# taz.de -- Haftstrafe für Rechtsextremisten: Wer das Gefängnis von innen sie… | |
> Der militante Rechtsextremist Bernd Tödter aus Bad Segeberg wurde zu | |
> einer fünfmonatigen Haftstrafe verurteilt. Er saß mehr als 13 Jahre im | |
> Knast. | |
Bild: Sitzt bald wieder hinter Gittern: Bernd Tödter | |
HAMBURG taz | Bernd Tödter kennt das schon. Gitter vor den Fenstern, | |
Besuchszeiten, Gefängnisessen. Das Amtsgericht Bad Segeberg hat den | |
militanten Rechtsextremen erneut zu einer Haftstrafe verurteilt. Dieses Mal | |
sind es fünf Monate, aber der 46-Jährige hat wegen meist politisch | |
motivierter Gewalt- und Straftaten schon mehr als 13 Jahre im Gefängnis | |
verbracht. | |
[1][Tödter ist der Initiator des „Aryan Circle Germany“ (AC)] in Bad | |
Segeberg. Bei dem aktuellen Prozess warf die Staatsanwaltschaft ihm | |
Körperverletzung, Bedrohung, Nötigung und Fahren ohne Führerschein vor: ein | |
Bündel an Verfehlungen aus 2019 und 2020. Bereits im Februar hatte der | |
Prozess begonnen. Die Verhandlung musste aber neu aufgenommen werden, weil | |
der Verteidiger plötzlich selbst im Fokus der Strafverfolgung stand. | |
Der Szene-Anwalt Dirk Waldschmidt kam wegen des Verdachts der Geldwäsche in | |
Haft. Die Verteidigung übernahm danach Angela Wierig. Die Hamburger | |
Anwältin verlor 2018 im NSU-Verfahren ihre Mandantin Ayşen Taşköprü als | |
Nebenklagevertreterin. Die Schwester des ermordeten Süleyman Taşköprü sah | |
sich von ihr hintergangen, als sie im Schlussplädoyer die Anklage eines | |
Beschuldigten anzweifelte und dem Vorwurf eines institutionellen Rassismus | |
widersprach. Kurz darauf [2][veröffentlichte Wierig ein Buch über den | |
Prozess mit demselben Tenor]. Sie rechnet darin etwa die seit den | |
90er-Jahren aus rassistischen Motiven Ermordeten gegen die Toten durch | |
„Ehrenmorde“ auf. | |
Im aktuellen Verfahren widersprach die Rechtsanwältin im Wesentlichen der | |
Anklage. Sie betonte vielmehr, dass von ihrem Mandanten ein falsches Image | |
in der Öffentlichkeit aufgebauscht werde. Das käme einer Vorverurteilung | |
gleich. Tödter selbst räumte vor Richter Philipp Mohr nur eine einmalige | |
Fahrt ohne Führerschein ein. Fehlende Beweise wegen Erinnerungslücken von | |
Zeug*innen und Rücknahmen von Aussagen ließen den Vorwurf der | |
Gewaltanwendung platzen. | |
## Richter geht nicht von Besserung aus | |
Bei Prozessbeobachter*innen entstand der Eindruck, dass einige | |
Zeug*innen eingeschüchtert gewesen sein könnten, schreibt der | |
Online-Informationsdienst „Blick nach rechts“. Dass Tödter dennoch zu einer | |
Haftstrafe verurteilt wurde, liegt an seinem Vorstrafenregister. Eine | |
Bewährungsstrafe hielt Richter Mohr für nicht tragbar – auch weil die | |
Sozialprognose des Angeklagten nicht erwarten ließe, „dass er keine | |
weiteren Straftaten begehen wird“. | |
Die politische Karriere und das militante Auftreten Tödters begannen früh. | |
Bereits 1993 prügelte er als 19-Jähriger mit seinem Cousin einen | |
Obdachlosen zu Tode. Er wurde zu zwei Jahren Haft verurteilt. Er zog nach | |
Kassel, führte die „Kameradschaft NordHessen“ und den „Sturm 18“ an. | |
Weitere Gefängnisaufenthalte folgten – auch wegen Vergewaltigung. | |
Im Mai 2016 musste er in Haft, weil er und weitere Anhänger des „Sturm 18“ | |
mehrere Personen misshandelt hatten. Ein Mann wurde auf Befehl des | |
gebürtigen Bad Segebergers eine Woche lang festgehalten und gequält. Nach | |
Haftentlassung kehrte Tödter in seine Geburtsstadt zurück und konnte hier | |
Jugendliche für den vermeintlichen Kampf um den „Erhalt der weißen Rasse“ | |
gewinnen. 2019 gründete er AC und sprach Schüler*innen an einem | |
Berufsbildungszentrum an, ein Hausverbot folgte. | |
Aus den Reihen des AC sollen Unterstützer*innen des Klimastreiks | |
bedroht, die Demoanmelderin zu Hause aufgesucht und zwei Personen | |
angegriffen worden sein, die Aufkleber mit rechtsextremen Parolen | |
entfernten. Im März 2020 ließ die Staatsanwaltschaft Flensburg die Wohnung | |
von Tödter und elf Mitbeschuldigten in Schleswig-Holstein, Niedersachen und | |
Hessen wegen des Vorwurfs der Bildung einer kriminellen Vereinigung | |
durchsuchen. | |
Das aktuelle Urteil kann noch angefochten werden. | |
1 Jul 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Neonazi-mobilisiert-in-Bad-Segeberg/!5628764 | |
[2] /Anwaeltin-schreibt-Buch-ueber-NSU-Prozess/!5480954 | |
## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
## TAGS | |
Kolumne Der rechte Rand | |
Rechtsextremismus | |
Haftstrafe | |
Schleswig-Holstein | |
Bad Segeberg | |
Rechtsextremismus | |
Combat 18 | |
Schwerpunkt Neonazis | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Rechtsextreme in Schleswig-Holstein: Razzien beim Arischen Kreis | |
Neonazis aus Schleswig-Holstein sollen eine kriminelle Vereinigung gebildet | |
haben. Ihr Anführer ist ein notorischer Gewalttäter. | |
Nicht verbotene rechte Gruppen: Ein deutsches Gruselkabinett | |
Die rechtsextreme Gruppe „Combat 18“ wurde endlich verboten. Doch viele | |
Organisationen vom rechten Rand sind weiterhin legal. | |
Alltag mit Neonazis in Bad Segeberg: Vergiftete Stimmung | |
In Bad Segeberg bedrohen Neonazis Bewohner*innen und versuchen, | |
Schüler*innen anzuwerben. Die Initiative „Segeberg bleibt bunt“ wehrt sich | |
dagegen. |