# taz.de -- Schwarz-Grün gegen Offenlegung: NSU-Akten bleiben verschlossen | |
> Eine Petition fordert, die hessischen NSU-Unterlagen öffentlich zu | |
> machen. Doch die schwarz-grüne Landesregierung bleibt stur. | |
Bild: Kassel, Anfang 2020: Übergabe der Unterschriftenliste zur Offenlegung de… | |
Frankfurt am Main taz | Nach taz-Informationen hat der Petitionsausschuss | |
des hessischen Landtags am Mittwoch die Forderung nach Offenlegung der | |
geheimen hessischen NSU-Akten mit der Mehrheit von CDU und Grünen | |
zurückgewiesen. Offiziell gab es für diese Entscheidung weder eine | |
Bestätigung, noch wollten die Landtagsparteien dazu Stellung nehmen. Hinter | |
der Forderung, die Akten freizugeben steht die Petition | |
Change.org/NSU-Akten. | |
Für die Sitzungen des Petitionsausschuss gilt Vertraulichkeit, weil dort in | |
der Regel persönliche Schicksale verhandelt werden. SPD, Linke und AfD | |
haben nach taz-Informationen der Offenlegung zugestimmt, bei Enthaltung der | |
FDP. | |
Damit ist die Petition Change.org/NSU-Akten, die bereits von mehr als | |
120.000 BürgerInnen unterschrieben wurde, im ersten Anlauf gescheitert. | |
Enttäuscht zeigte sich Miki Lazar, einer der Initiatoren der Kampagne. Die | |
Argumentation von CDU und Grünen, der Persönlichkeitsschutz für V-Leute und | |
Beamte erfordere die Geheimhaltung der Akten, nennt Lazar „scheinheilig.“ | |
Immerhin habe die Unterschriftenaktion erreicht, dass der Landtag nicht | |
ohne öffentliche Debatte zur Tagesordnung übergehen könne, sagte Lazar. Ein | |
Sprecher des Landtags bestätigte der taz, dass eine Landtagsdebatte zu | |
diesem Thema auf der Tagesordnung der nächsten Plenarwoche steht. | |
## Ursprüngliche Sperrfrist bis 2134 | |
Bei den Akten geht es vor allem um ein 300 Seiten umfassendes Dossier, das | |
der damalige hessische Innenminister Boris Rhein, CDU, 2012 in Auftrag | |
gegeben hatte. | |
Die hessischen Behörden standen damals unter Druck. Nach der | |
Selbstenttarnung des [1][rechtsterroristischen] NSU konnte der Mord an | |
Halit Yozgat, der 2006 in seinem Kasseler Internet-Cafe erschossen worden | |
war, den Rechtsterroristen zugeordnet werden. Unaufgeklärt blieb die Rolle | |
des damaligen Verfassungsschutzmitarbeiters Andreas Temme, der ungefähr zur | |
Tatzeit am Tatort gewesen war, sich aber bei der Polizei nicht einmal als | |
Zeuge gemeldet hatte. | |
Nach und nach gelangten weitere Hinweise auf Versäumnisse und Vertuschung | |
der Behörden an die Öffentlichkeit. Der damalige Innenminister Rhein wollte | |
Klarheit, wenigstens intern. Er gab deshalb das Dossier in Auftrag. | |
Unter seinem Nachfolger, dem bis heute amtierenden Innenminister Peter | |
Beuth, ebenfalls CDU, wurde der Bericht schließlich 2014 als | |
Verschlusssache gesperrt, [2][bis zum Jahr 2134.] Die Geheimhaltungsfrist | |
ist inzwischen aber auf 30 Jahre herabgesetzt. | |
## Heftige Kritik an den Grünen | |
Dem Journalisten und Buchautor Martin Steinhagen ist das Dossier nach | |
eigenen Angaben zugespielt worden. Nach seiner Bewertung enthält es | |
zahlreiche Hinweise auf Defizite, Aktenschwund und versagende | |
Frühwarnsysteme bei Verfassungsschutz und Polizei. Steinhagens Fazit: „Im | |
Kern macht der Geheimbericht zweierlei deutlich: zum einen, wie viele | |
Informationen dem hessischen Dienst vorlagen – über Terrorkonzepte, | |
Bewaffnung, Untergrundbestrebungen -, und zum anderen, wie gefährlich | |
fahrlässig damit umgegangen worden ist.“ | |
Seit [3][dem rechtsextremistisch motivierten Mord am Kasseler | |
Regierungspräsidenten Walter Lübcke] und den rassistischen Mordanschlägen | |
von Hanau fordern Opferfamilien und antifaschistische Aktionsbündnisse mit | |
Nachdruck die Offenlegung der Akten. Vor allem von den Grünen, die in | |
Hessen zusammen mit der CDU regieren, erwarten sie Unterstützung. | |
Der Intendant des Kasseler Staatstheaters, Thomas Bockelmann, der den Fall | |
unter dem Titel „Der NSU-Prozess – Die Protokolle“ auf die Bühne brachte, | |
hatte zuletzt an die Grünen appelliert. „Die Partei steht für den Kampf | |
gegen Rechts, für Zivilcourage und gegen Ausgrenzung. Ihr Umgang mit der | |
Petition befremdet mich. Was wäre, wenn die hessischen Grünen in der | |
Opposition wären? Sie würden keine Sekunde zögern, für die Öffnung zu | |
stimmen. Ihr Verhalten ist beschämend“, sagte Bockelmann der Hessisch | |
Niedersächsischen Allgemeinen HNA. | |
12 May 2021 | |
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## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
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