# taz.de -- Bundeskanzlerin über Nachhaltigkeit: Klimaneutralität über die E… | |
> Deutschland habe das Geld, die Technologien und genug Begeisterung, um | |
> nachhaltig zu werden. Sagen Experten. Aber passiert auch was? | |
Bild: Sieht noch nicht so gut aus mit der Nachhaltigkeit in Deutschland | |
Berlin taz | 18 Minuten. So lange brauchte Bundeskanzlerin Angela Merkel | |
(CDU) am Montag, bis sie bei ihrer Rede vor dem 18.Jahreskongress des | |
[1][Rats für Nachhaltige Entwicklung] das erste Mal auf Nachhaltigkeit zu | |
sprechen kam: über eine neue Kampagne zur Gesundheitsversorgung in Ghana. | |
Noch einmal 5 Minuten dauerte es, bis sich Merkel bei ihrer traditionellen | |
Rede vor der Nachhaltigkeits-Community den heimischen Problemen bei der | |
Vereinbarkeit unseres Lebensstils mit den begrenzten Fähigkeiten der Umwelt | |
widmete. Eine klimaneutrale Gesellschaft sei „die größte Herausforderung“, | |
die jetzt mit der Strukturkommission angegangen werde. Und den einzigen | |
Zwischenruf im ansonsten braven Publikum („das geht nicht schnell genug!“) | |
konterte sie routiniert: „Diese Ungeduld brauchen wir.“ | |
Ansonsten sprach die Kanzlerin im Berliner Tempodrom aber lieber über – | |
Europa. Sie breitete ihren derzeit aktuellen Plan aus, mit dem sie | |
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei der EU-Reform unterstützen will: | |
mehr Geld für schwächelnde Länder, gemeinsame Außen- und Migrationspolitik, | |
ein europäischer Währungsfonds, ein Marshallplan für Afrika, um | |
„Fluchtursachen zu bekämpfen“. Das solle auch die Antwort sein, um die | |
[2][17 „nachhaltigen Entwicklungsziele“ der UN (SDG)] umzusetzen und den | |
Populismus zu bekämpfen: Beseitigung von Armut und Krankheit, bessere | |
Bildung, Schutz des Bodens, des Klimas, der Artenvielfalt. Und bei all dem | |
müsse man „Europa im Sinne der Nachhaltigkeit denken“, so Merkel. Nur mit | |
einer handlungsfähigen EU könne das gelingen, wo sich etwa die USA aus | |
dieser Logik verabschiedet haben. | |
Für die nationale Politik blieb da nicht viel Raum. Und alle, die von der | |
Rede Merkels starke Signale für eine andere Agrarpolitik, Bewegung in der | |
Diesel-Frage oder Druck für die Erreichung des Klimaziels von 2020 erhofft | |
hatten, wurden enttäuscht. Merkel bekannte sich zur „Struktur-Kommission“, | |
die „mit einem Datum zum Ausstieg aus der Braunkohle eine neue Perspektive | |
geben wird“. Aber an ihrer Nachhaltigkeitsbilanz wollte die | |
Regierungschefin nicht rummäkeln lassen: „Ich widerspreche ausdrücklich der | |
Ansicht, unser Koalitionsvertrag sei nicht auf Nachhaltigkeit ausgelegt.“ | |
Ganz so scharf hatte es die 11-köpfige internationale Expertenkommission | |
nicht formuliert, die seit einem Jahr die deutsche Strategie untersucht | |
hatte. [3][Ihr Gutachten mit dem Titel „Veränderung, Chance, | |
Dringlichkeit“], das auf der Konferenz vorgestellt wurde, betont, | |
Deutschland „scheint für eine ambitionierte Umsetzung der SDG gut | |
aufgestellt zu sein“. Es gebe die Institutionen, die Technologien, das Geld | |
und die Bereitschaft in der Bevölkerung. „Wenn Deutschland es nicht | |
schafft, wer dann?“ heißt es in dem Bericht. „Wahrscheinlich werden diese | |
Erwartungen noch steigen.“ | |
Allerdings warnen die Experten unter dem Vorsitz von Helen Clark, ehemals | |
Chefin der Regierung von Neuseeland und danach des | |
UN-Entwicklungsprogramms, vor zu viel Begeisterung: „Eine Transformation | |
von Konsumverhalten, Produktion, ethischen Grundsätzen und Handeln hin zu | |
mehr Nachhaltigkeit hat noch lediglich sehr begrenzt stattgefunden. Weitere | |
grundlegende Veränderungen sind erforderlich.“ Die beschrieb Clark dann für | |
Deutschland auch ganz offen: besserer Schutz für Böden und Artenvielfalt, | |
Ausstieg aus Kohle und Atom, Kampf gegen Fettleibigkeit und Ausgrenzung von | |
Armen und Migranten. Immerhin 26 von 63 Indikatoren, die den Fortschritt | |
bei der Nachhaltigkeit messen sollen, seien auf einem falschen Pfad. | |
Das hatte auch Marlehn Thieme, die Vorsitzende des Nachhaltigkeitsrats, | |
immer wieder angemahnt: Es gebe „großen Anlass zur Sorge“, etwa beim | |
Artenverlust. „viel zu lange ist wenig geschehen“, sagte Thieme zur | |
Begrüßung von Merkel. Jetzt brauche es „volle Kraft voraus für die | |
Nachhaltigkeit“. Merkel hörte es, lächelte und redete. Über Europa. | |
5 Jun 2018 | |
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## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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