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# taz.de -- Informatiker über Streamingdienst: „Streaming ist zu billig“
> Google startet seinen Streamingdienst für Games. Der Informatiker Peter
> Sanders erforscht, wie Algorithmen den wachsenden Strombedarf bändigen
> können.
Bild: Google steigt in den Gaming-Markt ein – und braucht künftig noch mehr …
taz: Herr Sanders, das [1][Energieunternehmen Eon schätzt], dass Streaming
weltweit rund 200 Milliarden Kilowattstunden Strom pro Jahr verbraucht. Das
ist so viel, wie alle Privathaushalte in Deutschland, Italien und Polen im
Jahr zusammen benötigen. Warum ist das Internet [2][so stromhungrig]?
Peter Sanders: Weil es immer wichtiger wird. Die Nutzungsdauer in unserem
Alltag ist in den letzten Jahren immens gestiegen. Wir erschließen neue
Bereiche. Geräte laufen länger, und gleichzeitig nutzen wir Dienste, die
hohe Bandbreiten erfordern wie eben [3][Videostreaming-Dienste]. Und dann
braucht ja nicht nur die Software Strom.
Was denn noch?
Die IT-Infrastruktur von [4][Rechenzentren]. Dort stehen die Server, die
unsere Inhalte bereitstellen und im Gegensatz zu unseren eigenen Geräten zu
Hause rund um die Uhr in Betrieb sind. Besonders Videostreaming-Dienste mit
großen Bandbreiten wie [5][Netflix] oder [6][Google Stadia] verbrauchen
viel Strom. Hinzu kommt die Herstellung der Geräte wie [7][Smartphones]
oder Fernseher. Dabei verbrauchen sie Strom für die Rechenleistung und
komplexe Kühlsysteme. Und je größer die Bildschirme sind, desto größer muss
die Bandbreite sein und umso mehr Strom wird im Rechenzentrum verbraucht.
Nun basiert jede Software auf [8][Algorithmen]. Wofür braucht man die
überhaupt?
Nehmen wir an, ein Start-up will eine App entwickeln, die berechnet, welche
Hochzeitsgäste an den Tischen am besten miteinander harmonieren. Bei einer
großen Hochzeitsgesellschaft gibt es da ja Milliarden von Möglichkeiten. Um
das möglichst schnell zu berechnen, brauchen sie Algorithmen.
Also eine Art Kochrezept, das in vielen Einzelschritten Regeln vorgibt.
Etwa: Schneiden Sie ein Kilo Kartoffeln in kleine Würfel und geben Sie sie
anschließend ins Wasser.
Exakt. Und unser Gehirn, das das Kochrezept befolgt und umsetzt, wäre dann
die fertige Software. Jedenfalls, dieses Start-up möchte mit seiner Idee
nun möglichst schnell auf den Markt drängen und Profit machen. Da werden
die Programmiererinnen und Programmierer möglichst schnell etwas zum Laufen
bringen, aber nicht unbedingt darauf achten, dass das auch energieeffizient
ist. Und wenn kleine Unternehmen mit diesen notdürftig zusammengebauten
Programmen rasch wachsen, verbrauchen sie später Unmengen an Strom.
Und da kommen Sie ins Spiel.
Ja. Wenn sich Unternehmen ans uns wenden, schlagen wir manchmal die Hände
überm Kopf zusammen, so schlecht sind die Programme von manchen Firmen
gebaut. Mit geschickten Maßnahmen haben wir die Rechenzeit von Software
schon um bis zu sechs Größenordnungen verringert, also um den Faktor eine
Million. Die Ladezeiten bei der Hochzeits-App wären dann quasi nur noch ein
Bruchteil so lang wie zuvor.
Und verbraucht dementsprechend auch weniger Strom. Was ermöglicht die
schnellere Rechenzeit noch?
Sie können dann völlig neue Anwendungsgebiete und Funktionen erschließen.
[9][Google] hatte gemeinsam mit einigen unserer Absolventen seinen
Routenplaner [10][Google Maps] effizienter designt. So kam dann das
Verschieben von Routen und Vorschläge zu alternativen Strecken in Echtzeit
hinzu. Das geht nur, wenn die Routenplanung sehr schnell ist. Und mit der
höheren Effizienz sinkt nicht nur der Energieverbrauch der App, sondern
auch der [11][CO2-Verbrauch] der Autos, die Google Maps nutzen.
Zumindest bei einem Tech-Riesen wie Google würde man doch erwarten, dass er
seine Programme schon so effizient wie möglich designt.
Google lässt sich da nur ganz selten in die Karten schauen. Ich vermute,
dass es bei den Google-Anwendungen das gesamte Spektrum gibt. Die
Suchmaschine oder YouTube werden stark optimiert sein. Denn sie haben ja
auch ein Interesse daran, Kosten zu sparen und mit neuen Funktionen mehr
Kunden zu gewinnen. Bei der Routenplanung war es aber beispielsweise nicht
so. Auch heute wird es bei Google-Software sicherlich noch
Optimierungspotenzial geben.
Wenn selbst bei milliardenschweren Unternehmen wie Google noch
Optimierungspotenzial besteht: Können sich kleine Unternehmen diese höhere
Effizienz überhaupt leisten?
Das geht, und zwar mit den richtigen Programmierwerkzeugen. Es gibt
beispielsweise [12][frei verfügbare Software], die schon sehr effizient
gebaut und für jeden Zweck einsetzbar ist. Aber Firmen müssen diese freie
Software auch nutzen, und aktuell passiert das viel zu wenig. Womöglich,
weil sich Entwicklerinnen und Entwickler des Stromverbrauchs überhaupt
nicht bewusst sind. Im Zweifel steht dann eher ein neues Rechenzentrum in
der Landschaft.
Nun ist es so, dass Effizienzsteigerungen in der Vergangenheit häufig dazu
geführt haben, dass die Ersparnis durch den Mehrverbrauch wieder
zunichtegemacht wurde – der sogenannte [13][Rebound-Effekt]. Mehr noch: Die
Dampfmaschine ermöglichte es etwa, Kohle viel effizienter zu verbrennen als
zuvor. Aber dadurch kam der Kohleverbrauch erst richtig in Schwung.
Sind Effizienzsteigerungen auf lange Sicht also nicht der falsche Weg?
Das ist sehr schwer zu sagen. Sicherlich ist es so, dass manche Unternehmen
Einsparungen dafür nutzen würden, um Funktionen einzubauen, die womöglich
gar nicht sinnvoll wären – also etwa besonders hohe Auflösungen bei
Streaming-Diensten, die dann nur noch mehr Strom benötigen. Beim
Spielestreaming-Dienst Stadia werden künftig die Datenträger und
Verpackungen eingespart, und es braucht weniger Hardware für PCs und
Konsolen. Dafür wird in den Rechenzentren zusätzlicher Strom verbraucht,
wenn mehr Menschen spielen, die zuvor nicht die notwendige Technik besaßen.
Aber generell ist die Bilanz zwischen Einsparungen und dem Neuverbrauch
sehr schwer zu messen.
Trotzdem: Wäre es nicht besser, statt immer effizienter zu werden, einfach
seltener Streaming-Dienste zu nutzen?
Dafür müssten User erst mal wissen, [14][dass Video-Streaming Unmengen an
Strom in Rechenzentren verbraucht]. Die Politik sollte hier Vorgaben
machen.
Und was genau? Regulieren? Höchstens noch drei Folgen Netflix pro Woche?
Nein, von so etwas halte ich absolut nichts. [15][Eine CO2-Bepreisung]
könnte helfen, denn Streaming ist zu billig. Der Energieverbrauch würde
dann zwar nicht sinken, Streaming aber teurer werden. Helfen könnte auch
eine Zertifizierung von Software, ähnlich wie bei der
Energieeffizienzklasse von Kühlschränken. Also, dass etwa Netflix ein
A++-Dienst ist, weil er Ökostrom nutzt und die [16][Server-Abwärme ins
Fernwärmenetz einspeist].
Auf Streaming-Dienste zu verzichten wird also nicht mehr gehen?
Ziemlich sicher nicht. Was wir aber ändern könnten, ist das
Finanzierungsmodell des Web.
Sie meinen, dass das Internet künftig nicht mehr umsonst sein soll?
Abgesehen von den Provider-Kosten.
Genau. Denn ein wesentlicher Teil des Internetverkehrs und der
Rechenzentren dient dazu, [17][Werbung] zu transportieren,
Benutzerverhalten zu analysieren und sie möglichst präzise auf einzelne
Personen zuzuschneiden. Wäre das Internet nicht mehr werbefinanziert,
könnten wir womöglich noch einiges an Strom einsparen.
19 Nov 2019
## LINKS
[1] https://www.eon.de/de/eonerleben/warum-der-stromverbrauch-im-internet-die-u…
[2] /50-Jahre-Internet/!5633455
[3] /Gebuehren-fuer-TV-und-Streaming/!5619515
[4] https://www.bitkom.org/Themen/Technologien-Software/Rechenzentren-IT-Infras…
[5] /Netflix/!t5008117
[6] https://www.theverge.com/2019/11/14/20964386/google-stadia-pre-launch-edito…
[7] /Oeko-faires-Smartphone/!5638725
[8] /Gesichtserkennung-in-der-Kritik/!5547535
[9] /Entscheidung-zur-Privatsphaere-im-Netz/!5625191
[10] /Falsche-Aufregung-um-Google-Street-View/!5632097
[11] /Sinkende-CO2-Emissionen/!5634941
[12] https://t3n.de/news/github-arctic-code-vault-1222554/
[13] https://www.umweltbundesamt.de/themen/abfall-ressourcen/oekonomische-recht…
[14] https://utopia.de/ratgeber/streaming-dienste-klima-netflix-co2/
[15] /Geplanter-Emissionshandel/!5636625
[16] https://www.deutschlandfunk.de/abwaerme-aus-rechenzentren-13-milliarden-ki…
[17] /Bitte-keine-Werbung/!5601058
## AUTOREN
Denis Giessler
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