# taz.de -- UNO-Bericht zum Klimaschutz: Vom Klima reden, Kohle schürfen | |
> Viele Staaten wollen das Klima retten. Doch ein neuer UN-Bericht zeigt: | |
> Ihre Pläne für mehr Kohle, Öl und Gas torpedieren alle Bemühungen. | |
Bild: Es wird kräftig weitergebaggert: Braunkohlekraftwerk Jänschwalde | |
BERLIN taz | Zwei Wochen vor Beginn der nächsten UN-Klimakonferenz zeigt | |
ein neuer Bericht, wie die [1][Energiepolitik der wichtigsten Länder] ihre | |
eigenen Versprechen zum Klimaschutz torpediert. Die gleichen Regierungen, | |
die sich ab 2. Dezember bei der Klimakonferenz in Madrid unter dem Motto | |
„Zeit zum Handeln“ versammeln werden, planen zu Hause den Ausbau von immer | |
mehr Kohle, Öl und Gas, deren Verbrennung das Klima schädigt. | |
Das zeigt [2][der erste Bericht zur „Produktionslücke“], den das | |
UN-Umweltprogramm Unep zusammen mit Forschungsinstituten und Thinktanks wie | |
etwa dem Stockholm Environment Institute, IISD oder Climate Analytics | |
vorgelegt haben. | |
„Die Regierungen planen, 50 Prozent mehr fossile Brennstoffe bis 2030 zu | |
produzieren, als es damit vereinbar ist, den Klimawandel auf 2 Grad zu | |
begrenzen“, heißt es in dem Bericht. „Und 120 Prozent mehr, als mit einem | |
Ziel von 1,5 Grad zu vereinbaren ist.“ | |
Am größten sei diese Lücke zwischen den Zielen des von allen Staaten (bis | |
auf die USA) akzeptierten Pariser Abkommens und der Förderung der Fossilen | |
bei der Kohle: 150 Prozent, über 5 Milliarden Tonnen, mehr Kohle bis 2030 | |
als für 2 Grad erträglich seien geplant, für Gas und Öl seien das jeweils | |
etwa 45 Prozent zu viel bis zum Jahr 2040. | |
## Die Staaten ignorieren ihre eigenen Klimapläne | |
Der erste Bericht dieser Art kommt nur wenige Tage vor dem traditionellen | |
Bericht der Unep über die „Emissionslücke“. Darin stellt die UN-Behörde | |
jedes Jahr dar, wie sehr der CO2-Ausstoß aller Länder von ihren gemeinsamen | |
Versprechen zum Klimaschutz abweicht. | |
Aber die „Produktionslücke“ ist noch breiter, denn die nationalen Planungen | |
für die Förderung von Kohle, Gas und Öl halten sich nicht einmal an die | |
eigenen (für 2 Grad unzureichenden) nationalen Klimapläne, schreiben die | |
Autoren: „Die globale Produktionslücke ist sogar noch größer als die | |
ohnehin schon signifikante Emissionslücke, weil es nur minimale | |
Aufmerksamkeit der Politik dafür gibt, die fossile Produktion zu drosseln.“ | |
Der Report hat die Planungen für Produktion, Absatz und Subventionen in den | |
zehn wichtigsten Ländern untersucht: Der mit Abstand größte Produzent von | |
Fossilen und CO2-Emissionen ist China, gefolgt von den USA, Russland, | |
Saudi-Arabien, Indien, Australien und Indonesien. Für viele Länder wie die | |
Ölstaaten am Golf lagen kaum verlässliche Daten vor, sie wurden nicht | |
berücksichtigt. | |
Insgesamt subventionierten die Staaten ihre fossilen Energieindustrien je | |
nach Schätzung direkt mit 24 bis 70 Milliarden Dollar pro Jahr, heißt es. | |
Der Weltwährungsfonds dagegen beziffert die indirekten Subventionen, in die | |
auch Gesundheits- und Klimaschäden einfließen, auf jährlich etwa 5,2 | |
Billionen Dollar. | |
„Viele Länder wie die USA, Russland und Kanada verweisen für die Steigerung | |
ihrer Produktion auf Exporte“, heißt es im Bericht. Andere wie China oder | |
Indien fördern mehr, vor allem Kohle, um unabhängig von Importen zu werden. | |
Diese widersprüchlichen Strategien hätten hohe Risiken, warnt der Bericht: | |
eine Festlegung auf zu hohe Emissionen – oder das Risiko von | |
milliardenschweren „gestrandeten Investitionen“ und vielen verlorenen Jobs, | |
falls es zu ernsthafter Klimapolitik kommen sollte. | |
## Abrüstungsverhandlungen für Fossile? | |
Ganz vorsichtig schlagen die Autoren etwas vor, das unter Klimaschützern | |
gerade debattiert wird: Ein internationales Abkommen zur Abrüstung bei | |
fossilen Brennstoffen. Darin sollten sich die Länder – wie bei der | |
Rüstungskontrolle – darauf verständigen, bestimmte Mengen an Kohle, Öl und | |
Gas in der Erde zu lassen. „Maßnahmen, die sich von der fossilen Produktion | |
wegbewegen, sind effektiver, wenn Länder sie gemeinsam beschließen“, heißt | |
es im Bericht. „Internationale Kooperation kann ein klares Signal an | |
Politiker, Investoren, Verbraucher und die Zivilgesellschaft senden, dass | |
sich die Welt in eine Zukunft mit wenig Kohlenstoff bewegt.“ | |
Auch Deutschland wird in dem Report mit einem eigenen Kapitel bedacht. Der | |
„weltweit größte Produzent von Braunkohle“ habe „erste Schritte | |
unternommen, durch die Energiewende Produktion und Gebrauch von Kohle | |
herunterzufahren“. | |
Der Bericht erwähnt die Einrichtung und Verständigung zwischen Politik, | |
Industrie und Gesellschaft in der „Kohlekommission“. Und er erinnert an die | |
staatlichen Subventionen von 2,4 Milliarden Euro jährlich, die zwischen | |
2005 und 2016 in das Ende der Steinkohleindustrie flossen, und an die 40 | |
Milliarden Euro, die über die nächsten 20 Jahre für die Braunkohle-Regionen | |
gezahlt werden sollen. Deutschland sei damit eines der wenigen untersuchten | |
Länder, in denen ein „vollständiger Kohleausstieg eine zentrale Rolle | |
spielt für die Erreichung des Klima-Langfristziels bis 2050.“ | |
21 Nov 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Miese-Bilanz-der-G20-beim-Klimaschutz/!5639902 | |
[2] https://productiongap.org/2019report/ | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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