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# taz.de -- Buchhändler aus Hongkong: Für zehn Jahre hinter Gitter
> China verurteilt Peking-Kritiker Gui Minhai. In seinem Buchladen hatte er
> sensible Publikationen verkauft. Für Hongkong ist er eine Schlüsselfigur.
Bild: Versuch, ein Foto des Hongkonger Buchhändlers Gui Minhai am Regierungssi…
PEKING taz | Der Fall Gui Minhai zeigt erneut, [1][wie schlecht es um
Chinas Rechtsstaat steht]: Seit zwei Jahren schon sitzt der Buchhändler im
Gefängnis, ohne von seinen Familienangehörigen besucht werden zu können. Am
Dienstag nun gab das Mittlere Volksgericht in der ostchinesischen
Küstenstadt Ningbo in einer kleinen Onlinenotiz still und heimlich seine
Verurteilung bekannt: Zehn Jahre soll der 55-Jährige hinter Gitter landen.
Zudem werden ihm für fünf Jahre seine politischen Rechte entzogen.
Zur Begründung hieß es, der Beschuldigte habe „illegal Geheimdokumente an
ausländische Staaten weitergegeben“. Belege dafür legte das Gericht nicht
vor, chinesische Medien berichten ebenso wenig.
Im Oktober 2015 wurde Gui Minhai, der seit fast 25 Jahren die schwedische
Staatsbürgerschaft besitzt, schlagartig bekannt. Aus seiner Ferienwohnung
im thailändischen Pattaya ist er spurlos verschwunden. Mutmaßlich hatte ihn
der chinesische Geheimdienst entführt, so wie vier weitere Buchhändler.
Ihnen ist gemein, dass sie ihren Wohnsitz in Hongkong hatten – und dort
politisch sensible Publikationen verkauften. Als Schlüsselfigur galt Gui
Minhai: Der Miteigentümer des Verlags Mighty Current soll unter anderem ein
unveröffentlichtes Manuskript besessen haben, das sich um eine mutmaßliche
außereheliche Affäre von Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping dreht.
## Dicke Luft bei Schweden und China
Das Kidnapping der Buchhändler öffnete damals vielen Hongkongern die Augen:
Schließlich hatte Peking selten so drastisch versucht, seinen [2][Einfluss
auch auf die frühere britische Kolonie] auszuweiten. Bis 2047, so hatte es
Peking schließlich im Übergabevertrag garantiert, gelte das Prinzip „ein
Land, zwei Systeme“. Hongkong dürfe demnach seine Sonderrechte behalten.
Nach einer kurzen Zeit unter Hausarrest in seiner Heimatstadt Ningbo wurde
Gui schließlich 2018 erneut verhaftet: In Begleitung zweier schwedischer
Diplomaten saß er im Hochgeschwindigkeitszug nach Peking, wo er sich in
Schwedens Botschaft auf eine Nervenkrankheit untersuchen lassen und
mutmaßlich ausreisen wollte. Auf halber Strecke nahmen ihn jedoch mehrere
Personen in Zivil fest.
Wenige Tage später gab er chinesische Medien ein offenbar unter Druck
entstandenes Interview: Darin warf er unter anderem Schwedens Regierung
vor, als politische „Schachfigur“ gegen China eingesetzt zu werden.
Seitdem ist das Verhältnis zwischen beiden Ländern extrem belastet. In
diplomatischen Kreisen heißt es, dass Schweden seinen vergleichsweise
weichen Kurs gegenüber China nach Gui Minhais erster Entführung bereuen
würde. Nach der zweiten Festnahme zeigte Stockholm dann Kante: Chinas
Botschafter wurde umgehend einbestellt, später bekam der in Haft sitzende
Buchhändler in Abwesenheit den schwedischen Kurt Tucholsky Preis verliehen.
## Urteil im Geheimen
Menschenrechtsorganisationen kritisieren Gui Minhais Verurteilung aufs
heftigste. „Gui wurde scheinbar im Geheimen vor Gericht gestellt und
verurteilt, ohne Chance auf einen fairen Prozess“, sagt Patrick Poon,
China-Forscher von Amnesty International: „Solange China keine konkreten,
glaubhaften und zulässigen Beweise vorlegen kann, muss er unverzüglich und
ohne Bedingungen freigelassen werden.“
Dabei bleiben viele Ungereimtheiten offen: Zum einen heißt es in der
Urteilsverkündung, dass Gui Minhai auf eigenen Wunsch die chinesische
Staatsbürgerschaft wiedererlangt – und damit seine schwedische
Staatsbürgerschaft aufgegeben – habe. Auch heißt es, der 55-Jährige werde
das Urteil ohne Berufung annehmen.
25 Feb 2020
## LINKS
[1] /Human-Rights-Watch-zu-China/!5655416
[2] /2019--Jahr-der-Proteste/!5653116
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
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Xi Jinping
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