# taz.de -- Weniger Sozialwohnungen für mehr Leute: Verdrängungskampf am Wohn… | |
> Niedersachsen will die Einkommensgrenzen für Sozialwohnungen erhöhen. | |
> Verbände sehen den Plan kritisch: Das sei keine Lösung für den | |
> Wohnungsmangel. | |
Bild: Rares Gut, begehrt von vielen: Sozialwohnungen in Hannover | |
Hamburg taz | Um Haushalte mit mittlerem Einkommen zu entlasten, plant das | |
Wirtschaftsministerium in Niedersachsen die Einkommensgrenze für | |
Sozialwohnungen um 25 Prozent zu erhöhen. Statt einem jährlichen | |
Nettoeinkommen von 17.000 Euro, würde die Grenze für einen | |
Einpersonenhaushalt dann bei 21.250 Euro liegen. Bei zwei Personen soll sie | |
von 23.000 auf 28.750 Euro im Jahr steigen. Damit hätten laut | |
Wirtschaftsministerium etwa 40 Prozent der Haushalte in Niedersachsen | |
Anspruch auf eine Sozialwohnung. | |
Grund für diese Erhöhung, so Wirtschaftsminister Olaf Lies, sei der | |
deutliche Anstieg der Mieten, der stellenweise um die 25 Prozent beträgt. | |
„Die Einkommensgrenze für geförderten Wohnraum sind nicht mehr zeitgemäß�… | |
so Lies. Zuletzt hatte das Land die Einkommensgrenze 2010 erhöht. | |
Allerdings stehen damit künftig mehr Sozialwohnungsberechtigen immer | |
weniger Wohnungen zur Verfügung. Aktuell gibt es nur noch rund 51.250 | |
Sozialwohnungen und es fallen jährlich mehr Wohnungen aus der Sozialbindung | |
raus, als neue dazukommen. Schon jetzt [1][fehlen über 100.000 Wohnungen]. | |
Um diese Differenz auszugleichen, hat Niedersachsen laut | |
Wirtschaftsministerium bereits Hürden für den Neu- und Ausbau von Wohnungen | |
gesenkt um Bauvorhaben dadurch leichter realisierbar und günstiger zu | |
machen. Außerdem hat das Land in diesem Jahr eine eigene | |
[2][Wohnungsbaugesellschaft] gegründet. | |
## Wohnungen für die „arbeitende Mitte“ | |
Die Wohnungswirtschaft Niedersachsen-Bremen (VDW), sieht die Entlastung von | |
Menschen mit mittlerem Einkommen als längst überfällig an. Allerdings macht | |
die VDW auch deutlich, dass es zu wenige Wohnungen gibt, um Menschen mit | |
Anspruch auch eine Sozialwohnung zu gewährleisten. | |
Verbandsdirektorin Susanne Schmitt meint: „Es braucht einen | |
Tilgungszuschuss für Baugesellschaften und Wohnungsgenossenschaften im | |
zweiten Förderweg, um den Wohnungsmarkt für die arbeitende Mitte zu | |
stabilisieren.“ Der Zuschuss könne Mietwohnungen in der mittleren | |
Preisklasse schaffen für Menschen mit mittlerem Einkommen. So würden auch | |
Haushalte aus der unteren und mittleren Einkommensschicht nicht um die | |
gleichen Wohnungen konkurrieren. | |
In Hamburg setzt man bereits auf diese Lösung. Hier gibt es | |
unterschiedliche Förderwege, für Menschen mit geringem Einkommen und | |
Menschen mit mittlerem Einkommen. Zudem sollen ab Herbst dieses Jahres | |
Sozialwohnungen mit einer 100-jährigen Mietpreisbindung entstehen. Dadurch | |
fallen Sozialwohnungen nicht so schnell aus dem System und es kann | |
längerfristig mit ihnen geplant werden. | |
## „keine einzige neue Wohnung“ | |
Rechtsanwalt Marc Meyer vom Verein „Mieter helfen Mietern“ in Hamburg, | |
sieht durch die Erhöhung der Einkommensgrenze in Niedersachsen einen | |
Vorteil für Menschen mit mittlerem Einkommen, merkt jedoch auch an, dass | |
„dadurch keine einzige neue Wohnung entsteht und der Konkurrenzdruck | |
steigt“. Hilfreich könnte sein, die Sozialbindung zu verlängern, wie es | |
auch in Hamburg geplant ist. | |
Auch der „Deutsche Mieterbund Hannover“ begrüßt die Erhöhung der | |
Einkommensgrenze, weist jedoch auch darauf hin, dass diese auf dem | |
aktuellen Wohnungsmarkt nicht unproblematisch sei. Durch die Erhöhung | |
würden mehr berechtigte Haushalte in die gleichbleibend wenigen | |
Sozialwohnungen drängen. Haushalte mit niedrigem Einkommen und Haushalte | |
mit mittlerem Einkommen würden dann um die wenigen Wohnungen konkurrieren. | |
Einig sind sich die Verbände darin, dass das grundsätzliche Problem | |
[3][fehlender Sozialwohnungen] anders gelöst werden muss als mit der | |
Erhöhung der Einkommensgrenze. Der Anspruch wird für viele Berechtigte auf | |
absehbare Zeit nicht durchsetzbar sein. | |
12 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Frida Schubert | |
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