# taz.de -- Demokratiebewegung in Hongkong: Aktivisten boykottieren Pekingfans | |
> Hongkongs Wirtschaft spaltet sich in ein regierungsfreundliches und ein | |
> prodemokratisches Lager. Das wirkt sich auch auf die Konjunktur aus. | |
Bild: Er soll nur in „gelben“ Geschäften einkaufen: Demonstrant Anfang Jan… | |
HONGKONG taz | Ming steht am Tresen seines Cafés [1][in Hongkong]. Hinter | |
ihm hängen Poster mit prodemokratischen Slogans, an der Wand daneben viele | |
Post-its mit Unterstützungsbotschaften. Neben der Kasse steht ein großes | |
Glas voller Geldscheine – Spenden für die Protestbewegung. | |
Das Café, in dem Ming als Geschäftsführer arbeitet, ist Teil der | |
sogenannten gelben Wirtschaft, das heißt von Geschäften, die offen | |
Hongkongs Demokratiebewegung unterstützen. Im traditionell chinesischen | |
Stadtteil North Point ist es eines von wenigen. | |
Nach sieben Monaten fast täglicher Antiregierungsdemonstrationen ist | |
Hongkongs Wirtschaft farbcodiert und tief gespalten in pekingfreundliche | |
und offen prodemokratische Geschäfte. Das wirkt sich auch auf Hongkongs | |
Wirtschaft aus, die nach den monatelangen Protesten ohnehin schon leidet. | |
Im dritten Quartal – also noch vor der Coronavirus-Epidemie – rutschte die | |
Stadt in eine Rezession. Die oft gewalttätigen Zusammenstöße haben zu einem | |
Einbruch der Touristenzahlen geführt und beeinträchtigten auch den | |
Geschäftsbetrieb und Konsum. | |
## „Blaue“ Unternehmen leiden | |
Vergangene Woche stufte die Ratingagentur Moody’s die Kreditwürdigkeit der | |
Finanzmetropole herab und kritisierte den Umgang der Regierung mit den | |
Protesten. Der Internationale Währungsfonds warnte letzten Monat, eine | |
Verschlechterung der Situation könne die Wirtschaft weiter schwächen. | |
Prodemokratische Aktivisten haben es sich angewöhnt, die politische Haltung | |
von Restaurants und Geschäften zu überprüfen, bevor sie sich für einen | |
Besuch entscheiden. | |
Elaine, die in einer Werbeagentur arbeitet, sagt, sie habe aufgehört, | |
öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, und fahre nur noch mit dem Fahrrad, | |
weil sie der Hongkonger Regierung kein Geld geben wolle. „Wenn ihr uns | |
nicht unterstützt, wieso sollten wir euch unterstützen?“, fragt sie. | |
Die Idee der „gelben Wirtschaft“ ist, dass Aktivisten Restaurants und | |
Unternehmen auswählen, die ihre prodemokratische Bewegung unterstützen, | |
und „blaue“ Unternehmen, die der Regierung und Polizei nahestehen, | |
boykottieren. Die Farbe Gelb nimmt auf die Regenschirmrevolution von 2014 | |
Bezug. | |
„Manche meiner Kunden sagen: In meinem Leben gibt es kein Blau mehr, alles | |
ist jetzt gelb“, berichtet Ming, der nicht seinen vollen Namen nennen will. | |
Er selbst versuche sein Bestes, aber es sei schwierig, „blaue Unternehmen“ | |
hundertprozentig zu meiden. | |
Wie viele andere „gelbe Geschäfte“ hat Mings Café seit Beginn der Proteste | |
im Juni Kunden hinzugewonnen. „Bei manchen Läden steht jetzt eine Schlange | |
um den Block, obwohl sie vorher nicht sehr beliebt waren“, sagt der | |
Geschäftsführer. | |
„Blaue Unternehmen“ hat es dagegen hart getroffen. Die pekingfreundliche | |
Fulum-Restaurant-Gruppe verzeichnete für das Halbjahr bis Ende September | |
vergangenen Jahres einen Verlust von mehreren Millionen Euro, im | |
Vorjahreszeitraum hatte das Unternehmen noch Gewinn gemacht. | |
Die Restaurantkette Maxim’s, die unter anderem Starbucks-Cafés in Hongkong | |
betreibt, wird oft zum Ziel von Vandalismus, seit die Tochter des | |
Mitgründers die Demonstranten als „Randalierer“ bezeichnet hat. | |
Laut South China Morning Post sagte der Vorsitzende in einem internen | |
Schreiben an Mitarbeiter, dass das Arbeitsumfeld infolge der sozialen | |
Unruhen und der schlechten Wirtschaftslage schwierig geworden sei. | |
Ming glaubt, die Einstellung der Aktivisten sei teilweise zu streng | |
geworden. „Einige sagen, ich komme nur noch, wenn ihr überhaupt keine | |
Produkte aus China mehr verwendet.“ Die Frage sei jetzt, ob ein Laden „gelb | |
genug“ sei. „Wir sollten unser Bestes versuchen, aber nicht so extrem“, | |
sagt Ming. „Leben ist Leben.“ | |
30 Jan 2020 | |
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## AUTOREN | |
Max Bernhard | |
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