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# taz.de -- Vor der Landtagswahl in Thüringen: Der Flügel-Bekämpfer
> Thüringens Innenminister Georg Maier schießt wie kein anderer gegen Björn
> Höckes AfD-Truppe. Gelohnt wird es dem Sozialdemokraten wenig.
Bild: Will ein Direktmandat: Georg Maier beim Wahlkampfauftritt in Waltershausen
Erfurt taz | Gerade geht es rund: Die AfD hat einen Untersuchungsausschuss
gegen den Minister angekündigt, das Handelsblatt meldet eine „Eskalation“.
Auf allen Nachrichtenseiten ist an diesem Tag von Georg Maier die Rede, dem
Innenminister von Thüringen, der es seinen Polizisten nicht durchgehen
lassen will, wenn sie bei Björn Höckes „Flügel“ mitmischen.
Maiers Sprecher wartet auf seinen Rückruf, aber der Minister sitzt zur
Mittagspause im Brauhaus Friedrichroda, eine halbe Autostunde westlich von
Erfurt. Draußen regnet es in Strömen, drinnen sind alle Tische besetzt mit
Touristen. Maier, 52, Ex-Banker und Sozialdemokrat, fragt den Kellner, ob
es denn auch ordentlich Salat zu den Spaghetti gibt, sein Personenschützer
und er kriegen riesige Portionen aufgetischt, und jetzt will er erst einmal
essen.
„Ich hab dasselbe vor einem Jahr schon gesagt“, sagt er dann zu der Debatte
von in der AfD engagierten Beamten. Für ihn als Dienstherrn verstehe sich
die Sache von selbst: Der Flügel sei „Verdachtsfall“ beim
Verfassungsschutz. Also drohen Beamten, die dabei sind,
Disziplinarmaßnahmen. „Ich versteh die Aufregung jetzt nicht.“
Aber vor einem Jahr stand keine Landtagswahl an, jetzt schon. Fünf
Polizisten sind auf der Wahlliste der AfD in Thüringen, die angeführt wird
von Björn Höcke. Andere Bundesländer haben auch rechte Polizisten, aber so
weit gegen sie vorgewagt wie Maier hat sich lange kein anderer
Innenminister. Erst vor einigen Tagen erklärte Niedersachsen Innenminister
Boris Pistorius, dass, wer sich zum „Flügel“ bekenne, seinen Beamtenstatus
verlieren sollte.
Eine Werbeagentur hat für Maiers Wahlkampf sein hübsch restauriertes
DDR-Mofa der Marke Simson als Fotomotiv ausgesucht. „Flotter Simson-Sozi“
hat die Bild-Zeitung daraus gemacht. Aber sein eigentliches Markenzeichen
ist es, den Nazis in Thüringen, der Heimat des NSU, das Leben schwer zu
machen.
„Rechtsrock-Festival: Bier weg, Bands weg, Stimmung weg“, mit solchen
Schlagzeilen hat er von sich reden gemacht. Das in Thüringen lange blühende
Geschäftsmodell der extrem rechten Musikfestivals „funktioniert mit unserer
Auflagenpolitik nicht“, sagt Maier. Zum letzten Nazi-Konzert Anfang Juli im
südthüringischen Kloster Veßra sagt er: „Zum ersten Mal waren wir mehr
Gegendemonstranten.“ „Wir.“
Ist mit Maier die Staats-Antifa zurück, die der SPD-Kanzler Gerhard
Schröder im Jahr 2000 ausgerufen hatte? Er sei der Erste in dem Amt, der
wahrnehmbar etwas gegen die Rechten tut, sagt ein linker Publizist, der
Thüringens Naziszene berufsmäßig beobachtet. Maier fährt zu
Polizeieinsätzen bei den Nazi-Events, anders als seine Amtsvorgänger.
Das gibt schöne Pressebilder von ihm. Aber es wirkt auch disziplinierend
auf die Polizei, was deren Umgang mit den Gegenprotesten angeht, sagt
einer, der regelmäßig an diesen Demonstrationen teilnimmt. Ein
„Quantensprung“ nennt gar ein Journalist, der seit Jahren für das Magazin
Blick nach Rechts aus Thüringen berichtet, Maiers
Anti-Rechtsrock-Offensive. „Allerdings ist er von den lokalen Initiativen
auch zum Jagen getragen worden.“
Maier hat aus Top-Juristen die „Taskforce Versammlungslagen“ gebildet. Sie
prüft bis ins Kleinste die Möglichkeiten, Nazi-Events Steine in den Weg zu
legen. „Erst mal richtig gut“ fand die Linke Katharina König etwa das
Maßnahmenpaket gegen das „Schild und Schwert“-Festival in Themar vor
einigen Monaten. Diese Politik der Nadelstiche hat die Konzerte für die
Veranstalter unattraktiv gemacht. Auf die Idee ist keiner seiner Vorgänger
gekommen.
## Quereinsteiger ohne Seilschaften
Da wird geholfen haben, dass Maier kein aufgestiegener Verwaltungsbeamter
ist. Zwanzig Jahre arbeitete er bei der bundeseigenen Kreditanstalt für
Wiederaufbau, der drittgrößten Bank Deutschlands. Als der Linke Bodo
Ramelow Maier im August 2017 ins Innenministerium holte, war der niemandem
in seiner neuen Wirkungsstätte einen Gefallen schuldig – und wusste, wie
Effizienz organisiert werden kann. Risikolos ist das nicht.
Der Innenministerposten ist für Thüringer Verhältnisse ein wackeliges Amt.
Umweltminister gab es in dem Bundesland bisher drei, Finanzminister sechs.
Maier ist der elfte Herr über das Innere, keine Ressortspitze wurde
häufiger ausgetauscht. Immer wieder wurden Skandale aus dem eigenen Haus
durchgestochen. Es heißt, Maiers unkonventionelles Vorgehen gegen die Nazis
gefalle im Ministerium nicht jedem.
Mitte August, noch zwei Monate bis zur Landtagswahl. Maiers Büro liegt im
obersten Stock des Ministeriums, mit Blick auf eine Bahntrasse. Er ist
trüber Stimmung. „Gesellschaftlich sind wir in einer Situation, in der es
ums Ganze geht“, sagt er. Die AfD sei noch das kleinere Problem. In
Südthüringen hätten „Nazis reinsten Wasser“ teils 15 Prozent bei der
letzten Kommunalwahl bekommen. Unter ihnen ist etwa das „Bündnis Zukunft
Hildburghausen“ dessen Kreistagsabgeordneter Tommy Frenck
Rechtsrock-Veranstalter ist.
Die Menschen, die sich gegen diese Festivals vor Ort organisieren, „das
sind Helden, weil die am nächsten Tag beim Fleischer damit rechnen müssen,
neben dem Nazi zu stehen“, sagt Maier. „Die müssen den Kopf hinhalten, wenn
einer mal durchdreht. Und die Atmosphäre ist aufgeheizt.“ Es gebe
erschreckend viele extrem rechte Veranstaltungen. Auch in Friedrichroda, wo
Maier wohnt. „Allumfassender Schutz“ sei kaum zu gewährleisten. „Und ich
rede auch von mir selber. Ich muss davon ausgehen, dass mir persönlich auch
was passieren kann.“
## Maier will das Unmögliche
In vielen Dörfern habe der letzte Laden zugemacht, abends fährt kein Bus in
die nächste Stadt. „Die Leute erzählen mir, wie toll es in der DDR war, in
welchen Läden sie sich getroffen haben. Und das ist alles weg. Das ist der
Frust, der da ist.“ Es gebe kein Medium mehr, das aus Thüringen
überregional berichte. „Der Rest der Republik ist nicht im Bilde, was hier
los ist.“
Sieben Wochen später hat der Wahlkampf begonnen. Maier kandidiert im
Wahlkreis Gotha I. Er will das Direktmandat gewinnen. Angewiesen ist er
darauf nicht, er steht auf Platz 5 der SPD-Liste. Aber er will beweisen,
dass die „SPD wieder in der Lage ist, Direktmandate zu gewinnen“ – und si…
damit vermutlich auch für Höheres empfehlen. Bei der EU-Wahl im Mai bekam
die CDU im Landkreis Gotha 24, die AfD 22 – und die SPD 14 Prozent. „Schier
unmöglich. Aber ich schaff das“, sagt Maier. Der Amtsbonus helfe nur
begrenzt. „Wenn ein großer Teil der Bevölkerung der Meinung ist, die da
oben müssten alle beseitigt werden, hat man nicht viel davon, als
Innenminister begrüßt zu werden.“
Anfang Oktober ist Maier bei einer Firma in seinem Wahlkreis zu Besuch,
familiengeführter Mittelstand, Neubau im Gewerbegebiet, 18 Mitarbeiter.
Eine Wahlkampfhelferin hat Mett, Brötchen und Butter mitgebracht, Maier
trägt Jeans und Jackett mit Einstecktuch, im Chefbüro wird gefrühstückt.
Der Senior erzählt von einer neuen Datenbank, die er anschaffen will, es
geht um Fachkräftemangel, Bürokratie, Digitalisierung, Waldsterben. „Wollen
Sie mir etwas mitgeben?“ fragt Maier. Der Junior denkt nach. „Mehr
Förderung für den Mittelstand wäre gut.“ Der Senior sagt, er hätte für d…
neue Datenbank-Schulung gern einen Zuschuss aus dem Landesprogramm
„Digitalbonus“, doch das fördere keine Schulungen.
„Ich red mit dem Zuständigen“, sagt Maier. Ob sie denn „allgemeinpolitis…
noch etwas sagen möchten? „Hast du was?“, fragt der Senior. Dem Junior
fällt nichts ein. Es gebe so viel diffuse Unzufriedenheit im Land, sagt
Maier dann. „Die Leute sagen, alles ist scheiße, aber wenn man sie fragt,
was sie konkret meinen, dann kommt nicht viel.“ „Ich verstehe die
Unzufriedenheit in meiner Generation auch nicht“, sagt der Senior dann.
„Wir sind Wendegewinner.
Diese DDR-Verklärung, das Genöle über die Ausländer, das ist nicht
auszuhalten.“ Er hoffe, dass sich das „mit der nächsten Generation erledigt
hat“. Er habe „Angst vor der Unregierbarkeit Thüringens“ durch die
„Protestwähler“. Wenn es für Rot-Rot-Grün nicht reicht und die CDU weder
mit AfD noch mit den Linken koaliert, gibt es keine Regierungsmehrheit in
Thüringen. Das sei leider ein „realistisches Szenario und ganz schlecht für
die Wirtschaft“, sagt Maier, bevor Facebook-Fotos gemacht werden.
Angst vor Rot-Rot-Grün habe der Mittelstand in Thüringen nicht mehr, sagt
Maier später. Solider Haushalt, wachsende Wirtschaft, geringe
Arbeitslosigkeit. Der SPD-Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee habe etwa
die neue Batteriefabrik des chinesischen Konzerns CATL nach Erfurt geholt –
1,8 Milliarden Euro Investition, 2.000 Arbeitsplätze sollen entstehen. Es
sei „nicht wirklich was schiefgelaufen bei Rot-Rot-Grün“, sagt Maier. „A…
wir, wir sacken ab,“ sagt Maier und meint seine Partei. „Warum sagen die
Leute der SPD: ‚Euch wollen wir nicht mehr‘? Das kann nicht im Land
liegen.“
## Auf dem Marktplatz von Waltershausen
Weiter geht es auf dem Marktplatz von Waltershausen, fünf Stände, Regen,
der SPD-Pavillon droht vom Wind umgeblasen zu werden. Es gibt hier einen
SPD-Ortsverein, ein halbes Dutzend WahlhelferInnen sind da, und das an
einem Dienstagvormittag. Einer holt Steinplatten für die Pavillon-Füße,
einer trägt eine abgebaute Plakatwand in das Parteibüro in der Nähe.
Unbekannte hatten Hakenkreuze, „Dreckschwein“, „SS“ und „AfD“ darauf
gesprüht. Auf dem Marktplatz ist von Politikerhass, Demokratieverachtung
oder DDR-Nostalgie nichts zu hören. Wenn es wütende Kommentare gebe, „dann
ist es immer ‚Merkels Flüchtlingspolitik‘“, sagt ein Wahlkampfhelfer. Ab…
die meisten nehmen Maiers Werbe-Butterbrotdosen und reden über alles
Mögliche – Verkehr, Rente, den Wald.
Maier hat keine klassische Parteibiografie. 1995 bewarb er sich erfolglos
auf eine Stelle als Referent bei der SPD-Landtagsfraktion in Thüringen. In
die SPD trat er erst 2009 ein. 2013 gehörte er zum Strategieteam von Peer
Steinbrück, wurde Sprecher des Finanzforums der SPD. Der Marktplatz von
Waltershausen ist eine sehr andere Welt als das Frankfurter Westend, das
Bankenviertel, aus dem Maier kommt. Er ist erst 2018 nach Friedrichroda
gezogen, als der Wahlkreis für ihn frei wurde. „Zeit für einen von hier“
steht jetzt auf den Plakaten von Maiers Konkurrenten, dem Nachwuchs-CDUler
Hans-Georg Creutzberg. Von hier ist Maier nicht. Aber er gibt sich alle
Mühe, keine Distanz aufkommen zu lassen, quatscht mit den Leuten über die
Feuerwehr, den anstehenden Wald-Subbotnik, sein Mofa.
Ins Amt gebracht hat Maier die gefloppte Kreisgebietsreform. Aus 23
Landkreisen und kreisfreien Städten wollte Rot-Rot-Grün 8 machen. Die
Bevölkerung schrumpft, das hätte Geld gespart. „Das war eine neoliberale
Logik, wir haben nicht gesehen, dass wir damit die Identifikation der Leute
verlieren“, sagt Maier. Die Proteste waren heftig, sein Vorgänger Holger
Poppenhäger musste gehen. Ramelow brauchte jemanden, der „das kommunikativ
besser hinbekommt“, sagt Maier. Der Widerstand ging weiter, Maier ließ die
Kreise, wie sie waren, und fusionierte stattdessen 300 Gemeinden. „Aber
alle freiwillig. Das haben die Leute akzeptiert.“
## Die AfD und die diffuse Unzufriedenheit
Am Nachmittag steht das Wahlkampfteam im Getränkemarkt Löhr in Ohrdruf.
Grob gesagt gibt es zwei Typen von Passanten: Männer zwischen 20 und 60
Jahren und den Rest. Schon von Weitem sehen viele Männer das SPD-Plakat,
ihr Gesicht wird dann regungslos, der Schritt schneller, Maier mit
unwirschem Kopfschütteln auf Abstand gehalten. „Typischer AfD-Wähler“, sa…
die Lehrerin dann. „Ja, die Männer“, sagt Maier. Da sei sie wieder, die
„diffuse Unzufriedenheit“. Viele Frauen, Teenager und Senioren hingegen
lassen sich ansprechen. Einige kennen Maier, aber längst nicht alle. Dass
er Innenminister ist, nehmen viele mit Erstaunen zur Kenntnis. Manche
scheinen mit dem vierseitigen Flugblatt überfordert, das er ihnen hinhält,
denen gibt er ein Knoppers. Die werden in Ohrdruf in einer Fabrik mit über
1.800 Beschäftigten hergestellt. Vielleicht ist die Unzufriedenheit hier
deshalb nur „diffus“ und nicht konkret.
Am Ende kommt ein Pärchen vorbei, der Mann sagt, er habe Jahrzehnte beim
Thüringer Staatsschutz gearbeitet. Er finde gut, was Maier macht. Die
Polizei sei nicht so rechts, wie behauptet werde. „Ich hab in den
Jahrzehnten keinen kennengelernt, der nicht gegen Nazis war.“ Das kann man
glauben oder auch nicht. Maier versucht jedenfalls, das Problem der Rechten
in der Polizei anzugehen. Kürzlich hat er erstmals PolizistInnen öffentlich
auf dem Erfurter Domplatz vereidigen lassen, der „Wertschätzung“ wegen. Er
dulde „nicht den Hauch eines Zweifels an Ihrer Verfassungstreue“, hat er an
dem Tag gesagt.
Maier stammt vom Bodensee und hat einst bei der Treuhand-Nachfolgebehörde
BvS gearbeitet. Ein Jahr, 1995, hat er dort privatisierten Unternehmen
„geholfen zu überleben“, sagt er. Dieser Teil seiner Biografie „spielt im
Wahlkampf keine Rolle“. Das ist erstaunlich, denn die AfD setzt, wie schon
in Brandenburg und Sachsen, auch in Thüringen voll auf 1989 als
Bezugspunkt.
2018 sagte Maier erstmals, dass Zweifel an der Verfassungstreue von
Polizisten bestehen, „die meinen, sich dem Flügel offen anschließen zu
müssen“. Wobei das natürlich nicht gleich heiße, dass sie aus dem Dienst
entfernt werden. Zunächst werde in einem Gespräch auf das Mäßigungsgebot
hingewiesen. „Das beträfe auch Polizisten, die sich bei extrem linken
Gruppierungen betätigten.“ Höcke – der selbst aus dem Westen kommt –
diffamiert Maiers Vorstoß dennoch als „Gesinnungsschnüffelei“ und
„Treppenwitz der Geschichte“: „Genau das ist ein Merkmal totalitärer
Staaten“, schreibt Höcke. „Das zieht alles in den Dreck, was 1989 geleistet
wurde“, sagt Maier dazu. Doch die Frage bleibt, wie er damit umgehen kann,
dass viele seiner Polizisten die AfD gut finden. „Klare Sprache, klare
Ansagen“, so wie bei der Vereidigung, sagt Maier. Im Verfassungsschutz den
Flügel anschauen.
Höckes Geraune, große Teile der Sicherheitsorgane würden nur darauf
warten, sich gegen das System zu wenden, nennt Maier „perfide. Das ist auch
nicht wahr.“ Er hat Rückhalt von beiden Polizeigewerkschaften bekommen.
Doch wenn sein Vorgehen gegen die Flügel-Beamten zu Solidarisierungen
anderer Polizisten führe, „dann ist das so“, sagt Maier.
## Themen: die örtliche Burgruine, Busstationen, Waldsterben
Das Kulturzentrum im kleinen Bad Tabarz heißt KuKuNa. Am Abend regnet es
immer noch, eine halbe Stunde bevor die Podiumsdiskussion der Thüringer
Allgemeinen losgeht, sind alle Stühle besetzt. Sieben KandidatInnen sind,
da, ganz links sitzt ein Elektriker von der MLPD, ganz rechts ein Ex-Soldat
von der AfD. Der Moderator fragt, ob er sich dem „Flügel“ zurechnet.
„Natürlich“, sagt er und bekommt Applaus. Den Grünen haben sie rechts von
Maier platziert, der hat sich einen dunklen Anzug und weißes Hemd
angezogen. Auch hier wirkt die Lage nicht so trüb, wie Maier sie im Sommer
geschildert hatte.
Drei Stunden wird diskutiert, engagiert, unaufgeregt, sachlich, über lokal
relevante Themen: die örtliche Burgruine, die stillgelegte Ohratalbahn,
Haltepunkte für Busse, Waldsterben. Von „Islam“ oder „Merkel“ ist keine
Rede. Als alle sagen sollen, welches Projekt sie am liebsten realisieren
würden, nennt der Mann von der MLPD „kostenlosen Nahverkehr“, der AfDler
will „Mobilität fördern“ und hat auch ansonsten Kreide gefressen.
In der Pause scheint Maier etwas enttäuscht. Klar sei es gut, dass die
Diskussion hier so sachlich sei, aber ein wenig Konfrontation könne ja
nicht schaden. „Mal sehen, ob der sich aus der Reserve locken lässt.“ Er
lässt nicht, auch wenn Maier etwas stichelt. Erst ein wütender Schüler
bringt den AfDler in Verlegenheit, der ihn fragt, wie seine Partei den
menschengemachten Klimawandel leugnen könne. Er hat keine gute Antwort.
„Die AfD hat ihr Wählerpotenzial zu 100 Prozent ausgeschöpft“, glaubt
Maier. Und die SPD? Maiers Situation ähnelt jener des sächsischen
SPD-Spitzenkandidaten Martin Dulig. Der ist wie Maier vorzeigbar, smart,
integer, viele mögen ihn – aber nicht seine Partei. Auf Duligs Wahlplakaten
in Sachsen stand „Wer Dulig will, muss SPD wählen“. Es klang wie „Wer sc…
sein will, muss leiden“. Genützt hat es nichts. Sachsens SPD kam auf
desaströse 7,7 Prozent. Das prognostizieren die Wahlforscher auch der
Thüringer SPD.
16 Oct 2019
## AUTOREN
Christian Jakob
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