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# taz.de -- Gegen Chinas wachsenden Einfluss: „Hongkongs Tod wird beschleunig…
> Zwei Gesetze treiben Hongkongs Demokratiebewegung auf die Straße. Doch
> mit den einigen hundert Demonstranten hat die Polizei leichtes Spiel.
Bild: Vor Hongkongs Parlament am Mittwoch: Polizei bedrängt zwei Schüler, die…
PEKING taz | Ein Großaufgebot von Polizisten hatte die Demonstranten
erwartet. Als Hunderte Aktivisten im Stadtteil Central Sprechchöre
anstimmten, fackelte der verlängerte Arm des Staats nicht lange. Mit
Pfeffermunition schossen die Sicherheitskräfte auf die schwarz vermummten
Demonstranten und nahmen 15 von ihnen fest. Noch ehe die Proteste begonnen
konnten, waren sie schon aufgelöst.
Dass am Mittwoch erneut Hunderte Demonstranten auf die Straßen zogen, hatte
mit der Parlamentsanhörung eines umstrittenen Gesetzes der Lokalregierung
zu tun: Es soll den „Missbrauch“ der chinesischen Nationalhymne künftig
unter Strafe stellen. Hongkongern, die den „Marsch der Freiwilligen“
genannte Hymne beleidigen, drohen bis zu drei Jahre Haft.
Doch ein noch umstritteneres Vorhaben stammt von der Zentralregierung in
Peking, die derzeit beim [1][Nationalen Volkskongress] tagt. Dort werden
die Kader der Kommunistischen Partei (KP) wohl am Donnerstag über ein
nationales Sicherheitsgesetz für Hongkong abstimmen.
Das Gesetz stellt „subversive“ und „separatistische“ Aktivitäten unter
Strafe. Gerichtet ist es gegen das prodemokratische Lager, dessen
Abgeordnete es als [2][„Ende Hongkongs“] und seiner [3][Autonomie]
bezeichnen. Zumal die KP damit künftig eigene Sicherheitskräfte in Hongkong
einsetzen kann.
## Angst davor, wie andere Städte Chinas zu sein
„Natürlich kann man nicht sagen, dass es das Ende Hongkongs ist, aber für
mich persönlich wird dessen Tod beschleunigt“, sagt der Sozialarbeiter
Lemon Fok. Der 34-Jährige beschreibt sich als moderater Anhänger der
Protestbewegung: „Noch haben wir mehr Freiheiten, aber bald werden wir
genau wie andere chinesische Städte sein.“
Unter seinen Bekannten herrsche eine Mischung aus Trauer, Wut und
Enttäuschung. „[4][Die KP ist immer aggressiver im Umgang mit Hongkong].
Wir hoffen auf Interventionen aus dem Ausland, auch wenn ich nur schwer die
Intentionen dahinter einschätzen kann“, sagt Fok.
Ausgerechnet auf US-Präsident Donald Trump liegen die Hoffnungen der
Hongkonger Zivilgesellschaft. Der zeigte sich „verärgert“ über Peking und
kündigte eine „starke Reaktion“ an, ohne sie zu benennen. Spekuliert wird
über das Einfrieren von Konten chinesischer Regierungsvertreter,
Einreiseverbote oder gar direkte Sanktionen.
Womöglich könnte Washington auch Hongkongs besonderen Handelsstatus, der
die Sonderverwaltungszone von Strafzöllen befreit und sensible
Technikimporte erlaubt, beenden.
## US-Druck könnte zu globaler Rezession führen
Der Konflikt zwischen den zwei größten Volkswirtschaften könnte die globale
Rezession verschärfen. Doch wird Trump kurz vor der Präsidentschaftswahl in
den USA eine Verschärfung der Rezession riskieren? Schon jetzt schlagen
sich die Spannungen auch an der Börse nieder: Ein Dollar wurde am Mittwoch
mit 7,1734 Yuan bewertet, der tiefste Stand seit September, als der
US-chinesische Handelskrieg eskalierte.
In China und seinen sozialen Medien ist die Nachricht relativ
untergegangen. Vielleicht wollten die Zensurbehörden das Thema nicht zu
groß werden lassen. Fast alle Online-Kommentare begrüßen jedoch die neuen
Gesetze für Hongkong.
Zu den 15 festgenommenen Demonstranten meinte ein Nutzer: „Die Leute haben
die Strafe verdient! In dieser speziellen Zeit machen sie weiterhin
Probleme. Die Hongkonger Polizei tut mir leid. Ich hoffe, die neuen Gesetze
werden so schnell wie möglich umgesetzt.“
Der bekannte Immobilien-Mogul Li Jiacheng sagt in einem Interview zum
Sicherheitsgesetz: „Es wird positiv für die stabile, langfristige
Entwicklung Hongkongs sein. Die Leute sollten nicht überreagieren: Jedes
Land hat die Autorität, seine Sicherheit zu schützen.“
Für viele Hongkonger ist es dagegen ein Angriff auf ihre Freiheit. „Das
Prinzip ‚ein Land, zwei Systeme‘ bedeutet, dass Hongkong für seine eigenen
Angelegenheiten verantwortlich ist. Aber China hat viele Regeln in den
letzten Jahren umgangen“, sagt der 36-jährige Leo Wong.
Er hat Hongkong schon für seine Promotion in Deutschland verlassen und
arbeitet nun in Österreich in einer IT-Firma: „Bislang haben meist große
Proteste die kontroversen Vorstöße Chinas im Zaum gehalten, aber mit dem
neuen Gesetz fällt das letzte Stück der Zurückhaltung.“
## Erwartungen an Europa
Für ihn waren die Proteste letztes Jahr ein Weckruf: „Ich war immer
neutral, dachte, Kompromiss und Respekt gegenüber Peking sei der richtige
Weg. Seit letztem Jahr glaube ich nicht mehr daran.“ Wenn er heute aus der
Ferne die Proteste verfolge, fühle er Wut und Ohnmacht, selbst kaum helfen
zu können, aber auch Stolz: „Die Bewegung hat uns geeint. Viele Dinge haben
wir erreicht, die niemand für möglich gehalten hat.“
Vor allem von Europa erwartet er Unterstützung: „Europa ist stolz auf seine
Freiheit und Menschenrechte. Doch wenn die Zeit gekommen ist, gegen Chinas
Aggressionen aufzustehen, ist Europa nahezu stumm.“
27 May 2020
## LINKS
[1] /Eskalation-bei-Protesten-gegen-Peking/!5684748
[2] /Pekings-Gesetz-zu-Hongkong/!5684772
[3] /Chinas-Nationaler-Volkskongress-tagt/!5684410
[4] /Verschleppter-Buchhaendler-aus-Hongkong/!5680970
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
Hongkong
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