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# taz.de -- Aufklärung des NSU-Terrors: Thüringen will Archiv anlegen
> Thüringen will zur Aufklärung des NSU-Terrors neue Wege gehen: mit einem
> öffentlichen Archiv. Beim Verfassungsschutz sind nicht alle erbaut.
Bild: 12.000 Ordner mit NSU-Akten gingen an den Ausschuss: Sind sie bald öffen…
BERLIN/ERFURT taz | Es ist die zentrale Forderung des gerade zu Ende
gegangenen Thüringer NSU-Untersuchungsausschusses: Die Aufklärung zu der
Rechtsterrorserie mit zehn Toten müsse nun auf anderer Ebene fortgeführt
werden – mittels eines öffentlich zugänglichen NSU-Archivs. Die Thüringer
Landesregierung stellt sich jetzt hinter den Vorschlag. Es gibt aber auch
Widerstand.
Seit das NSU-Kerntrio um Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt 2011
aufflog, gab es zwei Untersuchungsausschüsse im Bundestag, [1][dazu acht in
den Ländern]. Nun neigt sich die Aufklärung dem Ende zu. Nur in
Mecklenburg-Vorpommern läuft noch ein Ausschuss, in Thüringen fand eine
Zweitauflage vergangene Woche ihr Ende.
Das Fazit war bitter: Hätten die Behörden alle Hinweise zu den
Untergetauchten richtig ausgewertet, [2][wäre die Mordserie zu verhindern
gewesen]. Gleichzeitig räumten die Aufklärer ein, noch immer nicht alle
Fragen beantworten zu können. „Das tut uns weh“, sagte die
Ausschussvorsitzende Dorothea Marx (SPD).
## 12.000 Ordner mit NSU-Akten – bald öffentlich?
Der Thüringer Ausschuss schlägt mit dem NSU-Archiv deshalb nun ein Novum
vor – das Signalwirkung für die weitere Aufklärung der Terrorserie hätte.
Das Gremium empfahl der Landesregierung zu veranlassen, „dass alle
Unterlagen des Untersuchungsausschusses dem Staatsarchiv zugeführt und der
Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden“. Die Forderung ist weitgehend:
Denn das Aktenkonvolut beträgt mehr als 12.000 Ordner, rund ein Sechstel
davon als vertraulich oder geheim eingestuft.
Die Ausschussvorsitzende Marx aber bekräftigt: „Vieles ist noch nicht
aufgeklärt und wir sehen ein klares zeitgeschichtliches Interesse an der
Aufarbeitung. Deshalb sollten die Akten gebündelt ans Staatsarchiv gehen.“
Auch Linken-Obfrau Katharina König-Preuss sagte, es dürfe „kein
Schlussstrich gezogen werden“. „Und das Archiv wäre die praktische
Umsetzung.“ Statt dass die Akten an den Verfassungsschutz zurückgingen,
sollten sie für Forschung, Journalisten und Zivilgesellschaft offenstehen.
Nur so könne man sicherstellen, dass auch bei zukünftigen Hinweisen noch
Aufklärung möglich sei, so König-Preuss. Im besten Fall würden später auch
andere Bundesländer ihre Akten dem Archiv beisteuern.
Der Verfassungsschutz indes reagiert zwiegespalten auf den Vorstoß. Der
Thüringer Präsident Stephan Kramer begrüßt diesen. „Ich halte die Idee f�…
sinnvoll“, sagte Kramer der taz. „Wir sind offen dafür, die Akten an das
Staatsarchiv zu übermitteln. Es gibt unbestreitbar eine dringende
Notwendigkeit, den NSU-Komplex weiter aufzuklären.“
## Bundesamt für Verfassungsschutz ist reserviert
Deutlich reservierter reagiert das Bundesamt für Verfassungsschutz. Man
habe den Untersuchungsauftrag des Thüringer Ausschusses erfüllt und
„umfassend Akten zugeliefert“, heißt es dort nur. Soll heißen: Einen
Bedarf, Weitergehendes zu unterstützen, sieht man nicht.
Der Thüringer NSU-Ausschuss warnt indes davor, dass die Behörden mauern.
„Das Mitwirken am NSU-Archiv ist jetzt die entscheidende Frage, wie ernst
gemeint die Unterstützung der Aufklärung ist“, erklärte Linken-Politikerin
König-Preuss. Auch SPD-Frau Marx sagte, Archive seien „das Gedächtnis einer
Demokratie“. „Das muss auch und gerade im Fall des NSU-Komplex’ erfüllt
werden.“ Marx und König-Preuss betonten, dass auch im Thüringer
Staatsarchiv Akten mit Geheimhaltungsgrad gelagert werden könnten. Und
Grünen-Obfrau Madeleine Henfling verwies auf das einstige Versprechen von
Bundeskanzlerin Angela Merkel, „alles zu tun“, um die NSU-Morde
aufzuklären: „Daran sollte sich auch der Verfassungsschutz halten.“
Die Landesregierung tritt inzwischen offen für den Archiv-Vorschlag ein. So
erklärte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) bereits im Landtag, er sei
„sehr einverstanden, dass die Akten zusammengefasst und zugänglich gemacht
werden, damit man sie wissenschaftlich aufarbeiten kann“. Auch
Innenminister Georg Maier (SPD) sagte am Montag der taz, er finde den
Vorschlag gut. Für ein Sonderarchiv im Staatsarchiv brauche es zwar eine
gesetzliche Regelung. „Das kann man aber machen und ich würde es
unterstützen.“
Indes: In Thüringen wird am Monatsende neu gewählt. Das Projekt NSU-Archiv
ist also eines für die nächste Landesregierung – und deren Unterstützung
offen. Die Umsetzungschancen stehen aber nicht schlecht: Die Forderung
danach fällte der NSU-Ausschuss einmütig – auch mit Stimmen von CDU und
AfD.
7 Oct 2019
## LINKS
[1] /Entschaedigung-fuer-NSU-Opfer-gefordert/!5601000
[2] /NSU-Ausschuss-in-Thueringen/!5630581
## AUTOREN
Konrad Litschko
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