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# taz.de -- Abfallwirtschaft am Limit: Brenzlige Situation beim Müll
> In deutschen Müllverbrennungsöfen landet zu viel Abfall, der eigentlich
> recycelt oder kompostiert werden sollte. Die Kapazitäten sind darum
> erschöpft.
Bild: Rund 26 Millionen Tonnen Abfall werden in Deutschland jährlich verbrannt
Berlin taz | Die Zahlen sind alarmierend: Um 60 Prozent hat die Firma
Scholz Recycling aus dem baden-württembergischen Esslingen die
Recyclingkapazitäten ihrer Anlage am Standort Leipzig gedrosselt; auch der
Wettbewerber TSR Recycling hat seine Kapazitäten heruntergefahren; in
Brandenburg hat das Tochterunternehmen des Entsorgungskonzerns Remondis die
Mengen der Altfahrzeugkarossen, die es zu Recyclingrohstoffen aufbereitet,
um bis zu 70 Prozent reduziert.
Die Schrottrecycler Scholz und TSR leiden unter anderem unter den schlecht
sortierten Abfällen in den Restmülltonnen. Wieso das? Zu viel Abfall landet
in den Öfen, der eigentlich recycelt oder kompostiert werden müsste. Das
verstopft die Anlagen. Etwa 26 Millionen Tonnen jährlich können die
Müllverbrennungsanlagen, Zement- oder Kohlekraftwerke laut einer aktuellen
Studie des Nabu in Deutschland aufnehmen.
„Die Anlagen unserer Mitglieder sind derzeit quasi zu 100 Prozent
ausgelastet“, sagt Carsten Spohn, Geschäftsführer des Branchenverbandes
Itad – der Interessengemeinschaft der thermischen Abfallbehandler in
Deutschland. Gesichert sei die Entsorgung der Restmülltonne sowie der
Gewerbemüll zur Beseitigung, sagt Spohn, weil hier Kapazitäten vorgehalten
werden.
Doch wer etwa Agrarfolien, Sortierrückstände aus dem Gelben Sack oder
Kunststoffe aus dem Elektroschrott-Recycling an Verbrennungsanlagen abgeben
will, „wird vielfach auf Annahmebeschränkungen stoßen“, so Spohn. Wird die
Entsorgung zu teuer oder der Lagerplatz zu knapp, wird weniger verarbeitet
– siehe Scholz und TSR.
## Zu viel Müll in Europa
„Der Handel funktioniert nicht mehr“, sagt Holger Alwast, Experte für
Abfallwirtschaft. „Vielleicht hat er nie funktioniert, und wir haben es nur
nicht gemerkt.“ Seit China und viele weitere ostasiatische Länder [1][ihre
Märkte für unsortierte Abfälle geschlossen haben], bleiben diese in Europa.
Großbritannien exportiert große Mengen Abfall auf den Kontinent; die
Niederlande wissen nicht mehr, wohin mit ihrem Müll, vor allem, seitdem
eine große Verbrennungsanlage in Amsterdam ausgefallen ist. Nun erwägt das
Land einen Importstopp. Und auch in Deutschland gibt es die Forderung,
weniger Abfall ins Land zu lassen.
Über Importbeschränkungen müsse man zumindest nachdenken, heißt es aus dem
Recycling-Verband bvse in Bonn. Das könne den Markt immerhin kurzfristig
entlasten. Hauptproblem sei aber die Restmülltonne. Für ihren Inhalt sind
die Müllverbrennungsanlagen da, doch sie würden „immer noch durch große
Mengen Bioabfälle blockiert“, kritisiert bvse-Hauptgeschäftsführer Eric
Rehbock.
Es könne nicht angehen, dass Kapazitätsengpässe, Überlagerung und hohe
Preise aufgrund mangelnder Befolgung der Gesetze durch die öffentliche Hand
die gewerbliche Wirtschaft und die Entsorgungsbranche belasten. Im
Klartext: Weil die Kommunen nicht dafür sorgen, dass Bioabfall in
Kompostieranlagen landet, zahlen die Unternehmen drauf. Tatsächlich
twitterte der Abfallwirtschaftsbetrieb München kürzlich, in seinen
Restmülltonnen fänden sich noch rund 40 Prozent organischen Abfalls, und
verzierten die Nachricht mit einem schmerzgeplagten Gesicht.
„Wir müssen jetzt lernen, mit unserem Müll hierzulande fertig zu werden“,
sagt Günter Dehoust vom Öko-Institut. Für den Umweltverband Nabu hat er,
zusammen mit Alwast, [2][die Nabu-Studie zur Müllverbrennung in
Deutschland] verfasst. Ergebnis im Kern: Auch wenn die Anlagen derzeit voll
sind, gibt es mittel- bis langfristig die Möglichkeit, Kapazitäten zu
senken. Dies solle berücksichtigt werden, bevor neue Anlagen gebaut oder
alte modernisiert werden.
Dafür sei es notwendig, an vielen Stellschrauben zu drehen, um Abfall zu
vermeiden; so müsse etwa Sperrmüll getrennt erfasst werden, Importe
vermieden und Abfall konsequent recycelt werden, sagt Michael Jedelhauser
vom Nabu. Dafür sei eine Rezyklateinsatz-Quote wichtig. Also alle Kraft
voraus hin zur Kreislaufwirtschaft. So sieht es derzeit aber nicht aus:
Laut Umweltbundesamt wurden 2017 so wenig Getränke in Mehrwegflaschen
verkauft wie nie zuvor.
20 Sep 2019
## LINKS
[1] /Nach-Chinas-Importstopp/!5481577
[2] https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/abfall-und-recycling/verbrennung/…
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
## TAGS
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