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# taz.de -- Schwarz-Grün im Hessischen Landtag: NSU-Akten bleiben geheim
> CDU und Grüne wollen geheimgehaltene NSU-Akten nicht veröffentlichen.
> SPD, FDP und Linke werfen den Grünen doppeltes Spiel vor.
Bild: Kein Freund allzu großer Transparenz: Hessens Innenminister Peter Beuth …
Frankfurt am Main taz | Aufgeregte Zwischenrufe von der Regierungsbank.
Ermahnungen des Landtagspräsidenten, Abgeordnete nicht als „Neonazis“ zu
beschimpfen. Nach einer emotionalen Debatte über die geheim eingestuften,
internen NSU-Berichte des hessischen Verfassungsschutzes hat am
Mittwochabend die schwarz-grüne Landtagsmehrheit deren Offenlegung
abgelehnt.
Anlass der Landtagsdebatte war [1][eine bisher von mehr als 134.000
Menschen unterschriebene Petition], in der die [2][Veröffentlichung bisher
geheimgehaltener hessischer NSU-Akten] gefordert wird. Zu den
UnterzeichnerInnen gehören auch Angehörige des 2006 in Kassel vom
rechtsterroristischen NSU ermordeten Halit Yozgat. In einer emotionalen
Debatte appelierten Oppositionsabgeordnete vor allem an die Grünen, den Weg
dafür freizugeben. Doch zusammen mit dem Koalitionspartner CDU sorgten die
Grünen für die Überweisung der Petition „als Material“ an die
Landesregierung, „zur weiteren Bearbeitung“. [3][Damit folgten sie einer
Empfehlung des Petitionsausschusses.]
Was dabei herauskommen wird, daran hatte der christdemokratische
Landesinnenminister Peter Beuth bereits in der Debatte keinen Zweifel
gelassen: Eine Veröffentlichung könne es aus rechtlichen Gründen nicht
geben. Sicherheitsbehörden könnten ihre Arbeitsweise nicht für jeden
offenlegen, sagte Beuth. „Ansonsten könnten die Verfassungsfeinde selbst
diese Informationen nutzen, um unsere gemeinsamen Werte zu bekämpfen oder
Menschen gezielt zu gefährden.“
CDU und Grüne argumentieren mit den Schutzpflichten des Staates. „Wir sind
immer wieder auf V-Leute angewiesen, wenn es darum geht, den braunen Sumpf
trockenzulegen“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der
CDU-Fraktion, Holger Bellino. Die Veröffentlichung der Berichte verspräche
keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn, gefährde dagegen die
Sicherheitsarchitektur, so Bellino.
Den Wunsch der Petenten könne er zwar nachvollziehen, sagte
Grünen-Fraktionschef Mathias Wagner. Eine Veröffentlichung drohe aber die
Arbeit des Verfassungsschutzes zu erschweren oder gar zu behindern. SPD,
FDP und Linkspartei hielt er vor, wider besseres Wissen zusammen mit die
AfD die Offenlegung zu fordern, „weil die wissen wollen, wie der
Verfassungsschutz mit der rechten Szene umgeht“. Damit sorgte er für
empörte Reaktionen aller vier Oppositionsparteien. „Sie haben sich
gnadenlos verzockt!“, rief Wagner ihnen entgegen. Die AfD-Fraktion hatte im
Landtag einen eigenen Antrag gestellt.
## „Symbol für das Mauern der Behörden“
SPD-Fraktionsgeschäftsführer Günter Rudolph warf den Grünen vor,
Nebelkerzen zu werfen und Pirouetten zu drehen. In Berlin forderten
führende Grüne die Offenlegung der Berichte, in Wiesbaden lehne die grüne
Regierungsfraktion das ab. „Was wollen Sie?“, fragte Rudolph und sprach von
Heuchelei.
SPD-Gereralsekretär Lars Klingbeil sagte: „Das ist eine Bankrotterklärung
der Grünen im Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus und ein Schlag
ins Gesicht für alle, die sich für Transparenz und Aufklärung der
NSU-Mordserie einsetzen.“ Und weiter: „Frau Baerbock hätte einschreiten und
die Grünen in Hessen umstimmen müssen, aber sie hat sich aus der
Verantwortung gewunden.“
Linksfraktionschefin Janine Wissler nannte die Verweigerung der Offenlegung
ein „Symbol für das Mauern der Behörden, wenn es um den NSU geht“. Es gehe
im Kern um 38 Seiten behördeninterner Aufarbeitung, die die hessische
Landesregierung zunächst sogar den Untersuchungsaussschüssen in Berlin und
im Wiesbadener Landtag vorenthalten habe. „Da sind keine Primärberichte, da
gibt es keine Treffberichte, da gibt es keine Namen“, sagte Wissler und
fügte hinzu: „Hier werden keine Personen geschützt, sondern das Versagen
des Verfassungsschutzes.“
Hunderte Akten seien verschwunden, Waffen- und Sprengstofffunden sei nicht
nachgegangen worden und rechtsextremistische Gewalttäter wie der spätere
Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke seien vom Schirm
der Behörden verschwunden, erinnerte die Vorsitzende der Linkspartei. „Die
Grünen haben aus Koalitionsdisziplin nicht für die Einsetzung des
NSU-Untersuchungsausschusses gestimmt, sie haben heute die Chance, den
Fehler zu korrigieren“, sagte Janine Wissler.
Schon die ursprüngliche Einstufung als Geheimsache [4][für 120 Jahre] habe
misstrauisch gemacht, sagte der FDP-Abgeordnete Stefan Müller. Wenn jetzt
erneut der Eindruck entstehe, „dass gemauert wird, gelingt es nicht,
Vertrauen zu schaffen“, sagte der Liberale in einer heftigen Debatte, die
die Landtagsregie an das Ende der Tagesordnung platziert hatte – nach
Redaktionsschluss der meisten Zeitungen.
20 May 2021
## LINKS
[1] https://www.change.org/p/hessischer-landtag-geben-sie-die-nsu-akten-frei-ns…
[2] /Petition-der-Woche/!5767250
[3] /Schwarz-Gruen-gegen-Offenlegung/!5772155
[4] /Kommentar-Geheimhaltungsfrist-beim-VS/!5423654
## AUTOREN
Christoph Schmidt-Lunau
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Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
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Schwerpunkt Mordfall Walter Lübcke
Schwerpunkt Rechter Terror
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