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# taz.de -- Kriminalisierung von Klimaktivist*innen: Wen schützt der Verfassun…
> Klimaschutzgruppen werden vom Verfassungsschutz wie Rechtsextremisten
> behandelt. Undemokratisch sind aber die Strukturen unserer Gesellschaft.
Bild: Aktivist*innen von Ende Gelände
Im Mai 2020 hat der Verfassungsschutz Berlin die lokale Ortsgruppe von Ende
Gelände [1][als linksextrem eingestuft]. Daraufhin brach eine Debatte über
Sinn und Unsinn der Behörde los. Macht der Verfassungsschutz, was der Name
verspricht?
Die kurze Antwort darauf lautet: nein. Die lange auch, aber mit deutlich
mehr schockierenden Details.
Der Verfassungsschutz (VS) schreibt sich auf die Fahne, die freiheitlich
demokratische Grundordnung (fdGO) zu schützen. Dass Schutz gute Gründe
haben kann, leuchtet wahrscheinlich recht schnell ein, wenn man an rechte
Vernetzungen innerhalb der Bundeswehr denkt, die sich bewaffnet auf einen
(politischen) Tag X vorbereiten. Allerdings sieht der VS die Bedrohung für
die fdGO nicht (nur) bei Nazis, sondern eben auch in
Klimagerechtigkeitsgruppen wie Ende Gelände.
Das liegt an der theoretischen Basis des Verfassungsschutzes: der
Extremismustheorie, von der die Hufeisentheorie eine der bekanntesten
Ausarbeitungen ist. Hufeisen deswegen, weil der Theorie zufolge politische
Meinungen in links, Mitte und rechts einzuteilen sind, wobei die Mitte als
klarer Orientierungspunkt gilt, und die äußeren Ränder nicht mehr
inhaltlich zu sehen sind, sondern nur noch in ihren Extremen – wodurch sie
sich annähern. Dadurch entsteht die Form eines Hufeisens und auch eine
große Dummheit.
## Erschreckende Gleichsetzung
Mit der Hufeisentheorie wird gesagt, dass eine Ideologie, in der Menschen
nach Hautfarbe hierarchisiert werden und die nationale Abgrenzung als
Lösung aller Probleme ansieht, Ähnlichkeiten mit einer Ideologie hat, die
Gleichheit, Freiheit und ein gutes Leben für alle anstrebt.
In der Praxis sieht das Ganze noch erschreckender aus. Man kann nur
mutmaßen, ob die Morde des NSU erst ermöglicht wurden durch die Zuschüttung
der rechten Szene mit Geldern durch V-Männer.
Nur mutmaßen auch, weil der VS in manchen Bundesländern im Rahmen der
Ermittlungen die „Aktion Konfetti“ durchführte und den Großteil der
Unterlagen zum NSU schredderte.
Die Geschehnisse rund um den NSU sind wahrscheinlich das schockierendste
Beispiel von der Bedrohung, die der VS selbst für unsere Demokratie
darstellt, allerdings zeigen Personen wie Hans-Georg Maaßen, der ehemalige
Präsident des VS, dass der VS immer wieder durch rechte Strukturen und
Meinungen auffällt.
Der Kampf für Klimagerechtigkeit, der durch die Einstufung als
„linksextrem“ kriminalisiert wurde, und somit delegitimiert werden sollte,
ist nicht extrem, sondern notwendig. In einer Zeit, [2][in der täglich
Hitzerekorde] und neue Dürren verkündet werden und in der der globale
Norden systematisch seinen klimaschädlichen Lebensstil auf Kosten des
globalen Südens auslebt, muss dafür gekämpft werden, dass genau dieses
System überwunden wird.
Ganz einfach deshalb, weil das wirtschaftliche System, in dem wir leben,
auf Ausbeutung und unendlichen Wachstum beruht, was mit unseren endlichen
Ressourcen nicht möglich ist.
[3][Diesen System Change], den die Bewegung fordert, als undemokratisch
darzustellen, unterstellt nicht nur, dass Antikapitalismus auch
antidemokratisch wäre; sondern es ignoriert die zutiefst antidemokratischen
Strukturen unserer kapitalistischen Gesellschaft, in der Interessen von
Konzernen (zum Beispiel in der Kohleindustrie) über die der Bevölkerung
gestellt werden.
Diese intendierte Vermischung von Kapitalismus und Demokratie
kriminalisiert den Kampf für ein gutes Leben für alle, für ein
solidarisches, nachhaltiges und eben auch zutiefst demokratisches
Zusammenleben.
25 Sep 2020
## LINKS
[1] /Ende-Gelaende-im-Verfassungsschutzbericht/!5685153
[2] /Weltmeteorologieorganisation-warnt/!5671345
[3] https://systemchange-not-climatechange.at/de/blog/
## AUTOREN
Ronja Weil
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