# taz.de -- Refurbisher über viele neue Smartphones: „Eine Katastrophe fürs… | |
> Lieber aufbereiten statt wegschmeißen, fordert Kilian Kaminski. Er hat | |
> sich auf den Handel mit gebrauchten Elektrogeräten spezialisiert. | |
Bild: Es muss nicht immer nagelneu sein | |
taz: Herr Kaminski, mit welchem Handy telefonieren Sie gerade? | |
Kilian Kaminski: Mit einem aufbereiteten Iphone 7, das zwei Jahre alt ist. | |
Das Mikrofon und der Home-Button funktionierten nicht mehr, ein darauf | |
spezialisiertes Unternehmen tauschte die kaputten Teile daraufhin aus. | |
Einer unserer Partner-Händler hat mir das Produkt dann günstiger verkauft, | |
obwohl es wie ein Neugerät funktioniert. | |
Genau das ist das [1][Geschäftsmodell Ihrer Plattform]: Sie bieten | |
refurbishte, also aufbereitete Elektronikgeräte von Händlern an. Warum sind | |
aufbereitete Elektroartikel nachhaltiger als der Kauf eines neuen | |
Elektrogerätes? | |
Weil beim Aufbereiten kein neues Produkt gebaut werden muss. Damit setzt | |
man weniger CO2 frei und spart Rohstoffe ein, die für die Produktion | |
benötigt werden. Für ein durchschnittliches Smartphone ergibt sich für den | |
gesamten Lebenszyklus etwa eine CO2-Emission von circa 47 Kilogramm. Bei | |
einem modernen Handy kommen seltene Erden, Gold, Kupfer und weitere Metalle | |
hinzu. Jedes Jahr ein neues Smartphone zu kaufen ist eine Katastrophe für | |
das Klima. | |
Welche Bauteile werden beim Refurbishen ausgetauscht? | |
Das hängt vom Gerätetyp ab, wir verkaufen ja unterschiedliche Sachen wie | |
Smartphones, Notebooks und Staubsauger. Bei Iphones wechseln unsere | |
Händler*innen häufig den Home-Button, weil der mit Abstand am meisten | |
gedrückt wird. Daneben werden vereinzelt noch Kameras, Bildschirme oder | |
Gehäuse ausgetauscht, durchschnittlich zwei Teile pro Gerät. Der äußere | |
Zustand ist dabei ein wichtiges Verkaufsargument. Manche Handys haben | |
leichte Gebrauchsspuren wie Kratzer, die aber nur auf der Rückseite und | |
nicht auf dem Display sein dürfen. Viele Kund*innen kaufen auch bewusst | |
Smartphones mit Kratzern, weil sie eh eine Schutzhülle nutzen, und können | |
dann noch mal beim Kaufpreis sparen. | |
Einige Hersteller bauen ihre Laptops und Smartphones so, dass die Bauteile | |
nicht ausgetauscht werden können: Sie verkleben Akkus und verlöten die | |
Hauptplatinen. Was tun? | |
Da gibt es viele Hilfsmittel. Unsere Partner*innen verfügen über | |
ähnliche Werkzeuge wie in den Produktionsstätten in Asien und den USA. Dort | |
herrscht Laboratmosphäre, weiße Kittel rennen umher, Leute tragen Haarnetze | |
und es ist absolut staubfrei. Mit speziellen Kleberentfernern lassen sich | |
etwa Akkus herauslösen und austauschen. Das hat nichts mit den klassischen | |
Schrauberwerkstätten am Hauptbahnhof zu tun. | |
Ab [2][wann lohnt es sich nicht mehr], ein Gerät aufzubereiten? | |
Wenn bei einem Produkt zu viele Komponenten kaputt sind, es keine | |
Ersatzteile mehr gibt oder die Software nicht mehr vom Hersteller | |
unterstützt wird. Auf alten Smartphones wie dem ersten Iphone von 2007 | |
laufen viele Apps nicht mehr, sie sind dann für Kund*innen unattraktiv | |
und werden recycelt. Bei vielen älteren Haushaltsgeräten gibt es in der | |
Regel Ersatzteile. Neuere nutzen häufig billige Plastikteile, die die | |
Reparatur erschweren. | |
Apropos Haushaltsgeräte: Viele sind neuerdings online und damit ebenfalls | |
von Software-Updates abhängig. Die Konsequenz: Ein smartes Thermostat | |
funktioniert nach einem Update beispielsweise nicht mehr richtig. Ist das | |
für Refurbisher ein Problem? | |
Ja, denn wenn Produkte nicht richtig funktionieren, können wir sie auch | |
nicht auf unserer Website anbieten. Daher finden wir es gut, dass die | |
EU-Kommission Hersteller künftig dazu verpflichten will, Ersatzteile und | |
Softwareupdates länger zu liefern. Denn aktuell ist es sehr schwer, gegen | |
fehlende Updates etwas zu unternehmen. Eigene Software zu entwickeln wäre | |
sehr aufwändig. | |
Wie gelangen Sie an die Produkte? | |
Durch Händler und mehr als 70 Refurbish-Unternehmen, mit denen wir | |
europaweit zusammenarbeiten. Die bekommen die gebrauchten Geräte meist von | |
großen Firmen, die ihre Laptops und Smartphones alle paar Jahre gegen | |
neuere Versionen austauschen. Und die wollen die “alten“ Geräte dann ja | |
wieder möglichst günstig loswerden. Unsere Partnerhändler bekommen dann | |
etwa eine große Kiste, in denen mehrere tausend neue, gebrauchte und ein | |
paar kaputte Smartphones liegen, sagen wir je zu einem Durchschnittspreis | |
von 200 Euro. Kaputte Handys, bei denen man viele Bauteile austauschen | |
müsste, schickt der Händler zum Recycling, der Rest wird durch Ersatzteile | |
aufbereitet und verkauft. | |
Wie nachhaltig ist das Recycling dieser Elektrogeräte? | |
Viele moderne Recyclinghöfe können Produkte wie Smartphones vollständig | |
verwerten. Sie werden dann in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt: der Akku | |
wird entfernt und entsorgt, der Rest eingeschmolzen, um Gold, Kobalt und | |
andere Rohstoffe wiederzuverwerten. Das Problem ist meines Erachtens nicht | |
die Effizienz des Recyclings, sondern dass es für Unternehmen teilweise | |
günstiger ist, [3][ihre Altgeräte in afrikanische Länder] wie Ghana zu | |
exportieren, als sie zu recyceln. Wir haben es bisher aber von noch keinem | |
unserer Händler gehört, dass er Elektroschrott nach Afrika exportiert. | |
Diese illegalen Exporte wären aufgrund der Kontrollen auch sehr schwierig. | |
Darf jeder Händler bei Ihnen verkaufen? | |
Nein, wir setzen hohe Qualitätsstandards voraus. Händler durchlaufen bei | |
uns einen Bewerbungsprozess, bei dem wir ihre Aufbereitungsqualität und den | |
Service überprüfen. Angebotene Geräte müssen nicht brandneu sein, aber | |
einwandfrei funktionieren und dürfen keinen Nachteil gegenüber Neuprodukten | |
haben. Wir bieten etwa das Samsung Galaxy S5 an, das schon fast sechs Jahre | |
alt ist. Bei der Akkuleistung gehen wir einen Kompromiss ein: Da Akkus am | |
Anfang sehr schnell an Leistung verlieren und das am wenigsten nachhaltige | |
Bauteil in Elektrogeräten sind, müssen sie bei uns nur mindestens 80 | |
Prozent Leistung bringen. Würden wir auf volle 100 Prozent bestehen, wäre | |
unsere Öko-Bilanz deutlich schlechter, da wir ständig neue Akkus kaufen | |
müssten. | |
Was verdienen Sie mit Ihrer Plattform? | |
Sagen wir, einer unserer Partner bietet auf unserer Website ein Iphone 7 | |
mit 32 Gigabyte Speicher für 270 Euro an. Wir bekommen von der | |
Verkaufssumme einen Anteil von circa 10 Prozent, in dem Fall also 27 Euro. | |
Laut einer Studie des Branchenverbands Bitkom lagerten 2018 noch 120 | |
Millionen Handys in deutschen Schubladen. Wäre es sinnvoll, wenn | |
Privatkunden ihre alte Technik bei Ihnen einschicken könnten? | |
Das stimmt. Deswegen arbeiten wir auch an einem Konzept, dass Kund*innen | |
ihre Handys und andere Geräte an einen unserer Partner*innen verkaufen | |
können und dafür Geld bekommen, um den Kreislauf komplett zu schließen. | |
Firmen wie Samsung, Apple oder Google leben davon, dass sie ihren | |
Kund*innen möglichst viele Neugeräte verkaufen. Was sagt die große | |
Konkurrenz zu Ihrem Geschäft? | |
Im Moment ist Refurbishment verglichen mit dem Elektronik-Neumarkt nur ein | |
winzig kleiner Teil im Promillebereich. Da gab es bislang noch keine | |
Rückfragen, auch andere Hersteller haben sich nicht beschwert. | |
Gleichzeitig sind sie als Refurbish-Marktplatz von den Großen abhängig. | |
Denn wenn die nicht mehr so viele Neugeräte produzieren, haben sie weniger | |
Produkte zum wiederaufbereiten und verdienen weniger Geld. Wird das | |
irgendwann zum Problem für Sie? | |
Grundsätzlich sehe ich da absolut kein Problem. Dafür sind die Zahlen bei | |
Neuprodukten einfach zu groß. Apple hat etwa im dritten Quartal des | |
vergangenen Jahres weltweit rund 46,6 Millionen neue Iphones verkauft. Es | |
gibt noch einiges zu refurbishen. | |
13 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.refurbed.de/ | |
[2] /Abfallwirtschaft-am-Limit/!5624590 | |
[3] /Elektroschrott-in-Afrika/!5098603 | |
## AUTOREN | |
Denis Giessler | |
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