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# taz.de -- Nicht verbotene rechte Gruppen: Ein deutsches Gruselkabinett
> Die rechtsextreme Gruppe „Combat 18“ wurde endlich verboten. Doch viele
> Organisationen vom rechten Rand sind weiterhin legal.
Bild: Verboten? Für extrem Rechte gibt es leider viele Alternativen
Von einer „klaren Botschaft“ sprach Horst Seehofer. Am Donnerstag hatte der
Bundesinnenminister die rechtsextremen Gruppe „Combat 18 Deutschland“ (C
18) [1][auf Grundlage des Vereinsgesetzes verboten]. „Rechtsextremismus und
Antisemitismus“ hätten in „unserer Gesellschaft keinen Platz“, begründe…
der CSU-Politiker seinen Schritt.
Eine späte Erkenntnis, und [2][kritische Stimmen fragen, warum das Verbot
erst jetzt erfolgte]. Schließlich gilt „Combat 18“ als militanter Arm des
rechten Netzwerks Blood & Honour, dessen Ableger in Deutschland bereits
2000 verboten wurde – während C 18, das gleichermaßen stark im
Rechtsrockspektrum agierte und Events organisierte, weiterwirken konnte.
An die 50 Personen soll C 18 in Deutschland verbunden haben. Ein Milieu, in
dem sich auch der im Fall des Kassler Regierungspräsidenten Walter Lübcke
als Attentäter Beschuldigte politisierte – und radikalisierte. Doch über
Jahre spielten das Innenministerium und der Bundesverfassungsschutz seine
Bedeutung für die rechtsextreme Szene herunter.
In der Pressemitteilung zu dem Verbot hebt das Bundesinnenministerium
hervor, dass bereits „das 18. Verbot einer rechtsextremen Vereinigung durch
einen Bundesinnenminister“ erfolgt sei. Ein Selbstlob, das vieles
ausblendet: etwa das Nichterfolgen des NPD-Verbots, das auch an den
V-Leuten der Geheimdienste scheiterte; und noch viel mehr, in welchem Maße
in Deutschland heute rechtsextreme Strukturen, hart ideologisch
ausgerichtet und stark radikalisiert, nicht verboten sind. Eine kleine,
unvollständige Auflistung von A bis W:
## „Aryan Circle“
In der Region um Bad Segeberg agiert seit Oktober 2019 der „Aryan Circle“.
Bernd Tödter, der ehemalige Vorsitzende des verbotenen Vereins Sturm 18 aus
Kassel, mobilisiert Jugendliche und junge Erwachsene für den sogenannten
Kampf um den Erhalt der weißen Rasse. Die Gruppe um den mehrfach
verurteilten Gewalttäter soll an die 20 Personen umfassen.
Das gleichnamige Vorbild ist 1985 in der USA aus einer Gefängnisgang
hervorgegangen und soll 1.400 Anhänger haben. Der Circle, der sich als
„rassenbewusste Gruppe“ versteht, die das Erbe und die Kultur der „weißen
Rasse“ erhalten will, gilt in den USA als kriminelle Organisation.
In Schleswig-Holstein klebten Mitglieder des Aryan Circle Aufkleber an die
Wohnung von Migranten und weiteren als „Feinde“ ausgemachten Personen und
liefen vor deren Haustür auf. Bei einer Klimamahnwache fotografierten sie
Kinder.
## „Atomwaffen Division Deutschland“
Ihr Auftritt in den sozialen Netzwerken wirkt überzeichnet: In einem Video
sagt ein Mann mit Totenmaske und Sonnenbrille, vor einer Hakenkreuzfahne
stehend: „Der Nationalsozialismus lebt, trotz einer ganzen Welt, die ihn
zerstören will“ und ruft auf: „Deutsche Freiheitskämpfer, folgt der
Atomwaffen Division!“
Seit Juni 2018 besteht die „Atomwaffen Division Deutschland“. Sie soll
knapp 40 Mitglieder haben. In den USA trat die rechtsterroristische Gruppe
erstmals 2015 auf. Ab 2017 töteten drei ihrer Mitglieder fünf Menschen. Die
deutsche Division drohte bereits Muslimen und Juden sowie Politikern mit
Ermordung. Unter anderem erhielten die Grünen-Politiker Caudia Roth und Cem
Özdemir Drohmails im Namen der Gruppe.
## „Brigade 8“
Im Stile eines Rockerclubs agiert die „Brigade 8“. Sie entstand in
Schleswig-Holstein und soll Chapter in Thüringen, Sachsen,
Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen unterhalten. Im Internet
zeigten sich die Anhänger gern mit Hitlergruß und präsentieren
Hakenkreuze. Die „Brigade 8“ ist tief im Rechtsrock-Spektrum verankert. Im
März 2019 wurde sie Teil des Netzwerks von „Combat 18“ – bei den Razzien
in Zuge des C-18-Verbots sollen allerdings keine ihrer Anhänger betroffen
gewesen sein.
## Die Rechte
Nach dem Ende der Deutschen Volksunion (DVU) im Jahr 2011 kam es
parteiintern zur Spaltung. Ein Teil der DVU-Mitglieder lehnte die geplante
Fusion mit der NPD ab. Zusammen mit Teilen der „Kameradschafts“-Szene
gründeten sie 2012 schließlich die Partei „Die Rechte“. Diese positioniert
sich noch weiter rechts als die NPD und propagiert eine deutsche
Volksgemeinschaft.
Ein personeller Zuwachs erfolgte nach Verboten von Kameradschaften, heute
hat Die Rechte rund 600 Mitglieder und Landesverbände in Baden-Württemberg,
Bayern, Berlin, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen,
Sachsen und Sachsen-Anhalt. In Dortmund, wo die Partei ein Stadtratsmandat
innehat, versuchten Anhänger 2014, die Wahlparty im Rathaus zu stürmen. Zur
Europawahl 2019 trat die Rechte mit der Holocaust-Leugnerin Ursula
Haverbeck als Spitzenkandidatin an und holte bundesweit 24.598 Stimmen.
## „Frontline“
Der Sicherheitsdienst tritt auf Konzerten und Festivals der Szene auf.
„Frontline“ ist eng mit „Combat 18“ und der „Arischen Bruderschaft“
verbunden. Die Bruderschaft wiederum entstand bereits 1999, mitbeteiligt
war damals der Rechtsrock-Label-Betreiber Thorsten Heise. Er führt sie bis
heute mit an und ist mittlerweile zudem einer der stellvertretender
Parteivorsitzenden der NPD.
## Gedächtnisstätte e. V.
Seit 28 Jahren besteht der von Holocaustleugnern gegründete Verein, bei der
Gründung dabei: Ursula Haverbeck. In Thüringen unterhält der Verein ein
Zentrum: 2014 eröffnete in Guthmannshausen im „Alten Rittergut“ die
„Gedächtnisstätte für die deutschen Opfer im Zweiten Weltkrieg“. Die
Räumlichkeiten nutzen verschiedene rechtsextreme Organisationen für
Tagungen und Veranstaltungen.
## „Kampf der Nibelungen“
Das Netzwerk richtet seit 2013 jährlich das Event „Kampf der Nibelungen“
aus, das von Mixed Martial Arts geprägt wird. 2018 kamen 850 Besucher. Der
vermeintliche Sportcharakter der Veranstaltung ist längst einer
rechtsextremen Kampfertüchtigung gewichen – gegen „Kulturfremde“. Das
Netzwerk wird führend getragen von einem Mitglied „Der Rechten“ und dem
russischen Inhaber einer Szene-Kampfsport-Marke, es ist außerdem eng mit C
18 verbunden.
## „Sturmvogel“
Ferienfahrten für Kinder und Jugendliche bietet der eng mit der
Identitären Bewegung verbandelte „Sturmvogel – deutscher Jugendbund“ an.
Gegründet hatten ihn 1987 Mitglieder der „Wiking Jugend“, die 1994
verboten wurde. Die NPD-Zeitung Deutsche Stimme warb 2006 für den
Sturmvogel, ein Holocaustleugner trat 2015 bei einem Sommerlager auf.
## Wohnheimverein vom Fäustle e. V.
2009 gründeten sieben Alte Herren der Münchner Burschenschaft Danubia den
Verein – [3][einer von ihnen ist] der heutige Hamburger
Bürgerschafsfraktionsvorsitzende der AfD, Alexander Wolf. Vereinszweck ist
es, den Unterhalt des Burschenschaftshauses abzusichern. Was hinter dessen
Mauern geschieht, interessiert auch den bayerischen Verfassungsschutz, der
die Danubia als rechtsextrem einstuft.
24 Jan 2020
## LINKS
[1] /Kampf-gegen-Rechtsextremismus/!5658992
[2] /Linke-Politikerin-ueber-Combat-18-Verbot/!5659008
[3] /Wie-ein-AfD-Politiker-Rechte-unterstuetzt/!5651302
## AUTOREN
Andreas Speit
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