# taz.de -- Landtagswahl in Thüringen: Die eingeklemmte CDU | |
> Die CDU versucht sich zwischen Linkspartei und AfD zu behaupten. | |
> Spitzenkandidat Mohring wettert gegen beide, schließt aber nur eine als | |
> Partnerin aus. | |
Bild: Will die Mitte gewinnen, aber dort gibt’s nicht viel zu holen: Mike Moh… | |
ERFURT/MÖDLAREUTH taz | Ist Schwarz-Blau eine Option für Thüringen nach den | |
Landtagswahlen am 27. Oktober? Diese für Sachsen bei der Landtagswahl im | |
September schon viel diskutierte Frage einer CDU-AfD-Allianz darf zumindest | |
theoretisch auch für Thüringen gestellt werden. Denn letzte Umfragen | |
prophezeien einen Verlust der bisherigen Regierungsmehrheit von Linken, SPD | |
und Grünen. Im aktuellen Thüringen-Trend vom Oktober kommen alle drei | |
Parteien zusammen nur auf 44 Prozent. | |
CDU und AfD kommen zusammen immerhin auf knapp 50 Prozent. Falls die FDP | |
den Einzug verpasst, hätte ein solches theoretisches Bündnis praktisch eine | |
Mehrheit. Der Flirt von CDU-Spitzenpolitikern mit der AfD nach den | |
Landtagswahlen 2014, um einen Linken-Ministerpräsidenten Bodo Ramelow zu | |
verhindern, ist vielen noch in Erinnerung. Auch CDU-Spitzenkandidat Mike | |
Mohring soll laut Spiegel damals einen Pakt mit der AfD geplant haben – | |
obwohl Mohring das im Nachhinein dementierte. | |
Doch die heutige AfD ist nicht mehr die Professorenpartei von damals. Erst | |
recht nicht in Thüringen, wo der ultranationalistische Björn Höcke seinen | |
Vorgänger und Landesparteigründer Matthias Wohlfahrt kurz vor der | |
Landtagswahl 2014 ausbootete. Spätestens seit ihrem Dezemberparteitag 2015 | |
gingen die Thüringer CDU und ihr Landes- und Fraktionsvorsitzender Mike | |
Mohring auf Abgrenzungskurs zur AfD. | |
## Hauptgegner ist Rot-Rot-Grün | |
Beim Wahlkampfauftakt zum Deutschlandtreffen mit der CSU am 3. Oktober im | |
ehemaligen Grenzort Mödlareuth schoss sich Mohring jetzt auf die | |
Hauptgegner Linke und deren Partner SPD und Grüne ein. „Wer die AfD wählt, | |
hält Rot-Rot-Grün im Amt“, rief er. Bei den Rundfunk-Hörerfragen von MDR | |
aktuell eierte Mohring herum, sodass ihn SPD-Spitzenkandidat Wolfgang | |
Tiefensee zu einer klaren Distanzierung aufforderte. | |
Sein Generalsekretär Raymond Walk wird im taz-Gespräch deutlicher. „Eine | |
solche Gefahr gibt es überhaupt nicht“, beteuert er vehement. Seit 2017 sei | |
eine „Koalition mit dem rechten Rand ausgeschlossen“, da herrsche „klare | |
Kante“. Für die AfD findet er Bezeichnungen wie „rückwärtsgewandte | |
Antieuropäer“. | |
Auch die Eichsfelder CDU-Direktkandidatin Christina Tasch hält ein | |
Zusammengehen mit der AfD für völlig ausgeschlossen. Ihr Sohn Felix Tasch, | |
ein Volkskundler und Kulturhistoriker, hat in einer Denkschrift sogar | |
Parallelen zwischen dem Gebaren der AfD im Kreistag und der | |
Machtergreifungsstrategie der NSDAP 1933 gezogen. | |
Die Linksjugend im Eichsfeld ist skeptischer. Im Büro der Linkspartei in | |
Heiligenstadt reden die jungen Leute, die anonym bleiben wollen, offen über | |
ihre Befürchtungen im Falle einer mehrheitsverheißenden Konstellation: „Die | |
CDU könnte einknicken.“ Auch die Fraktionsvorsitzende der Linken im | |
Landtag, Susanne Hennig-Wellsow, bleibt misstrauisch. Konkrete Beispiele | |
für ein auffälliges gemeinsames Stimmverhalten in den Kommunen kann sie | |
zwar nicht nennen. Aber im Landtag habe sich die [1][rot-rot-grüne | |
Koalition] mit ihrer knappen Ein-Stimmen-Mehrheit oft einem Block von CDU | |
und AfD gegenübergesehen. „Die zweite Reihe der CDU feiert auch gern mal | |
mit der AfD, wenn es gegen Rot-Rot-Grün geht“, so Hennig-Wellsow. | |
## Seit 29 Jahren regierend | |
Machtmathematisch und mental ist die Thüringer CDU in einer ganz anderen | |
Lage als die seit 29 Jahren ununterbrochen regierende Sachsen-Union. Sie | |
agiert nicht von der Spitze her, die es zu verteidigen gilt, sondern ist | |
Herausforderin und zugleich Bewerberin um die Rolle der | |
Oppositionsführerin. Die AfD, die auch in Thüringen rund 25 Prozent der | |
Wählerstimmen holen könnte, hat ihr den Rang als Hauptkontrahentin der | |
führenden Linken abgelaufen. | |
Generalsekretär Walk verweist zwar auf große Fachkompetenzzuschreibungen | |
für die Union in Umfragen und hohe Zufriedenheitswerte von 40 Prozent für | |
Mike Mohring. Aber an einen parteiübergreifend populären Bodo Ramelow | |
reicht Mohring eben nicht heran. | |
Anders als in Sachsen spitzt sich der Wahlkampf nicht auf einen Zweikampf | |
CDU gegen AfD zu, sondern auf Linke versus AfD. „Wir haben die Gefahr | |
erkannt, zwischen die Fronten zu geraten“, beschreibt Raymond Walk die | |
eingeklemmte Lage der Thüringer Union „zwischen den Linkspopulisten und den | |
Rechtspopulisten.“ Folglich setze man auf die Mitte, auf die bürgerliche, | |
die es ohne die CDU kaum noch geben würde. | |
Ob dort angesichts der zunehmenden Polarisierung viel zu holen sein wird, | |
bezweifelt allerdings die Linke Hennig-Wellsow. | |
In einer aktuellen Studie des Jenaer [2][Instituts für Demokratie und | |
Zivilgesellschaft] erklären 60 Prozent der potenziellen CDU-Wähler, dass | |
sie die Union nicht mehr wählen würden, wenn diese mit der AfD koaliert. | |
Doch nur 55 Prozent der Befragten sind gegen eine Regierungsbeteiligung der | |
AfD, 40 Prozent können sie sich vorstellen. | |
Zwar wünscht nur jede Fünfte eine von Mike Mohring geführte Koalition. Aber | |
nur etwas mehr als ein Drittel will dezidiert eine Fortführung von | |
Rot-Rot-Grün, der Rest (über 40 Prozent) wünscht „eine andere Koalition“. | |
Ein Viertel der Wähler ist noch unentschlossen. Um die werden alle Parteien | |
im Endspurt besonders kämpfen. | |
23 Oct 2019 | |
## LINKS | |
[1] /SPD-und-Gruene-in-Thueringen/!5631748 | |
[2] https://www.idz-jena.de/newsdet/wohin-steuert-thueringen-aktuelle-empirisch… | |
## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
## TAGS | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Wahlkampf | |
CDU | |
Schwerpunkt Landtagswahl Thüringen | |
Mike Mohring | |
Wahlen in Ostdeutschland 2024 | |
Schwerpunkt Landtagswahlen | |
Frauenquote | |
Schwerpunkt Landtagswahl Thüringen | |
Schwerpunkt Landtagswahlen | |
Linda Teuteberg | |
Mike Mohring | |
Björn Höcke | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Rot-Rot-Grün in Thüringen: Allen Untergangsprognosen getrotzt | |
Nach fünf Jahren klopft sich Thüringens Regierung auf die Schulter. Die | |
drei Koalitionspartner würden am liebsten zusammen weitermachen. | |
Vorstoß zu einer Frauenquote in der CDU: Quote statt Quorum | |
Die Frauen-Union will eine Frauenquote. Die soll vom CDU-Parteitag im | |
November beschlossen werden und Teilhabe von Frauen verpflichtend machen. | |
Vor den Wahlen in Thüringen: Gottesmutter schlägt Landesvater | |
In Thüringen mag Bodo Ramelow regieren, im Eichsfeld hat seit 1575 die | |
katholische Kirche das Sagen. Aber sind die Eichsfelder gegen die AfD | |
gefeit? | |
taz-Forum zur Landtagswahl in Thüringen: Nicht mit Nazi-Höcke | |
Wird Thüringen mangels Mehrheit unregierbar? Beim taz-Gespräch überraschen | |
die Kandidaten mit Freundlichkeit – und scharfer Abgrenzung nach rechts. | |
FDP-Wahlkampf in Thüringen: Mit Cowboystiefeln in den Landtag | |
Die FDP kämpft vor der Wahl in Thüringen für den Sprung über die | |
Fünfprozenthürde. Wenn er gelingt, könnte Rot-Rot-Grün Geschichte sein. | |
Drohbriefe gegen Politiker: Hasspost mit tausend Absendern | |
Nach Morddrohungen erfährt der CDU-Mann Mike Mohring breite Solidarität. Er | |
ist indes kein Einzelfall. Ermittler finden gegen den Hass kein Mittel. | |
Vor der Landtagswahl in Thüringen: Der Flügel-Bekämpfer | |
Thüringens Innenminister Georg Maier schießt wie kein anderer gegen Björn | |
Höckes AfD-Truppe. Gelohnt wird es dem Sozialdemokraten wenig. |