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# taz.de -- Politikerin über Umgang mit Drohmails: „Von der Polizei kam gar …
> Medine Yildiz (Die Linke) hat per Mail rechtsextreme Drohungen bekommen.
> Einschüchtern lässt sie sich nicht. Aber von der Polizei ist sie
> enttäuscht.
Bild: Hilft egen den Hass: Öffentlichkeit und Solidarität
taz: Frau Yildiz, warum haben Sie sich entschieden, öffentlich über die
Drohmail zu sprechen, die Sie bekommen haben?
Medine Yildiz: Ehrlich gesagt, wollte ich von Anfang an damit an die
Öffentlichkeit gehen. Die Polizei hatte mich etwas verunsichert.
Wie das?
Als ich Anzeige gestellt habe, haben die gesagt: An Ihrer Stelle würden wir
damit nicht nach draußen gehen. Also habe ich still gehalten, und mich mit
GenossInnen von der Linkspartei beraten. Schließlich hat aber die Polizei
selbst eine Mitteilung gemacht, in der eigentlich nur noch meine Hausnummer
fehlte: Da stand mein Alter, der Wohnort, dass ich Mitglied im
Landesvorstand der Linken bin….
Und deshalb gehen Sie jetzt an die Öffentlichkeit?
Nein, ich gehe an die Öffentlichkeit, weil ich wichtig finde, dass über
solche brutalen, gewalttätigen Briefen gesprochen wird. Denn es ist klar,
woher die kommen: Die Verfasser fühlen sich ermutigt von der AfD. Deren
aggressive Sprache motiviert psychisch gestörte Leute, solche Mails zu
schreiben.
Sie haben die Absender Feiglinge genannt…
Ja. Das sind Feiglinge. Wenn sie keine Feiglinge wären, würden sie nicht
einer 57-jährigen Frau schreiben, wir erschießen dich von hinten. Wenn die
Mut hätten, sollten sie sich mir gegenüberstellen und mir mal erklären,
warum sie mich so dringend erschießen wollen. Aber von so etwas lasse ich
mich nicht einschüchtern: Ich bin eine geborene Linke – und ich werde im
Gegenteil noch mehr für linke Politik kämpfen und gegen Rechts
mobilisieren.
Sie haben schon als Kind politisch gekämpft?
Das habe ich. Um aufs Gymnasium zu dürfen, musste ich drei Tage
Hungerstreik machen. Erst dann ließ mein Vater mich gehen. Denn die
Grundschule hatte ich besuchen dürfen, weil mein Onkel dort Lehrer war.
Aber dass es danach noch weitergeht, war nicht gewollt, obwohl ich aus
einer alevitischen Familie stamme: Die gelten ja als fortschrittlicher.
Aber das ist auch nur eine Verallgemeinerung.
Sie sind Atheistin...
...aber in einer alevitischen Kultur aufgewachsen. Das ist keine Religion,
sondern eher eine Philosophie, eine Art, zu leben – in der ursrprünglichen
Form sogar eine sozialistische Art zu leben.
...und eine Minderheit im muslimischen Umfeld.
Ich war jedenfalls immer im Widerstand. Und jetzt soll ich mich von so
einem Psychopathen einschüchtern lassen? Kommt nicht in Frage!
Sie haben als junge Frau in der Türkei auch die Gewaltpolitik des
[1][Militärputschs von 1980] erlebt. Hilft das, mit Bedrohungen umzugehen?
Naja, schon meine Vorfahren waren [2][als Aleviten verfolgt]. Ich bin also
in einer Familie aufgewachsen, die Bedrohung gewohnt war. Und es ist zwar
die dümmste und brutalste Drohung, die ich je erhalten habe, aber längst
nicht meine erste. Schon im Gymnasium bin ich gewarnt worden: Wenn du nicht
mit deiner Politik aufhörst, schmeißen wir dich raus. Hat mich auch nicht
beeindruckt. Ich musste schon als Kleinkind um mein Leben kämpfen, da
hatten alle gedacht ich wäre zu schwach und unterernährt, und würde
sterben. Die haben sich geirrt.
Die Sprache der Mail ist [3][irre]: Da ist die förmliche Anrede „Sehr
geehrte Frau Yildiz“ und dann kommen Gewaltfantasien. Ist das zum Lachen
oder beunruhigend?
Es ist beides. Klar sind das Verrückte, die so etwas machen. Es sind auch
dumme Menschen: Es sind Rechtschreibfehler in der Mail, die sogar ich auf
den ersten Blick sehe, als Migrantin. Mit meiner Tochter habe ich auch über
diese Anrede gelacht: höflich anfangen und dann mit Mord enden, was ist das
denn?! Keiner mit einem gesunden Menschenverstand würde eine solche Mail
schreiben. Aber es beunruhigt auch, denn wir wissen ja alle: Der Mann, der
in Hanau neun Migranten ermordet hat, war auch psychisch gestört.
Das macht's nicht besser?
Nein, wirklich nicht. Was mir geholfen hat, war, zu wissen, dass es eine
[4][regelrechte Kampagne] ist, an mehrere Personen und Vereine geschickt.
Das macht es noch einmal wichtiger, darüber zu sprechen?
Eben. Und es ist wichtig für die Statistik, damit festgehalten wird, wie
gewalttätig die Rechte ist. Es haben ja viele diese Hufeisen-Theorie im
Kopf, nach der rechts wie links ist, und beides schlimm. Aber Linke
schreiben solche Mails nicht.
Die Sprache der Mail stammt aus rechtsextremen Netzwerken: Haben wir
Möglichkeiten, die zu zerstören oder wenigstens zu stören?
Was heißt hier wir? Ich persönlich leider nicht. Hätte ich zwar gerne, und
dann würde ich die auch sofort zerstören. Habe ich aber nicht. Und
[5][dafür gibt es einen Rechtsstaat]. Der sollte sich darum kümmern. Wenn
der sich darauf zurückzieht, dass er das nicht könne, finde ich das
ziemlich lächerlich. Aber leider hat die Polizei da von Anfang an wenig
Engagement gezeigt.
Sie fühlen sich von der Polizei nicht ausreichend unterstützt?
Nein. Also: wirklich nicht. Nicht wegen des Beamten, der meine Anzeige
aufgenommen hat. Der hat schon Mitgefühl gezeigt und so weiter. Aber darum
geht’s ja nicht. Vermittelt worden ist mir: Da wird nicht viel bei
rauskommen, und dass ich eigentlich nur auf die Einstellung durch die
Staatsanwaltschaft warten könne. Na, wozu mache ich dann eine Anzeige?
Hätte mir nicht unsere Fraktionsvorsitzende [6][Sofia Leonidakis] gesagt:
Medine, geh’ sofort zum [7][Meldeamt] und mach’ eine
[8][Adress-Auskunftssperre], hätte ich von dieser Möglichkeit nicht
erfahren.
Das hat die Polizei nicht gesagt?
Von der Polizei kam da gar nichts, nein. Sofia hat sich rührend gekümmert
und sehr viele von der Partei haben telefonisch oder per Mail oder Whatsapp
gefragt, was sie tun können. Diese Solidarität tut gut, auch wenn ich da
nur habe sagen können: herzlichen Dank, aber ihr könnt nicht Wache halten
vor meinem Haus. Von der Polizei bin ich dagegen vollkommen enttäuscht.
Und, das mag an meiner Geschichte liegen, dass ich aus einem Staat komme in
dem die Polizei brutal war und menschenverachtend: Ich hatte sowieso nicht
viel von ihr erwartet.
19 Mar 2020
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Milit%C3%A4rputsch_in_der_T%C3%BCrkei_1980
[2] https://www.bpb.de/internationales/europa/tuerkei/184986/die-aleviten#footn…
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Schizotypische_Pers%C3%B6nlichkeitsst%C3%B6ru…
[4] /Drohmails-gegen-Politiker/!5669540
[5] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1128054.cem-oezdemir-harte-strafen…
[6] https://www.linksfraktion-bremen.de/fraktion/abgeordnete-und-deputierte/leo…
[7] https://www.service.bremen.de/sixcms/detail.php?gsid=bremen128.c.673067.de
[8] https://www.gesetze-im-internet.de/bmg/__51.html
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
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