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# taz.de -- Studie von Pro Quote Medien: Alles voller Männer, außer …
> Ein Journalismus, in dem Frauen 50 Prozent der Chef*innen sind? Auch
> heute noch utopisch, zeigt eine neue Studie von Pro Quote Medien.
Bild: Das ist die Ausnahme: große Redaktionskonferenz der „Bild“ am Frauen…
Berlin taz | Stellen wir uns Folgendes vor: Eine Welt, in der die
Gleichstellung der Geschlechter umgesetzt ist. Eine Welt, in der Frauen 50
Prozent der politischen Ämter, der Wirtschaftsunternehmen, ja, der
Zeitungen und Onlinemedien besetzen. Klingt nach Freiheit, oder? Leider ist
das noch immer Utopie, denn die Realität, und das wissen vor allem Frauen
als Betroffene, sieht sehr männlich aus.
Nehmen wir die Medien: Wie schlecht die Lage für Frauen da tatsächlich ist,
untersucht seit 2012 die Initiative [1][Pro Quote Medien]. Der Verein
erhebt in Untersuchungen den Anteil von Frauen in Führungspositionen in
Rundfunk, Print- und Onlinemedien sowie Regionalzeitungen. Ihr Ziel, so
formuliert es Pro Quote Medien auf der eigenen Website: „Wir kämpfen dafür,
dass aus Chef Chefin wird.“ Um das direkt vorwegzunehmen: Die
50-Prozent-Quote erreichen laut der aktuellen Studie die wenigsten
Medienhäuser auch nur annähernd.
Eine erste Untersuchung von Pro Quote Medien hatte sich Ende 2018 mit dem
Rundfunk beschäftigt. Am Donnerstag hat der Verein in Hamburg die neue
Zählung über die Presse, also Print- und Onlinezeitungen, vorgestellt.
Untersuchungsgegenstand waren „Regionalzeitungen, überregionale Tages- und
Wochenzeitungen, Publikumszeitschriften, Nachrichtenagenturen und
Zentralredaktionen, sowie redaktionell gestaltete Websites“.
Das Ergebnis: Wenngleich an manchen Stellen etwas besser, grundsätzlich
schlecht wie immer. „Das Ergebnis der Studie ist in Teilen deprimierend“,
sagt Sabine Stamer von Pro Quote Medien. „Angesichts der Tatsache, dass
Frauen die Hälfte der Bevölkerung ausmachen – und gerade im Journalismus
auch der Nachwuchs zum großen Teil aus Frauen besteht.“
Um eine eindeutigere Aussage darüber treffen zu können, welche
publizistische Macht Frauen tatsächlich haben, hat Pro Quote Medien einen
methodischen Begriff eingeführt: den Frauenmachtanteil. Je höher die
Hierarchieebene (Ressortleitung, Redaktionsleitung, stellvertretende
Chefredaktion, Chefredaktion), desto stärker fällt sie ins Gewicht. Gibt es
also beispielsweise fünf Hierarchieebenen, so zählt die Frau oder der Mann
auf der höchsten Ebene, also die der Chefredaktion, fünffach, auf der
vierten Ebene vierfach, und so weiter.
Pro Quote Medien hat im Printbereich zum Beispiel die überregionalen
Tageszeitungen ab einer verkauften Auflage von rund 50.000 Exemplaren
untersucht. Sprich: Bild, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Handelsblatt,
Süddeutsche Zeitung, Welt – und die taz wurde freundlicherweise auch mit
reingenommen, obwohl ihre verkaufte Auflage knapp unter 50.000 liegt.
Im Print ist es allein die taz, die den von Pro Quote errechneten
Frauenmachtanteil von 50,8 Prozent erreicht. Platz zwei erzielt die
Süddeutsche Zeitung mit 32,1 Prozent. Die Bild, als größte und wohl
einflussreichste Zeitung in Deutschland, wird „zu fast drei Vierteln von
Männern gelenkt, der Frauenmachtanteil liegt bei 26,8 Prozent“, heißt es in
der Studie.
Noch eindrücklicher werden die Zahlen, betrachtet man, wer de facto in den
Chefredaktionen sitzt. Zwar wird die Frauenquote besser, je niedriger man
in der Hierarchieebene geht. Aber die Spitze ist unangefochten männlich.
Die wichtigsten deutschen Zeitungen werden ausschließlich von Männern
geführt. Bis vor kurzem gab es mit Digitalchefredakteurin [2][Julia
Bönisch] allein eine Co-Chefin bei der SZ. Bönisch war den anderen
Chefredakteuren gleichgestellt. Ende Oktober hat sie die Zeitung jedoch
verlassen, ihre Stelle ist vakant.
Damit gibt es auf der obersten Ebene keine Chefredakteurin bei einer
deutschen Tageszeitung – und übrigens auch nicht bei einer Wochenzeitung.
Marion Horn, Chefredakteurin der Bild am Sonntag (BamS), wird nicht
mitgezählt, weil mittlerweile alle Bild-Produkte dem Bild-Chefredakteur
Julian Reichelt unterstehen. Ähnlich ist es bei der Welt. Dagmar Rosenfeld
ist seit dem Frühjahr 2019 Welt-Chefredakteurin. Hierarchisch gesehen steht
Ulf Poschardt jedoch über ihr. „Er ist ‚übergreifend verantwortlich für
alle Angebote der Gruppe‘“, schreibt Pro Quote Medien.
In den Online-Redaktionen scheint es auf den ersten Blick besser zu laufen
als im Print, hier zählt Pro Quote einen Anteil von 30 Prozent Chefinnen.
Doch Sabine Stamer warnt vor Euphorie: 30 Prozent seien immer noch ziemlich
wenig. Früher forderte der Verein noch eine 30-Prozent-Quote, heute will
man 50.
Ein Lichtblick: die Zeitschriften. Bei den 66 untersuchten
Publikumszeitschriften liegt der Frauenmachtanteil in den Chefredaktionen
bei 48,9 Prozent. Vergleichsweise hoch. Hier lohnt allerdings ein Blick auf
die thematische Aufschlüsselung. Sogenannte „Frauenzeitschriften“ und
Hefte, die sich schwerpunktmäßig mit Themen wie „Haus und Garten“ oder
„Unterhaltung“ beschäftigen, haben größtenteils eine Frau an der Spitze.
Zeitschriften, die sich mit den „harten“ Themen auseinandersetzen, also
Technik, Autos, Politik und Gesellschaft sowie Wirtschaft, stehen weiterhin
unter männlicher Führung, heißt es in der Studie. Lediglich der Stern
erreicht von den großen Politik- und Gesellschaftsmagazinen einen
Frauenmachtanteil von 45,8 Prozent. Dass Frauen „Frauenzeitschriften“
redaktionell leiten, ist natürlich keine schlechte Nachricht – und übrigens
auch noch nicht immer so selbstverständlich wie heute: Die Brigitte wurde
fast 30 Jahre lang von einem Mann geleitet.
Das Problem bleibt aber im Großen und Ganzen: Die Top-Jobs werden von
Männern gemacht. Oder anders ausgedrückt: Da, wo es wirklich um Mitsprache
und Macht geht, bleiben die männlichen Kollegen unter sich. Sabine Stamer
nennt das „Buddysystem“ als Grund. Männer hätten ein Netzwerk, in das
Frauen nicht reinkämen.
Und wer gibt schon gerne Macht ab? Aber Macht abgeben müssten die
gegenwärtigen Chefs eigentlich, wenn man die Zahlen anschaut. Oder sie
müssen damit klarkommen, dass alle, die an Gleichberechtigung interessiert
sind, jeden Tag ihren Ruhestand herbeisehnen.
Weiter gedacht, braucht die Medienbranche übrigens einen
[3][intersektionaleren] Ansatz. Geschlecht ist nicht die einzige Kategorie,
wo es hakt bei der Repräsentation. Redaktionen und Führungsebenen im
Journalismus müssen allgemein diverser werden. Das findet auch Pro Quote.
7 Nov 2019
## LINKS
[1] /Geschlechtergerechtigkeit-im-Rundfunk/!5550029
[2] /Stunk-um-SZde-Chefin-Julia-Boenisch/!5594772
[3] /30-Jahre-Intersektionalitaet/!5591480
## AUTOREN
Erica Zingher
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