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# taz.de -- Landtagswahl Niedersachsen: Schöner wohnen beim Staat
> Beim Thema „Landeswohnungsbaugesellschaft“ scheiden sich die Geister der
> Großen Koalition in Niedersachsen. SPD und Grüne dafür, CDU und FDP
> dagegen.
Bild: Es gibt viel zu tun: Baustelle in Niedersachsen
Hamburg taz | Bei der Frage, wie dem Mangel an bezahlbaren Wohnungen in
Niedersachsen beizukommen ist, teilen sich die Landtagsparteien in zwei
Lager: Während alle einräumen, dass es mehr Sozialwohnungen geben sollte,
plädieren SPD und Grüne für die Gründung einer
Landeswohnungsbaugesellschaft – CDU und FDP halten das für überflüssig oder
sogar nachgerade falsch.
[1][Aufgebracht hat die Idee vor vier Jahren die Landesarmutskonferenz
(LAK), in der die Wohlfahrtsverbände, viele Gewerkschaften und auch der
Mieterverein Mitglied sind]. „Allein in Niedersachsen fehlen über 100.000
bezahlbare Wohnungen“, warnt LAK-Geschäftsführer Klaus-Dieter Gleitze unter
Verweis auf Schätzungen der landeseigenen N-Bank und des Pestel-Instituts.
Das drohe, die Gesellschaft zu spalten.
Neben der Förderung von Sozialwohnungen müsse Niedersachsen deshalb eine
eigene, nicht profitorientierte Wohnungsbaugesellschaft gründen, fordert
die LAK. Anders als die 2005 von einer CDU-FDP-Regierung verkaufte
Vorgängergesellschaft Nileg sollte diese nicht privatisierbar sein. „Damit
würde ein sehr großer Akteur auf dem Wohnungsmarkt erscheinen, der sofort
preisdämpfend wirken würde“, sagt Gleitze.
[2][Die SPD machte sich den Vorschlag im Grundsatz zu eigen, konnte damit
aber bei ihrem Koalitionspartner CDU nicht landen], sodass das Thema jetzt
Gegenstand des Wahlkampfs ist. Einig sind sich die Parteien im Landtag
darin, dass im Land zu wenige, insbesondere günstige Wohnungen gebaut
worden sind.
Zwar hat der Wohnungsbau in den Jahren 2018 bis 2021 kräftig angezogen,
sodass [3][im Schnitt 30.000 Wohnungen pro Jahr neu gebaut wurden, wie die
Landesregierung mitteilte], dabei wurden aber durchschnittlich nur 1.600
Sozialwohnungen pro Jahr errichtet – statt der angepeilten 4.000. Weil
gleichzeitig bei bestehenden Sozialwohnungen die Bindungsfrist endete, ging
der Bestand an Sozialwohnungen auf ein Allzeittief von 55.000 im
vergangenen Jahr zurück. 2012 waren es noch knapp 100.000 gewesen.
Die vielen Hundert Millionen Euro, die das Land für den sozialen
Wohnungsbau bereitstellt, kommen offensichtlich nicht an. „Das Fördergeld
wird nicht abgerufen“, sagt Alptekin Kırcı, der finanzpolitische Sprecher
der SPD-Fraktion. Privaten Investoren sei die Förderrichtlinie zu
kompliziert gewesen; [4][bei Zinsen nahe null sei die Kapitalbeschaffung am
Finanzmarkt zu billig gewesen] und die Renditeerwartungen zu hoch.
„Die Privaten hatten fünf Jahre Zeit“, findet Christian Meyer, der
baupolitische Sprecher der Grünen-Fraktion. Der Markt habe versagt. Deshalb
müsse der Staat einen neuen Weg gehen, um den sozialen Wohnungsbau
anzukurbeln. Die Grünen stellen sich wie die SPD eine öffentliche,
gemeinnützige Gesellschaft vor, die Wohnungsbestände kauft, saniert und als
Sozialwohnungen vermietet – und die darüber hinaus neue Sozialwohnungen
baut.
Die neue Gesellschaft soll nach diesen Vorstellungen mit den existierenden
kommunalen Wohnungsgesellschaften Hand in Hand arbeiten. Die Grünen
schlagen vor, einen Teil der Bauverwaltung mit den von ihr betreuten
Immobilien in die neue Gesellschaft zu überführen. Damit hätte diese einen
Grundstock an Kapital und Know-how.
## Angst vorm Wasserkopf
Für verlorene Liebesmüh hält das die FDP-Landtagsabgeordnete Susanne
Schütz. „Wie kommt man auf die Idee, dass der Staat das besser kann?“,
fragt sie. Der Fachkräftemangel, der die Baubranche plage, die
unterbrochenen Lieferketten, die vielen Auflagen, die hohen Preise – „Das
sind alles Probleme, die eine Landeswohnungsgesellschaft auch hätte“, sagt
Schütz.
Mit der Gründung einer solchen Gesellschaft werde bloß eine teure zentrale
Struktur geschaffen, die nichts von den Verhältnissen in den jeweiligen
Kommunen verstehe. Sie wecke Erwartungen, die nicht erfüllt werden könnten
und zu Politikverdrossenheit führten. Dabei gebe es doch die kommunalen
Wohnungsbaugesellschaften und die Genossenschaften. „Wir haben Player auf
diesem Markt, die günstigen Wohnraum zur Verfügung stellen“, sagt Schütz.
Der CDU-Abgeordnete Martin Bäumer schlug ein Landes-Baukindergeld vor. Auch
sei mehr Bauland auszuweisen, damit der Markt wieder funktioniere.
[5][Dieter Rink vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig] fände
es „auf alle Fälle sinnvoll“, eine Landeswohnungsbaugesellschaft zu
gründen. Es sei wichtig, dass sich die öffentliche Hand wieder stärker beim
Wohnen engagiere. Denn nicht nur die Knappheit an Wohnungen sei ein
Problem, sondern auch deren Kosten.
## Stabilisierende Wirkung
„Das Problem der Bezahlbarkeit wird durch die heutigen Neubauten nicht
gelöst, weil die im hochpreisigen Segment entstehen“, sagt der
Stadtsoziologe. Eine solche Gesellschaft hätte wie die kommunalen
Gesellschaften einen stabilisierenden Effekt, hätte aber zugleich ganz
andere finanzielle Möglichkeiten als diese.
Der [6][Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Niedersachsen und
Bremen (VDW), in dem vor allem kommunale und genossenschaftliche
Unternehmen organisiert sind], verwies darauf, dass die Neubaumieten seiner
Gesellschaften meist unter zehn Euro netto kalt lägen. [7][Bei öffentlich
geförderten Wohnungen sind es zwischen sechs und acht Euro].
Der VDW hat angekündigt, der Landesregierung entgegenzukommen. „Wenn es
eine Landeswohnungsbaugesellschaft gibt, werden wir die Gründungsphase
unterstützen“, sagt Verbandsdirektorin Susanne Schmitt.
8 Oct 2022
## LINKS
[1] /Wohnungsbaupolitik-in-Niedersachsen/!5853513
[2] /Kampf-gegen-Wohnungsnot-in-Niedersachsen/!5659551
[3] https://www.nilas.niedersachsen.de/starweb/NILAS/servlet.starweb?path=NILAS…
[4] /Zentralbank-will-Inflation-eindaemmen/!5876706
[5] https://www.ufz.de/index.php?de=40368
[6] https://vdw-online.de/
[7] https://www.hannover.de/Leben-in-der-Region-Hannover/Planen,-Bauen,-Wohnen/…
## AUTOREN
Gernot Knödler
## TAGS
Landtagswahl in Niedersachsen
Wohnungsmangel
Wohnungsmarkt
Wohnungsbau
Wohnungspolitik
Sozialwohnungen
Mieten
Sozialer Wohnungsbau
SPD Niedersachsen
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dagegen.
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