# taz.de -- Festnahme im „NSU 2.0“-Fall: „Kein Grund für Entwarnung“ | |
> Nach der Festnahme des „NSU 2.0“-Verdächtigen äußern sich Betroffene. … | |
> zeigen sich „äußerst irritiert“ über Hessens Innenminister. | |
Bild: Auch sie ist „äußerst irritiert“ über Hessens Innenminister: die A… | |
BERLIN taz/dpa | Mehrere Betroffene der „NSU 2.0“-Drohschreibenserie äuße… | |
sich kritisch über Aussagen des hessischen Innenministers Peter Beuth (CDU) | |
zur [1][Festnahme eines Tatverdächtigen]. In einer gemeinsamen Erklärung | |
heißt es, man sei „äußerst irritiert“, dass Beuth schon jetzt erklärte, | |
kein Polizist sei in die Drohserie verwickelt, obwohl noch viele Fragen | |
offen seien. „Die Aufklärung von „NSU 2.0“ steht erst am Anfang.“ | |
Die Erklärung ist von der Frankfurter Anwältin [2][Seda Başay-Yıldız], der | |
Kabarettistin Idil Baydar, taz-AutorIn Hengameh Yaghoobifarah, der | |
Linken-Parteichefin Janine Wissler sowie ihren Parteikolleginnen Martina | |
Renner und Anne Helm unterzeichnet. All sie hatten seit August 2018 | |
[3][Drohschreiben des selbsternannten „NSU 2.0“] erhalten – teils mit | |
Daten, die zuvor auf Polizeicomputern abgerufen wurden. Am Montag hatten | |
Ermittler nun einen Tatverdächtigen festgenommen: [4][Alexander M.], ein | |
vorbestrafter 53-jähriger Arbeitsloser aus Berlin. | |
Die Festnahme sei „erfreulich“ und ein wichtiger Ermittlungserfolg, heißt | |
es in der Erklärung der Frauen. „Nun gibt es endlich die Chance, die | |
Hintergründe und mögliche Unterstützungsstrukturen aufzuklären.“ Denn es | |
gebe weiter „drängende und offene Fragen“. | |
Dazu gehöre, wie der Festgenommene an die Daten aus Polizeicomputern in | |
Frankfurt, Wiesbaden, Hamburg und Berlin kam, insbesondere gesperrte | |
Adressen und im Fall von Başay-Yıldız sämtliche Namen ihrer engen | |
Familienmitglieder. Auch sei offen, ob der Beschuldigte direkte Kontakte zu | |
Polizeidienststellen oder Behörden hatte – insbesondere zu Beamten, die im | |
1. Frankfurter Polizeirevier einer rechtsextremen Chatgruppe angehörten. | |
## Unterschätzten die Behörden die Gefahr? | |
Ungeklärt sei ebenso, welche Verbindungen Alexander M. nach Hessen habe, wo | |
viele der Bedrohten leben. Einige Drohbriefe hätten Poststempel aus | |
Frankfurt/Main und Wiesbaden getragen. Zuletzt stelle sich die Frage, ob | |
die Gefahr durch den Tatverdächtigen nicht doch größer gewesen sei als von | |
den Behörden eingeschätzt, da sich bei ihm eine einsatzbereite Schusswaffe | |
fand und er auch wegen Körperverletzung vorbestraft war. | |
Die Betroffenen stellen auch klar, dass nicht behauptet werden könne, dass | |
kein Polizist in die Drohserie verwickelt sei, solange ungeklärt sei, wie | |
der Tatverdächtige an die Polizeidaten kam. | |
Die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main hatte es als „naheliegend“ | |
bezeichnet, dass der Beschuldigte über [5][fingierte Anrufe] an die Daten | |
kam: Er könnte sich als Behördenmitarbeiter ausgegeben und die | |
Datenabfragen in den Polizeirevieren veranlasst haben. Dafür sprächen eine | |
frühere Verurteilung des Festgenommenen für Amtsanmaßung, bei der er sich | |
als Polizist ausgab und ein Schreiben an eine Berliner Behörde, in der er | |
fingierte Anrufe als angeblicher Behördenmitarbeiter einräumte. | |
## Erklärung der Staatsanwaltschaft „wenig plausibel“ | |
Die Betroffenen halten die Erklärung für unwahrscheinlich: „Dass unbekannte | |
Anrufer sich als Polizisten ausgeben und die Daten einer gesamten Familie | |
aus einem Polizeicomputer abfragen können, erscheint wenig plausibel.“ | |
Ihr Fazit: „Es gibt keinen Grund für Entwarnung.“ In Deutschland existiere | |
weiter eine bewaffnete, rechte Szene. „Das reflexhafte Gerede von | |
Einzeltätern ist Teil des Problems, denn das erschwert die Aufklärung von | |
Netzwerken und Unterstützungsstrukturen. Einer wird verhaftet, viele andere | |
machen weiter.“ | |
Der Sonderermittler für die „NSU 2.0“-Drohserie, Hanspeter Mener, | |
bekräftigte auf einem Pressetermin am Mittwoch dagegen nochmals, es deute | |
nach aktuellem Wissensstand nichts auf eine Beteiligung von Polizisten an | |
den Drohschreiben hin. Der „schwebende allgemeine Verdacht“ gegen die | |
Polizei habe sich nicht erhärtet. | |
Albrecht Schreiber, Leiter der Frankfurter Staatsanwaltschaft, versicherte | |
aber, dass die Ermittlungen fortgeführt würden. Tatsächlich gebe es weiter | |
offene Fragen. Darunter die, wie der 53-Jährige an die Adressdaten seiner | |
Opfer kam und ob er Helfer hatte. „Wir sind nicht am Ende.“ | |
5 May 2021 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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