# taz.de -- UN-Gipfel zu Entwicklungszielen: Armut, Flucht und Hunger | |
> Der erste Gipfel zur Auswertung der nachhaltigen Entwicklungsziele zeigt: | |
> Fast nichts ist erreicht. Es gibt sogar Rückschritte. | |
Bild: Auch bei der Bekämpfung von Fluchtursachen können die Industrieländer … | |
GENF taz | Je mehr UN-Gipfel zu globalen Herausforderungen stattfinden, | |
umso besser geht es der Welt. Würde diese Gleichung zutreffen, könnte die | |
diesjährige UN-Generalversammlung in New York echt Hoffung für die Zukunft | |
machen. Nach den beiden [1][Gipfeltreffen zu Klima] und Gesundheit am | |
Montag und Dienstagmorgen kamen die Staats-und Regierungschefs oder | |
Außenminister vieler der 193 UN-Mitgliedstaaten sowie VertreterInnen von | |
Wirtschaftsunternehmen und von Nichtregierungsorganisationen (NGO) am | |
Dienstagnachmittag und Mittwoch erstmals zu einem Nachhaltigkeitsgipfel | |
zusammen. | |
Auf der Tagesordnung stand eine erste Zwischenbilanz der 2015 beschlossenen | |
„Agenda 2030“ mit insgesamt [2][17 nachhaltigen Entwicklungszielen | |
(Sustainable Development Goals, SDG)], mit denen „extreme Armut und Hunger“ | |
bis zum Jahr 2030 überwunden und „allen BewohnerInnen dieser Erde bis zum | |
Jahr ein Leben in Wohlstand und Würde ermöglicht werden“ soll. | |
Am Donnerstag und Freitag folgen dann noch zwei Gipfel zur bislang völlig | |
unzureichenden Entwicklungsfinanzierung sowie zum Samoa-Prozess, der | |
besonders gefährdeten Inselstaaten helfen soll, sich an den Klimawandel | |
anzupassen. | |
Zum Auftakt des SDG-Gipfels machte UNO-Generalsekretär Antonio Guterres | |
deutlich, dass die Diskrepanz zwischen den auf UN-Ebene verbindlich | |
beschlossenen Zielen und dem tatsächlichen Handeln der Mitgliedstaaten | |
mindestens ebenso groß ist wie beim Thema Klimaschutz. „Wir sind bei der | |
Umsetzung der SDG nicht auf Kurs und weit entfernt von dem Zwischenziel, an | |
dem wir heute sein müssten“, erklärte Guterrerres. | |
## Gleichheit zwischen den Geschlechtern? Nicht erreicht | |
Bei der Verpflichtung, Gleichheit zwischen den Geschlechtern herzustellen, | |
habe „keiner der 193 Mitgliedstaaten das Zwischenziel erreicht“, | |
unterstrich der UNO-Generalsekretär. Und ohne die Umsetzung dieses Zieles | |
würden „auch alle anderen Ziele nicht erreicht werden“. Mit Blick auf | |
einige der 17 SDG habe es seit 2015 „sogar Rückschritte gegeben“, beklagte | |
Guterres. | |
Laut dem Mitte September veröffentlichten Bericht einer vom | |
UNO-Generalsekretär einberufenen Expertengruppe ist die weltweite Zahl der | |
Hungernden 2018 das dritte Jahr in Folge gestiegen. JedeR Neunte geht mit | |
leerem Magen zu Bett – insgesamt etwa 815 Millionen Menschen. JedeR Dritte | |
weltweit leide an Mangelernährung. Im Ergebnis der Anstrengungen der 2000 | |
von einem UN-Gipfel beschlossenen „Millenniumsziele zur Halbierung der | |
Armut“ – dem Vorläufer der SDG – war die Zahl der weltweit Hungernden bis | |
2015 ebenso wie der Menschen in extremer Armut zunächst zurückgegangen. | |
Drastisch angestiegen ist in den letzten 18 Jahren zudem die Zahl der | |
Geflüchteten und Binnenvertriebenen – von rund 23 Millionen im Jahr 2000 | |
über rund 44 Millionen 2015 auf inzwischen knapp 70 Millionen. Laut dem | |
Expertenbericht der Vereinten Nationen hat zudem mindestens die Hälfte der | |
Weltbevölkerung keinen Zugang zu grundlegender Gesundheitsversorgung. | |
Umweltzerstörung, Artensterben und der Ausstoß von klimaschädlichem | |
Kohlendioxyd haben seit 2015 zugenommen. | |
Auf die Ermahnung des UNO-Generalsekretärs reagierten einige | |
RegierungsvertreterInnen mit mehr oder weniger verbindlichen Zusagen für | |
die verbleibende Zeit bis 2030. Mexiko will bis dahin Internetzugang für | |
seine gesamte Bevölkerung schaffen, ausdrücklich auch in den armen Regionen | |
des Landes. Griechenland sagte „grünes Wachstum“ durch Umstrukturierung | |
seiner Volkswirtschaft zu. Finnland versprach, bis 2035 den CO2-Ausstoß auf | |
null zu bringen. Und Konzerne aus 25 Staaten machten dasselbe Versprechen | |
bis zum Jahr 2050. | |
## Kritik an der Bundesregierung | |
Deutschland kündigte bei dem Gipfel lediglich gemeinsam mit Ghana und | |
Norwegen einen „Globalen Aktionsplan“ an, mit dem das SDG-Ziel der | |
Gesundheitsversorgung für alle Menschen bis 2030 erreicht werden soll. Die | |
Grünen sowie Oxfam und andere Nichtregierungsorganisationen hatten die | |
Bundesregierung im Vorfeld vergeblich zu deutlich weitergehenden Zusagen | |
und Maßnahmen aufgefordert. | |
„Eine kohärente, an den Nachhaltigkeitszielen ausgerichtete nationale | |
Gesetzgebung findet nicht statt“, kritisierte der Grünen-Abgeordnete Uwe | |
Kekeritz. Noch immer hätten „nicht alle Ressorts des Kabinetts | |
SDG-Maßnahmenpläne erstellt oder zusätzliche Mittel bereitgestellt“. | |
Oxfam forderte Maßnahmen der Bundesregierung zur Schließung von Steueroasen | |
und zur gerechten Besteuerung von Großkonzernen. Zudem müsse die | |
Bundesregierung endlich das bereits 1977 von der UN-Generalversammlung | |
vereinbarte Ziel erfüllen, Mittel zur Entwicklungsfinanzierung auf 0,7 | |
Prozent des Bruttoinlandprodukts anzuheben. | |
25 Sep 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Deutschland-beim-UN-Klimagipfel/!5627879 | |
[2] https://www.un.org/sustainabledevelopment/sustainable-development-goals/ | |
## AUTOREN | |
Andreas Zumach | |
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