Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Wissenschaft und Gesellschaft: Großes Vertrauen
> Das neue „Wissenschaftsbarometer“ zeigt: Der Graben zwischen der
> Wissenschaft und der Gesellschaft ist nicht sehr tief.
Bild: Die Wetterextreme nehmen zu, so wie es Wissenschaftler vorausgesagt haben
Berlin taz | Hoch die Transparente! Die Deutschen sind damit einverstanden,
dass Wissenschaftler ihres Landes nicht nur das Klima erforschen, sondern
sich zu seinem Schutz auch politisch engagieren. Das ist ein Ergebnis des
jüngsten [1][„Wissenschaftsbarometers“] zum Verhältnis von Gesellschaft u…
Wissenschaft, das erstmals auch die Meinung zur [2][Forscherbeteiligung bei
Fridays for Future] erfragte.
So waren drei Viertel der insgesamt 1.017 repräsentativ befragten Bürger ab
14 Jahren der Meinung, „dass sich Wissenschaftler öffentlich äußern sollen,
wenn politische Entscheidungen Forschungsergebnisse nicht berücksichtigen“.
50 Prozent meinten, dass es „auch die Aufgabe von Wissenschaftlern“ sei,
„sich in die Politik einzumischen“. Allerdings waren auch 29 Prozent gegen
ein solches politisches Mandat.
Jährlich lässt die [3][Kommunikationsplattform „Wissenschaft im Dialog“
(WID),] die von den führenden deutschen Wissenschaftsorganisationen
getragen wird, in einer großen Meinungsumfrage durch die Demoskopiefirma
Kantar Emnid der Bevölkerung den Puls fühlen: Wie stehst du zur
Wissenschaft? 22 Fragen standen in diesem Jahr auf dem Programm; der
Auswertungsbericht bietet auf seinen 484 Seiten vertiefte Einblicke, wie
Generationen, Regionen, Bildungsschichten und Parteianhänger zur Arbeit der
Menschen in Hochschulen und Forschungslaboren stehen.
Eine Basiszahl der Wissenschaftsnation Deutschland lautet 13. 5 Prozent
der Deutschen arbeiten derzeit im Wissenschaftssystem, und 8 Prozent hatten
dort früher einmal eine Beschäftigung. 85 Prozent indes antworteten: „Nein,
ich habe noch nie in Wissenschaft und Forschung gearbeitet.“
Dafür ist das Interesse an den Abläufen in der akademischen Welt und den
dort produzierten Erkenntnissen durchaus vorhanden. Großes Interesse an
Themen aus Wissenschaft und Forschung bekunden 59 Prozent der Bundesbürger.
Zum Vergleich: Für Politik interessieren sich 53 Prozent und für Kultur 49
Prozent der Befragten. Allerdings ist das Interesse auch nicht wachsend,
sondern bewegt sich seit Jahren an der Grenze zu 60 Prozent.
## Unterschiedliche Prioritäten
Bei den Themen besteht das größte Interesse an der Medizin (73 Prozent),
gefolgt von den Naturwissenschaften (66), neuen Technologien (56) sowie
Sozial- und Geisteswissenschaften (50). Bei der Frage, in welchen Bereichen
stärker als bisher geforscht werden sollte, hat sich das Themenfeld Klima
und Energie mit 41 Prozent der Nennungen jetzt auf Platz eins geschoben,
vor Gesundheit und Ernährung mit 39 Prozent. Hier ist es in der
Feinauswertung erstaunlich, dass die Westdeutschen mit 42 Prozent die
Klimaforschung an erste Stelle setzen, während für die Ostdeutschen mit 46
Prozent die Gesundheitsforschung Priorität haben sollte.
Auch bei den Generationen tritt diese Spaltung auf. Noch krasser ist das
Votum vor dem Hintergrund der parteipolitischen Präferenzen. So wollen die
SPD-Anhänger zu 52 Prozent mehr Klimaforschung, während Gesundheit nur auf
32 Prozent kommt. Bei den Wählern von CDU und CSU ist das Verhältnis mit
32:44 genau andersherum.
An den Rändern wird es noch extremer: Die Linke-Anhänger wollen mit dem
Topwert von 66 Prozent am meisten Klimaforschung, während das nur 17
Prozent der AfD-Fans wünschen, der absolute Minimumwert. Es folgen im
Themenranking abgeschlagen Mobilität und Verkehr (8 Prozent) sowie
Sicherheit (7), während sich für das Hypethema Kommunikation und
Digitalisierung erstaunlicherweise nur 4 Prozent der Bürger mehr Forschung
wünschen.
Zentrale Größe für die Akzeptanz von Wissenschaft ist das Vertrauen, das
ihr die Bevölkerung entgegenbringt. Der Vergleich verschiedener
gesellschaftlicher Gruppen ergab, dass die Wissenschaftler in den
öffentlichen Einrichtungen wie staatlichen Hochschulen und
Forschungsorganisationen mit 55 Prozent das höchste Vertrauen genießen. Die
Forscher in der Wirtschaft, wo nicht der gesellschaftliche Nutzen, sondern
die kommerzielle Verwertung von Wissenschaft dominiert, kommen mit 30
Prozent auf einen bescheideneren Vertrauenswert. Den würden sich aber
Journalisten und Politiker auch gerne wünschen, die im Vergleich mit 18
beziehungsweise 17 Prozent das geringste Bürgervertrauen zugesprochen
bekamen.
Insgesamt lässt sich aus dem diesjährigen Ergebnis keine Spaltung zwischen
Wissenschaft und Gesellschaft ablesen. „Seit dem ersten
Wissenschaftsbarometer 2014 bewertet eine weitestgehend stabile Mehrheit
von 60 bis 70 Prozent der Befragten den Nutzen von Wissenschaft und
Forschung positiv“, schreiben die Autoren. Die Zahl der dezidierten
Wissenschaftsskeptiker („schadet mehr als sie nützt“) ist zwar von 11 auf 9
Prozent geschrumpft. Gleichwohl sollte Beachtung finden, dass die Zahl der
Indifferenten, die keine Meinung zum Wissenschaftsnutzen haben, inzwischen
auf 28 Prozent angestiegen und damit so hoch wie noch nie ist. Alle
Anstrengungen der Wissenschaftskommunikation fruchten offenbar nur
begrenzt.
Diese Sachlage ist wahrscheinlich auch einem weiteren Faktor im Vorfeld der
Wissenschaft anzulasten: dem Schulsystem. Obwohl zu erkennen.sich in den
vergangenen Jahren gerade in der außerschulischen Wissenschaftsvorbereitung
einiges getan hat – Stichworte „Haus der kleinen Forscher“ und
Jugendforschungszentren –, erstaunt es doch, dass den Satz: „In der Schule
wird oder wurde mir vermittelt, wie Wissenschaft und Forschung
funktionieren“, nur 30 Prozent bejahten. Das lässt auf einen dringenden
Verbesserungsbedarf im Austausch zwischen dem sekundären und dem tertiären
Bildungssektor schließen. Noch eine Schul-Aufgabe neben Pisa.
Als „bemerkenswert“ registriert WID, „dass sich rund jeder Zweite mehr
Teilhabe an Wissenschaft und vielleicht sogar Zusammenarbeit mit Forschern
wünscht“. 49 Prozent der Befragten würden gerne einmal in einem
wissenschaftlichen Projekt mitforschen; vor zwei Jahren lag dieser Wert
noch bei 40 Prozent – was eine Wirkung der in Deutschland noch jungen
Bewegung der [4][„Bürgerforschung“ (citizen science)] sein könnte.
„Offensichtlich wollen viele Menschen mit Forschenden ins Gespräch kommen
und mehr über deren Arbeitsweise erfahren“, kommentierte Katrin
Rehak-Nitsche, die in der [5][Robert-Bosch-Stiftung] den Bereich
Wissenschaft leitet. „Das ist eine große Chance, die die
Wissenschaftsgemeinde nutzen sollte, um ihre Werte und Methoden möglichst
vielen gesellschaftlichen Gruppen näherzubringen.“
Hilfreich wäre wahrscheinlich auch ein weniger weichgespültes
Befragungsdesign. Erneut wurden auch in diesem Jahr kritische Themen des
gesellschaftlichen Wissenschaftsdiskurses – wie etwa das Verhältnis zur
grünen Gentechnik oder dem [6][CRISPR/Cas-]Einsatz in der Medizin ist, bis
hin zu den ethischen Implikationen der künstlichen Intelligenz – außen vor
gelassen. Themen wie die [7][Homöopathie-] und die Impfdebatte, die die
Grünen derzeit in Wallung bringen, sollten auf dem nächsten
Wissenschaftsfragebogen nicht fehlen. Vielleicht sollte der auch von einem
weniger wissenschaftsaffinen Ausrichter der Befragung erstellt werden.
7 Dec 2019
## LINKS
[1] https://www.wissenschaft-im-dialog.de/projekte/wissenschaftsbarometer/wisse…
[2] /Fridays-und-Scientists-for-Future/!5615730
[3] /BMBF-und-Wissenschaftskommunikation/!5640262
[4] /Buergerforschung-im-Wandel/!5543190
[5] https://www.bosch-stiftung.de/de
[6] /Richter-entscheiden-ueber-Kennzeichnung/!5519732
[7] /Die-Gruenen-und-die-umstrittenen-Pillen/!5645243
## AUTOREN
Manfred Ronzheimer
## TAGS
Wissenschaftsbarometer
Wissenschaftskommunikation
Wisskomm
Akzeptanz
Umfrage
Wissenschaftsbarometer
Wissenschaftsbarometer
Wissenschaftsbarometer
Bundestag
Wissenschaftskommunikation
Schwerpunkt Fridays For Future
Schwerpunkt Klimawandel
Klimakonferenz COP25
Wissenschaftskommunikation
Umfrage
Wissenschaftskommunikation
## ARTIKEL ZUM THEMA
Wissenschaft und Corona: Eine laute Minderheit
Eine Mehrheit der Bevölkerung vertraut der Wissenschaft und Forschung. Mit
der Coronapandemie ist das Vertrauen sogar noch gewachsen.
Wissenschaft und Gesellschaft: Die Zweifler werden mehr
Das gute Image der Wissenschaft schwindet wieder. Ein Umfrage zeigt: Nur
noch 60 Prozent der Bevölkerung haben „volles Vertrauen“.
Wissenschaft untersucht sich: Leistungsgerechtigkeit verbesserbar
Akademiker geben dem Wissenschaftssystem fast durchgehend gute Noten. Nur
in einigen Bereichen müsse etwas nachgesteuert werden.
Wissenschaftsjournalismus in Coronakrise: Plötzlich systemrelevant
Corona zeigt, wie wichtig Wissenschaftsjournalismus ist. Über dessen
Zukunft berät nun der Forschungsausschuss des Bundestags.
Defizite der Wissenschaftskommunikation: Widerspruch gehört dazu
Expertise von Wissenschaftlern ist derzeit gefragt. Der Fall „Corona“ zeigt
aber, dass nicht vermittelt werden konnte, wie Wissenschaft funktioniert.
Linksliberale und Identitätspolitik: „Wir verkämpfen uns an falschen Fronte…
Ist die Linke am Rechtsruck schuld? Ein Streitgespräch zwischen Naika
Foroutan und Wolfgang Merkel über Kosmopolitismus, Privilegien und
Klimafragen.
Dänemark legt beim Klimaschutz vor: So geht Klimagesetz
Dänemark will den CO2-Ausstoß bis 2030 um 70 Prozent reduzieren, bis 2050
klimaneutral sein. Und es schafft auch die Rahmenbedingungen dafür
Weltklimagipfel in Madrid: Aktivismus ist anderswo
Die erste Woche des Weltklimagipfels geht mit Protesten zu Ende. Wie
erwartet gibt es bisher keine nennenswerten Fortschritte.
BMBF und Wissenschaftskommunikation: Raus aus dem Elfenbeinturm
Wissenschaftskommunikation soll Chefsache werden. Und um ihre Arbeiten
vorzustellen, sollen Wissenschaftler vermehrt in die Öffentlichkeit gehen.
Umfrage zur Akzeptanz von Forschung: Kritische Bereiche ausgeblendet
Das Wissenschaftsbarometer zeichnet nur ein Teil des Stimmungsbildes. Nach
umstrittenen Forschungen wie Grüner Gentechnik wurde nicht gefragt.
Öffentlichkeit in der Wissenschaft: Lust auf Zukunft und Gestaltung
Wissenschaftskommunikation gehört an den Unis zu den expandierenden
Bereichen. Zunehmend wird versucht, den „Bürger“ direkt zu erreichen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.