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# taz.de -- Human Rights Watch zu China: „Supergau für die Menschenrechte“
> Die Organisation wirft Peking vor, Menschenrechte brutalst zu
> unterdrücken. Die internationale Politik hat die Situation sogar noch
> verschlimmert.
Bild: Hongkong, 22. Dezember 2019: Solidarität mit der uigurischen Minderheit …
BERLIN taz | Die Volksrepublik China durchlebt unter ihrem Präsidenten Xi
Jinping derzeit „die durchdringendste und brutalste Unterdrückung seit
Jahrzehnten“. Zu diesem Fazit kommt Kenneth Roth, der Geschäftsführer der
internationalen Menschenrechtsorganisationen Human Rights Watch (HRW), im
Schwerpunktkapitel des [1][Jahresberichts 2020] seiner Organisation. Er
stellte ihn am Dienstag in New York vor.
Eigentlich wollte Roth den 650-Seiten-Bericht mit Passagen über mehr als
100 Länder in Chinas Sonderverwaltungsregion Hongkong persönlich
präsentieren. Doch [2][die chinesischen Behörden ließen ihn dort nicht
einreisen] und bestätigten damit seinen verheerenden Befund.
HRW hat in der autonom regierten Stadt, die bisher als recht liberal galt,
seit Jahren ein Büro, das Roth schon mehrfach besuchte. Doch jetzt wurde
ihm die [3][Einreise mit der nachgeschobenen Begründung verweigert], HRW
stecke hinter der seit Monaten anhaltenden Protestbewegung. Diese wehrt
sich genau gegen jene zunehmende Einmischung Pekings in Hongkongs Politik
und [4][die Aufweichung des Autonomieprinzips „ein Land, zwei Systeme“].
„Die chinesische Regierung betrachtet die Menschenrechte als existenzielle
Bedrohung“, so Roth. „Offenbar aus Sorge, die Gewährung politischer
Freiheiten könne ihren Machterhalt gefährden, hat die Kommunistische Partei
in China einen hochtechnisierten orwellschen Überwachungsstaat geschaffen“,
heißt es im Bericht.
Bei der Vorstellung in New York meldete sich auch ein chinesischer Diplomat
der dortigen UN-Mission zu Wort. „Wir können den Inhalt dieses Berichts nur
zurückweisen“, sagte er laut dpa. Der Bericht enthalte Vorurteile und
Erfindungen. Wer nicht erwähne, dass China in den letzten Jahrzehnten 700
Millionen Menschen aus der Armut geführt habe, dürfe sich nicht
Menschenrechtsorganisation nennen. Zu Roth direkt sagte er: „Angesichts
dessen, was Sie gesagt haben, denke ich, dass es allen klar ist, warum
Ihnen der Zutritt [nach Hongkong] verwehrt wurde.“ Roth forderte den
Diplomaten auf, konkret zu sagen, was an den Vorwürfen falsch sei. Der ging
darauf nicht ein.
Auch Trump schwächt Menschenrechte
Roth wirft dem Regime die Schwächung internationaler Menschenrechtsnormen
und -institutionen vor. Doch werde Peking dies auch von anderen
erleichtert: „Staatschefs wie US-Präsident Donald Trump, Indiens
Premierminister Narendra Modi oder der brasilianische Präsident Jair
Bolsonaro sträuben sich gegen dasselbe internationale Gesetzeswerk, das
auch von China untergraben wird“, so Roth.
Viele Regierungen, die bislang wenigstens teilweise verlässliche
Verteidiger der Menschenrechte gewesen seien, hätten sich laut HRW
weitgehend von ihnen abgewendet. Als ein Beispiel wird die EU genannt, die
durch den Brexit abgelenkt, durch Nationalismus gespalten und Uneinigkeit
in Migrationsfragen behindert werde.
Enttäuscht ist HRW auch von den 57 Mitgliedstaaten der Organisation für
Islamische Kooperation (OIC). Die hätten zwar die ethnischen Säuberungen
gegen die muslimische Rohingya-Minderheit in Myanmar kritisiert, die
[5][massive Unterdrückung der Minderheit der muslimischen Uiguren] in China
aber opportunistisch als „Fürsorge für seine muslimischen Bürger“ gelobt.
Viele Autokraten blickten laut HRW sogar neidvoll auf Chinas verführerische
Mixtur aus wirtschaftlichem Erfolg, rasanter Modernisierung und scheinbar
gefestigter politischer Macht. China werde deshalb sogar hofiert.
## Starke Wirtschaft stärkt Diktatur
„Tatsächlich hat die Kommunistische Partei gezeigt, dass wirtschaftliches
Wachstum eine Diktatur stärken kann, in dem es ihr die nötigen Mittel zur
Durchsetzung ihrer Herrschaft bereitstellt und sie in die Lage versetzt,
die Kosten des Machterhalts zu bezahlen“, bilanziert der Bericht.
Roth geht darin auch mit zwei von westlichen Regierungen gern propagierten
China-Strategien – „Wandel durch Handel“ und „stille Diplomatie“ – …
Gericht. Ersteres habe bei ausländischen Unternehmen dazu geführt, dass
diese sich jetzt auch außerhalb Chinas selbst zensierten. „Die Vorstellung,
die Unterdrückung unabhängiger Stimmen ende an Chinas Grenzen, ist
obsolet“, so Roth.
Und wer behaupte, er brächte in Peking Chinas Menschenrechtsbilanz unter
vier Augen zur Sprache, müsse sich fragen lassen, „inwieweit das
chinesische Volk – der wichtigste Motor des Wandels – sie überhaupt hören
kann“.
Chinesische Politiker müssten vielmehr öffentlich für ihre Unterdrückung
zur Rede gestellt werden – um den Preis des Unrechts zu erhöhen und die
Opfer zu bestärken, fordert Roth.
## „Den Preis des Unrechts erhöhen“
„Die chinesischen Amtsträger sollten zu spüren bekommen, dass sie niemals
zu Ansehen gelangen werden, solange sie ihre Bevölkerung verfolgen“, so
Roth. Chinesische Beamte, die direkt an der massenhaften Internierung von
Uiguren beteiligt seien, sollten zu Personae non gratae erklärt werden.
Der Bericht zeigt deutlich, dass die bisherige Menschenrechtspolitik
gegenüber Peking nicht nur weitgehend gescheitert ist, sondern das Thema
Menschenrechte im Umgang mit China von der internationalen Tagesordnung
weitgehend verschwunden ist.
15 Jan 2020
## LINKS
[1] https://www.hrw.org/world-report/2020
[2] https://www.hrw.org/news/2020/01/12/hong-kong-bars-human-rights-watch-head
[3] /Chef-von-Human-Rights-Watch/!5655357
[4] /Menschenrechte-in-Hongkong/!5629286
[5] /Unterdrueckung-der-Uiguren/!5642685
## AUTOREN
Sven Hansen
## TAGS
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