigen“, so Fraktionschef Dirk Toepffer. Es sei jedoch zu | |
hinterfragen, „ob eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft hierfür das | |
richtige Mittel ist“. Privater und staatlich geförderter Wohnungsbau | |
funktioniere in der Regel schneller. | |
CDU-Finanzminister Reinhold Hilbers wurde noch deutlicher. Der Aufbau einer | |
solchen Gesellschaft würde viel Zeit in Anspruch nehmen, sagte er der | |
Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Für die Gesellschaft sei auch ein | |
erhebliches Startkapital notwendig. „Es ist sehr viel effizienter und | |
zielführender, landeseigene Mittel so zu verwenden, dass auch privates | |
Kapital mobilisiert werden kann.“ Die FDP hält auch nichts von einer | |
Landeswohnungsbaugesellschaft. | |
Von der Landesarmutskonferenz und von den Gewerkschaften kommt dagegen Lob | |
für den SPD-Vorstoß. Er zeige, „dass die Zeit reif ist für eine Wende auf | |
dem niedersächsischen Wohnungsmarkt“, so DGB-Landeschef Mehrdad Payandeh. | |
Die Landesregierung müsse nun schnell handeln, der Spatenstich für die | |
Landeswohnbaugesellschaft müsse noch in dieser Legislaturperiode gesetzt | |
werden. Die CDU solle sich „von ihrer ideologischen Blockadehaltung | |
verabschieden“, verlangt Payandeh. „Helfen Sie mit, die Probleme der | |
Menschen mit vernünftigen Mitteln zu lösen. Alles andere ist fahrlässig und | |
frustriert die Bürgerinnen und Bürger. Dies führt nur zu | |
Politikverdrossenheit.“ | |
11 Feb 2020 | |
## AUTOREN | |
Reimar Paul | |
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